Dtsch Med Wochenschr 1953; 78(10): 322-327
DOI: 10.1055/s-0028-1131263
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Kreislaufwirkung ganglienblockierender Stoffe

Präoperative Erkennung der durch eine „kontrollierte Blutdrucksenkung” gefährdeten PatientenR. Wenger, D. Doneff, E. Vyslonzil
  • I. Medizinischen Universitätsklinik Wien (Vorstand: Prof. Dr. E. Lauda) und der II. Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik (Derzeitiger Leiter: Dr. R. Koschier)
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. April 2009 (online)

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Zusammenfassung

1. Bei 20 Patienten —10 kreislaufgesunden Patienten, sowie 10 Patienten mit Hypertonie bzw. arteriosklerotischer Myokardiopathie — wurden im Verlaufe einer künstlichen Blutdrucksenkung mittels der ganglienblockierenden Substanzen Hexamethonium bzw. Pendiomid während otologischer Operationen fortlaufende elektrokardiographische Kontrollen vorgenommen. Es wurden Blutdruckwerte bis zu 40 mm Hg. (systolisch) erreicht. Es zeigte sich bei fast allen (18) Patienten deutliches Niedrigerwerden der T-Zacken in Abi. I und II während der Wirkung dieser Substanzen. Bei Patienten mit abnormem präoperativem Elektrokardiogramm kam es während der Operation zu einer noch stärkeren Abflachung der T-Zakken. Die elektrokardiographischen Veränderungen traten stets innerhalb weniger Minuten nach der Injektion (frühestens eine Minute nachher) auf und konnten bis 9 Stunden nachher beobachtet werden. Die Veränderungen der Zwischenstücke (in Form von leichten Senkungen in einem Teil der Fälle) traten gegenüber den Veränderungen der T-Zacken deutlich zurück. In einem Normalfalle kam es nach Hexamethonium zu einer deutlichen Verlängerung der Überleitungszeit. Stärkere Veränderungen der Herzfrequenz traten in der Mehrzahl der Fälle nicht auf.

2. Bei Herzgesunden gingen die elektrokardiographischen Veränderungen meist schon wenige Minuten nach ihrem Auftreten wieder zurück, auch wenn die Blutdruckwerte weiter absanken. Bei Patienten mit geschädigtem Herzen blieben die Elektrokardiogramm-Veränderungen im allgemeinen länger bestehen und nahmen während der Operation oftmals noch an Schwere zu, obwohl die Blutdruckwerte schon wieder im Ansteigen waren. Dies wird im Sinne einer deutlich verzögerten „Erholung” des Herzens bei geschädigtem Herzmuskel bzw. bei Vorliegen einer stärkeren Koronarsklerose gedeutet.

3. Als beste Voruntersuchungs-Methode erwiesen sich die Schellongsche Kreislaufregulationsprüfung nach Injektion von Histamin sowie fortlaufend während dieser Untersuchung durchgeführte Elektrokardiogramm-Kontrollen. Bei den Normalfällen ergaben diese beiden Methoden im allgemeinen leicht positive Ausfälle (hypodyname Reaktion, geringe Veränderungen der T-Zacken bzw. der Zwischenstücke). Bei den Patienten mit geschädigtem Herzen kam es in einem Teil der Fälle zu einem Kollaps nach Aufstehen und Histamin sowie zu stärkeren Elektrokardiogramm-Veränderungen während dieser Probe.

4. Es ergeben sich aus der Beurteilung der elektrokardiographischen Veränderungen nach Anwendung dieser Substanzen am Menschen Hinweise darauf, daß die Wirkung dieser Stoffe auch von der vegetativen Ausgangslage abhängt.

5. Bei kreislaufgesunden Patienten ist die Methode der künstlichen Blutdrucksenkung weitgehend gefahrlos. Bei Arteriosklerotikern mit verhältnismäßig gutem Zustand des Herzmuskels droht bei starker Blutdrucksenkung eine gewisse Gefahr von seiten zerebraler Anoxie, wie es uns ein Fall (mit normalen elektrokardiographischen Kontrollen) und längerdauerndem Cheyne-Stokesschen Atmen nach der Operation lehrte. In solchen Fällen kann ein starker positiver Ausfall des Histamin-Schellong-Testes nach Rühl (eventuell Kollaps) als Warnungszeichen dienen, den Blutdruck während der Operation nicht zu stark zu senken. Bei Patienten mit geschädigtem Herzen droht unter Umständen auch von seiten der Koronardurchblutung eine gewisse Gefahr, für die möglicherweise stärkere Veränderungen des Elektrokardiogramms nach Aufstehenlassen unter Histamineinwirkung einen Hinweis darstellen. Auch in solchen Fällen darf die Blutdrucksenkung nur in mäßigem Ausmaße durchgeführt werden.