Dtsch Med Wochenschr 1930; 56(51): 2163-2166
DOI: 10.1055/s-0028-1126124
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Chronische Tonsillitis und Ihre Folgekrankheiten vom Standpunkt des Internisten

O. Bruns in Königsberg i. Pr.
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Wenn man also auch zugeben wird, daß die schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen relativ selten Folgen chronischer Tonsillitiden sind, so scheinen doch diese chronischen Entzündungsherde in den Mandeln nicht so selten eine ausgesprochene Anfälligkeit, ein Wechseln zwischen Gesundheit und Kränkeln bzw. ausgesprochener Krankheit zu veranlassen.

Ueber die Indikation zur Mandelausschälung sind eigentlich alle Internisten eines Sinnes. Alle lehnen eine grundsätzliche Entfernung der Mandeln lediglich der Diagnose chronischer Tonsillitis wegen ab. Sie verlangen, daß die Indikationen zur Tonsillektomie nur auf Grund sorgfältiger internistischer Untersuchung dort gestellt werden, wo die reale, nicht nur die rein gedankliche Möglichkeit des Zusammenhanges mit einem Sekundärleiden besteht (Paeßler).

Der operative Eingriff ist dann stets anzuraten, wenn eine besondere Krankheitsbereitschaft der Tonsillen besteht, die zu immer wiederkehrenden Rezidiven führt. Ebenso legen uns die Rezidive innerer Erkrankungen eine operative Tonsillenbehandlung nahe. Das vorübergehende Wiederaufflammen der Sekundärkrankheiten schon bei Ausdrücken der Mandeln, vollends bei operativen Eingriffen, kann als Regel bezeichnet werden. Meist aber klingen diese Erscheinungen nach kurzer Zeit wieder ab.

Die Verantwortung für den Eingriff liegt beim Internisten bzw. beim behandelnden Arzt. Er hat den Zeitpunkt des Eingriffs zu bestimmen. Wohl mit den meisten Internisten stehe ich auf dem Standpunkt, daß man erst einige Wochen — etwa 4–6 Wochen — nach Abklingen der akuten Krankheitserscheinungen die Tonsillektomie ausführen soll. Dann ist die Gefahr sofortiger postoperativer Rückfälle sehr gering. Sie ist wesentlich größer, wenn man unmittelbar und während des akuten fieberhaften Stadiums operiert. Auch Rezidive sind bei Spätoperationen leichter vermeidbar als bei Frühoperationen.

Eine Frühoperation sollte man nur dann vornehmen, wenn die Folgekrankheit an den inneren Organen von den Tonsillen aus stets von neuem aufflackert oder die Gefahr besteht, daß sie in einen septischen Zustand übergeht. Es darf nicht verschwiegen werden, daß man bei Frühoperationen Verschlimmerungen von Arthritis, Ischias, Nephritis usw. sah, die nach Dauer und Stärke recht bedenklich waren.

Natürlich hat die Tonsillektomie, wenn sie nach Ablauf der akuten Krankheitserscheinungen vorgenommen wird, z. B. bei rezidivierenden Anginen, beim akuten Gelenkrheumatismus und abgelaufener Nephritis nur prophylaktischen Wert. Rückfälle treten dann aber meist nicht wieder auf. Bei chronischer Nephritis lehnen wir die Tonsillektomie gänzlich ab. Da ich unter meinem Material fast ausschließlich chronische Nephritiden fand, habe ich die Nephritis auf unserer Tabelle nicht aufgeführt.

Zweifellos sind im Anschluß an die Tonsillektomie eine Reihe sehr unerwünschter Komplikationen aufgetreten, über welche eine Reihe von Kliniken berichten. Da und dort wurden im Anschluß an die Tonsillektomie Pneumonien, Sepsis, Halsphlegmonen, urämische Zustände und gelegentlich auch Todesfälle beobachtet. Paeßler sah allerdings bei 3000 Tonsillektomien nur 2 Todesfälle. Man muß daher, was zum Schluß nochmals betont sein möge, in der Indikationsund Terminstellung zur Tonsillektomie möglichst kritisch vorgehen.

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