Dtsch Med Wochenschr 1930; 56(23): 961-963
DOI: 10.1055/s-0028-1125737
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber Zaponlackvergiftung

Gerhard Ohnesorge
  • Aus der Beobachtungsstation für Gewerbekrankheiten im Krankenhaus Lankwitz. (Prof. Carl Lewin.)
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Bei drei in 2 verschiedenen Hutfabriken beschäftigten Arbeitern kommt es beim Arbeiten mit Zaponlack nach relativ sehr kurzer Zeit, abgesehen von den schon bekannten Reizerscheinungen an den Schleimhäuten zu einer Leberschädigung, die aber, da die Erkrankten sich wegen anderer Erscheinungen frühzeitig in ärztliche Behandlung begeben, ausheilt. Welche Ursache hat nun diese Schädigung hervorgerufen?

Das Amylazetat, dessen Vorhandensein schon durch seinen starken Geruch, der alles andere überdeckt, erkannt wird, kommt nicht dafür in Frage. Ebensowenig das Azeton; auch vom Buthyl- und Aethylazetat sind lediglich Schleimhautreizungen bekannt (siehe Beintker, Ueberempfindlichkeit gegen Aethylazetat, D. m. M. 1928 Nr. 13). Es kamen Benzol und seine Homologe, und die gechlorten Kohlenwasserstoffe vor allem in Betracht.

Die Untersuchung der verwendeten Flüssigkeit erbrachte das Vorhandensein von Tetrachloräthan.

Tetrachloräthan, C2H2Cl4, eine farblose Flüssigkeit von süßlichem Geruch, ist als schweres Lebergift bekannt. Es besitzt eine 7mal stärkere Giftigkeit als das Chloroform und hat innerhalb seiner Reihe eine besonders starke Affinität zu den Lipoiden. Tierversuche haben bei der Sektion ergeben; starke Gewichtsabnahme, Ikterus und Albuminurie als Begleiterscheinungen umfangreicher Organverfettungen und Hämoglobinurie (Versuche von Heffter und Joachimoglu).

Eingeatmete Dämpfe erzeugen, nach Koelschs Mitteilungen, beim Menschen zunächst Kopfschmerzen, Uebelkeit, Magenverstimmung, Parästhesien und Reizung der Schleimhäute der Atmungswege; später kommen dazu Druckempfindlichkeit der Lebergegend, Ikterus, Leberatrophie, peripherische Lähmung und Blutarmut. Die erste größere Serie von Erkrankungen durch Tetrachloräthan ereignete sich in der Flugzeugindustrie (Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin, 3. Folge, 1914, 48 S. 109). Damals erkrankten von 15 Lackierern in einem Betriebe 12, von denen 2 starben. Bei fast allen Erkrankten stand die Gelbsucht und Leberschwellung im Vordergrund.

Koelsch hat dann eine gleiche Serie von Erkrankungen durch Tetrachloräthan in der M. m. W. 1915 Nr. 46 mitgeteilt, wo in einer bayerischen Flugzeugfabrik 9 Arbeiter mit Leberschwellung bzw. Ikterus erkrankten und einer davon (19 Jahre alt) an akuter gelber Leberatrophie starb.

In einer Arbeit im Zbl. Gewerbehyg. 1916 hat Koelsch auf die Frage der besonderen Disposition hingewiesen: Alkoholschädigung, vorhergegangene Magendarmstörungen mit Ikterus catarrhalis, schwächende Blutverluste und Fettsucht mit Anhäufung von Fett in der Leber können bei den damit behafteten Menschen nach sehr kurzer Beschäftigungsdauer mit Tetrachloräthan zu einer ernstlichen Lebererkrankung mit eventuellem Ausgang in akute gelbe Leberatrophie führen.

Clermont und Rivière haben in der Revue de Chimie industr. im Jahre 1913 mehrere Todesfälle nach Tetrachloräthan bei Alkoholisten beschrieben.

Der Frage der Prophylaxe kommt daher bei der Schwere der Erkrankungen die größte Wichtigkeit zu. Dabei ist allerdings die sehr schwankende Zusammensetzung der Zaponlacke äußerst hinderlich.

Einmal müssen Blutarme, Fettleibige, Leberkranke, Alkoholiker, Frauen und Jugendliche unter den Beschäftigten ausgeschlossen werden, anderseits ist eine gute Ventilation nach unten (spezifisches Gewicht des Tetrachloräthans 1,60) Bedingung. Aber darüber hinaus sollte der Gebrauch von Tetrachloräthan sehr eingeschränkt bzw. in den Verwendungsmitteln diesem Stoff nur ein bestimmter prozentualer Anteil eingeräumt werden. Schließlich ist auch für die Zaponlackverwendung eine vermehrte gewerbeärztliche Ueberwachung zu fordern.

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