Dtsch Med Wochenschr 1940; 66(52): 1443-1447
DOI: 10.1055/s-0028-1122416
Wehrmedizin

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Erregungszustände im sympathischen Nervensystem in Beziehung zu vasomotorischen Kreislaufstörungen bei Beinamputierten

Alexander Sturm
  • Medizinischen Universitätsklinik in Jena. Direktor: Prof W. H. Veil
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Publication Date:
08 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Die experimentelle und klinische Forschung hat bewiesen, daß der Zustand der Beinamputation einen erhöhten Erregungszustand des sympathischen Nervensystems der Beingefäße, die schon physiologischerweise unter erhöhtem Sympathikotonus stehen, zur Folge hat. Druckwirkungen von Beinprothesen und tiefen Gewebsnarben rufen nicht nur sympathische Nervenschmerzen, sondern auch sympathische vasokonstriktorische Reflexe hervor, deren Reflexbogen im Hirnstamm geschlossen ist. Die peripher ausgelöste Erregung des sympathischen Areals im Hypothalamus ist verantwortlich für das Überspringen der Erregung auf benachbarte Zentren der Vasomotorik anderer Körpergebiete, der Schweißsekretion, des Wasser- und Energiehaushaltes, der endokrinen Korrelation. Für die Manifestation des Krankheitsgeschehens in den Gefäßen des Stammhirns, in den Koronararterien oder in endokrinen Organen ist die Mitwirkung einer rheumatischen Allergie bei einer Herdinfektion, deren Quelle in einer chronischen Gewebsinfektion des Beinamputationsstumpfes liegt, sowie ein endogen konstitutioneller Faktor für die Krankheitsbereitschaft (nicht aber für den Krankheitsausbruch) bestimmend.

Diese Feststellungen erfordern u. E.:

1. daß die Begutachtungen interner Folgen von infizierten Beinamputationen, wie sie vor allem durch Kriegsverletzungen verschuldet werden, den vorgenannten Krankheitsbeziehungen entsprechend Rechnung tragen.

2. daß die chirurgische Behandlung von schweren Beinverletzungen, soweit irgend möglich, sterile Amputationsstumpfverhältnisse schafft; wenn sich aber schwere Amputationsstumpfeiterungen nicht vermeiden lassen und in den Jahren nach Beinamputation die ersten Zeichen eines allgemeinen sympathischen Erregungzustandes einstellen, erscheint der Versuch berechtigt, durch rechtzeitige Sympathektomie den Überleitungsweg des lokalen sympathischen Erregungszustandes im periarteriellen Nervensystem des Amputationsstumpfes auf das Zentralnervensystem zu unterbinden und damit weittragende interne Folgen, die sich aus dem Andauern der Reizung des zentralen Sympathikus im Hirnstamm bei entsprechender Krankheitsbereitschaft ergeben können, zu verhüten. Vielleicht kann auf diese Weise manchen Opfern des jetzigen Krieges jahrelanges und durch Rentenkampf erschwertes Siechtum erspart werden!