Zusammenfassung
Hintergrund: In einigen Regionen Deutschlands
ist die hausärztliche Versorgung bereits heute gefährdet.
Die Ursachen für den Hausärztemangel liegen einerseits
im steigenden Bedarf an Hausärzten durch die demographische
Entwicklung und die Zunahme chronischer Erkrankungen. Andererseits entscheiden
sich immer weniger Medizinstudierende für eine hausärztliche
Tätigkeit. Ziel der vorliegenden Studie war es zu analysieren,
welche Faktoren aus Sicht praktizierender Hausärzte die Attraktivität
ihrer Tätigkeit bestimmen und inwiefern diese Faktoren
den medizinischen Nachwuchs in seiner Berufwahl prägen.
Methoden: Es wurden Interviews mit 16
Hausärzten durchgeführt. Die Auswertung erfolgte
inhaltsanalytisch nach Mayring mit dem Computerprogramm Atlas.ti.
Ergebnisse: Aus hausärztlicher
Perspektive orientieren sich Medizinstudierende bei ihrer Berufswahl
stark an der Attraktivität ihrer künftigen Tätigkeit.
Folgende Faktoren, die die Attraktivität ihrer Tätigkeit
und damit die Berufsorientierung des medizinischen Nachwuchs negativ
beeinflussen, wurden von den Hausärzten als maßgeblich
benannt: schlechte Arbeits- und Rahmenbedingungen, die zu einer
hohen Unzufriedenheit führen; schwindendes Image der hausärztlichen
Profession, hervorgerufen durch veränderte Berufs- und Wertvorstellungen
in der Gesellschaft; mangelnder Stellenwert und Präsenz
des Fachs Allgemeinmedizin im Medizinstudium.
Folgerung: Aus den oben dargestellten
Ergebnissen lassen sich Lösungsansätze gegen den
hausärztlichen Nachwuchsmangel ableiten, die unterschiedliche
Zielgruppen betreffen: den Staat, der die Arbeits- und Rahmenbedingungen
vorgibt und die Hausärzte von überbordender Bürokratie
entlasten könnte, die Hochschulen und ärztlichen
Selbstverwaltungseinrichtungen, die sich der Herausforderung ihrer
Aus- bzw. Weiterbildungsfunktion stellen sollten und die Hausärzte
selbst mit Bereitschaft zu Veränderung im Sinne einer selbstbewussten Außendarstellung
ihres Faches.
Abstract
Objective: In some parts of Germany
there is already a lack of general practitioners (GPs). The reasons
for this lack are complex. On the one hand there is an increasing
demand for GPs as a result to demographic changes and an increase
in the number of chronic diseases. On the other hand fewer medical
students decide to become a general practitioner. The aim of this
study was to explore, from the perspective of GPs, factors influencing the
choice of general practice as a career. Also analysed is the extent
to which those factors influence medical students in their carrier
choice.
Methods: 16 GPs were interviewed. Qualitative
content analysis according to Mayring has been assisted by the Atlas.ti
software program.
Results: GPs thought that the occupational
orientation of medical students would be strongly dependent on the
attractiveness of their future profession. Factors affecting the
day-to-day work of general practice and may deterring the carrier
choice of students were: poor working and general conditions leading
to an increasing dissatisfaction among GPs; decreasing prestige
of GPs caused by changed personal and occupational values and attidutes
within the society; as well as poor representation and image of
general practice as a discipline within the medical curriculum.
Conclusion: Various approaches aimed
at different target groups can be derived from these identified
factors: the government providing general and occupational conditions
that would relieve GPs of excessive bureaucracy; universities and
medical associations meeting the challenge byimproving undergraduate and
postgraduate education in general practice; and GPs themselves giving
a more self-confident presentation of general practice.
Schlüsselwörter
Hausarzt - Allgemeinmedizin - Nachwuchsmangel - Einflussfaktoren - qualitative Studie
Keywords
general practitioner - general practice - lack of trainees - influencing factors -
qualitative study
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2, Geb. 37
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