Dtsch Med Wochenschr 1928; 54(44): 1849-1851
DOI: 10.1055/s-0028-1165726
Gesundheits- und Krankenfürsorge

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur neuen Bekämpfungslehre des Scharlachs1)

Gerhard Elkeles, Kurt Marcuse
  • Aus dem Städtischen Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten in Charlottenburg-Westend. (Vorstand: Dr. G. Elkeles.)
1) Nach einem auf dem Deutsch-Russischen Scharlachkongreß in Königsberg am 12. VI. 1928 gehaltenen Vortrag.
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Publication Date:
18 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß H-Streptokokken im Rachenabstrich frischer und auf der Höhe des Scharlachs stehender Erkrankungsfälle nicht ganz selten fehlen oder innerhalb größter Mengen grüner Streptokokken nur ganz vereinzelt vorhanden sind (zusammen etwa 16%). Wir weisen darauf hin, daß der Rachenabstrich als ausschließlicher Maßstab für die Ansteckungs- und Entlassungsfähigkeit der Rekonvaleszenten aus dem Krankenhause als definitive gesetzliche Maßnahme ungeeignet ist. Denn erstens sprechen ärztliche Gründe gegen die Entlassung der negativen Rekonvaleszenten vor der 5 Woche. Zweitens kommen H-Streptokokken auch in der Nase und auf der schuppenden Haut gebadeter, im Rachen negativer Rekonvaleszenten vor. Drittens müssen katarrhalische Befunde wie Schnupfen, Laryngitis, Bronchitis, Lymphadenitis, nicht abgeschlossene Otitis, Nephritis viel mehr als bisher bei der Entlassung der Kranken und Erfassung der Heimkehrfälle berücksichtigt werden. Wir heben ferner die Schwierigkeiten der zuverlässigen bakteriologischen Diagnostik hervor und fordern eine Standardisierung der Methodik. Wir weisen insbesondere darauf hin, daß es unzulässig ist, die Verhältnisse bei der Aetiologie und Epidemiologie die Diphtherie einfach auf den Scharlach zu übertragen. Wir halten die Lüftungsstationen für überflüssig, weil die „Beladungstheorie” nach unseren Erfahrungen an Kranken und Pflegepersonal nicht zutrifft, und heben hervor, daß nach Deicher selbst auch im Rudolf Virchow-Krankenhaus die früheren guten Erfahrungen mit Lüftungsstationen sich späterhin nicht bestätigt haben. Wir sind der Ansicht, daß bei der so wichtigen Nachprüfung der Heimkehrfälle die klinischen und epidemiologischen Einzelheiten gründlicher erforscht und mitgeteilt werden müssen als bisher und daß außerdem alle Fälle innerhalb einer Stadt einer für die Erzielung unbeeinflußter Ergebnisse geeignet zusammengesetzten Stelle zur Nachprüfung vorliegen müssen. Wir hoffen, daß auf diesem Wege ruhiger Forschung eine Klärung erzielt werden wird. Da es sich vorläufig nur um einen Versuch handelt, dessen Ergebnis erst abgewartet werden muß, würde eine überstürzte gesetzliche Regelung dem Ansehen der deutschen Wissenschaft nach innen und außen schaden. Wir halten es daher für wünschenswert, daß vorläufig jeder dahingehende Druck sowohl direkt als auch auf dem Wege über die Oeffentlichkeit vermieden wird.

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