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DOI: 10.1055/s-0029-1192721
Erfahrungen mit Silbersalvarsan1)
1) Bei der Redaktion eingegangen am 13. I. 1920.Publication History
Publication Date:
14 July 2009 (online)

Zusammenfassung
Selbst auf Grund eines relativ großen Materials ist es sehr schwer, die Wirkung der verschiedenen Salvarsanpräparate miteinander zu vergleichen. Wir haben uns bemüht, die Bedingungen für einen solchen Vergleich möglichst günstig zu gestalten, indem wir eine große Anzahl von Kuren mit Silbersalvarsan in bezug auf Dosierung und Intervalle einheitlich gestalteten, selbstverständlich, unter Berucksichtigung der Individualitat der Kranken und der sich aus eventuellen Reaktionserscheinungen ergebenden Kontraindikationen. Wir sind uns aber wohl bewußt, daß wir nur ein ganz vorläufiges Urteil, und zwar nur über die von uns verwendete Methode, abgeben können.
Unter diesem Vorbehalt möchten wir Folgendes kurz zusammenfassend hervorheben: Das Silbersalvarsannatrium ist bei der nötigen Uèbung in intravenösen Injektionen und bei der ebenso nötigen Vorsicht bei der Herstellung der Lösung nicht wesentlich unbequemer oder schwieriger zu handhaben als Neosalvarsan oder Salvarsannatrium. Besondere Apparate sind nicht notwendig.
Die Heilerfolge bei Primäraffekten, sekundären und tertiären Symptomen sind sehr günstig, sie scheinen uns hinter denen einer kombinierten Kur mit Neosalvarsan und Hg in den meist ublichen Dosen nicht zurückzustehen. In diesem Sinne sprechen auch die beiden von uns beobachteten Reinfektionen. (Ueber Tabes haben wir zu wenig Erfahrung.) Das Gleiche wie von der Heilwirkung gilt von der Einwirkung auf die Wassermannsche Reaktion, über die freilich in bezug auf nach Beendigung der Kur noch eintretenden Umschlag und eventuelle Serorezidive wesentlich langere und zahlreichere Beobachtungen notwendig sind. Die bei uns unmittelbar nach der Injektion auftretenden Nebenerscheinungen sind bei den späteren Fabrikationsnummern so selten und unbedeutend gewesen, daß die für die Praxis unbequeme Losung in größeren Mengen Wasser nicht mehr notwendig erschien.
Ob die Dermatosen beim Silbersalvarsan häufiger sind als bei den anderen Salvarsanpräparaten, kann auf Grund des bisherigen Materials nicht entschieden werden. Das Gleiche gilt für Früh- und Spätikterus.
Etwas häufiger scheinen nach unseren Erfahrungen Thrombosen trotz absolut fehlerfreier intravenöser Injektion.
Eine besondere Beachtung erfordern noch die Neurorezidive. Diese waren nicht nur bei den von Jadassohn in Bern mit der stärkeren Methode behandelten Patienten (3 bzw. 4,5 Neosalvarsan und Hg in Form von Argutan, Salizyl-Hg und Kalomel), sondern auch bei den in Breslau schwächer, aber ebenfalls kombiniert behandelten Kranken sehr selten geworden. Die von uns beobachtete Zahl von diesen sehr unerwünschten, wenn auch in unserem Material gut abgelaufenen Komplikationen haben wir uns zunächst damit zu erklären versucht, daß die von uns benutzten Dosen von Silbersalvarsan noch nicht ausreichend waren, trotzdem einer der Fälle sehr reichlich behandelt worden war, oder daß — wie Sinn zu meinen scheint — das Fehlen des Hg die Schuld daran trägt. Wäre das letztere der Fall, so würde unzweifelhaft ein wesentlicher Vorteil des Silbersalvarsans fortfallen; denn es wäre gewiß ein sehr großer Fortschritt, wenn das Hg bei der Syphilisbehandlung entbehrlich würde. Wir sind aber wieder sehr zweifelhaft darüber geworden, ob in der Tat die Neurorezidive eine Folge der unzureichenden Silbersalvarsanbehandlung an sich sind. Denn es ist doch auffallend, daß in der Literatur so wenig über Neurorezidive berichtet wird, und ganz besonders, daß wir selbst seit mehreren Monaten solche nicht mehr beobachtet haben. Das hätte aber eigentlich der Fall sein müssen, denn wir haben gerade in den Sommermonaten bis zum September noch eine große Anzahl Patienten mit der gleichen Silbersalvarsanmethode behandelt und hätten also für die darauf folgenden Monate ein weiteres Vorkommen von Neurorezidiven erwarten mussen. Davon ist aber nichts eingetreten. Die Möglichkeit, daß einzelne Fabrikationsnummern auch in dieser Beziehung unzulänglich waren, hat nicht erwiesen werden können, da die betretenden Patienten mit verschiedenen Fabrikationsnummern behandelt worden sind. Wir mussen die Frage also in suspenso lassen. Jedenfalls könnte man aber gerade bei der guten Verträglichkeit des Silbersalvarsans, so wie es seit Monaten geliefert worden ist, und bei den schon vorliegenden zahlreichen Erfahrungen mit höheren Einzel- und Gesamtdosen, als wir sie gegeben haben, bei der weiteren Benutzung des Mittels auch zu solchen übergehen.
Wir können also sagen, daß uns die Behandlung mit Silbersalvarsan ohne Hg in Einzeldosen von 0,05 bis 0,25 und in Gesamtdosen von 2—3g bei seronegativer Lues I bisher volle Erfolge ergeben hat. Auch bei seropositiver Lues haben wir eine Minderwertigkeit (abgesehen von den noch zweifelhatten Neurorezidiven) dieser Behandlung gegenüber der bei uns sonst zur Zeit gebräuchlichen mittelstarken kombinierten Therapie nicht beobachtet. Methode und Nebenwirkungen der Silbersalvarsanbehandlung geben nach unseren bisherigen Erfahrungen beigenugen der Sorgsamkeit keinen Grund gegen seine weitere Prüfung auf breiter Basis.