Dtsch Med Wochenschr 1944; 70(35/36): 498-501
DOI: 10.1055/s-0028-1118976
Forschungsergebnisse

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Differentialtherapie von zentralen Atmungsstörungen

Hansjürgen Oettel
  • II. Medizinischen Universitätsklinik der Charité. Direktor: Prof. Dr. med. G. von Bergmann
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Publication Date:
03 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Vielfalt von zentrogenen Atmungsstörungen berechtigt dazu, die Beeinflussung der Atemzentren an die patho-physiologisch zugrunde liegende Störung anzupassen. Hierbei spielen die Besonderheiten von Durchblutungsinsuffizienz im Bereich der Atmungszentren neben toxischen Schädigungen die Hauptrolle. Als Besonderheiten werden die hepatogenen und nephrogenen Atmungsstörungen geschildert, bei welchen nach eigenen Beobachtungen eine Wirkung der Atmungsanaleptika manchmal weniger gut ausgeprägt ist außer wenn unter Betrachtung der Vergiftungszustände der Zentren Substanzen aus der Körperklasse der Cytochrome appliziert werden. Weiterhin sind die bei Leber- und Nierenkrankheiten vorhandenen zentralen Atmungsstörungen besonders entödemisierenden Maßnahmen durch Darreichung hypertonischer Dextroselösungen zugänglich. Endlich ist für ihre Behandlung die zentrale durchblutungsverbessernde Wirkung beispielsweise von intravenösen Dextrosegaben sehr von Vorteil.

Diese Besonderheiten ergeben sich aus der Darlegung eigener Tierversuche, die mit den Beobachtungen am Krankenbett gut in Einklang zu bringen sind.

Für die Behandlung von Atmungsstörungen sei es berechtigt, folgende Übersicht der möglichen Maßnahmen in Vorschlag zubringen:

Behandlung von zentral bedingten Atmungsstörungen. 1. Durch Erkrankungen des Zentralorgans bedingte Störung der bulbären Steuerungszentren: Langsame intravenöse Gaben von 120 bis 240 mg Euphyllin oder Nitrotheophyllin. Orale Gaben von 2mal täglich 50 mg Natriumnitrit oder auch 50—100 γ Yohimbin.

Allgemeines Prinzip: Verbesserung der Zerebraldurchblutung.

2. Akapnische Atmungsstörung: Atmungsanaleptika, wie Lobelin, Coramin und Azoman, besitzen eine unterstützende Wirkung im Zustand der Hypokapnie und Akapnie.

Allgemeines Prinzip: „CO2, das Hormon der Atmung” (Miescher).

3. Pneumonose: Intravenöse Gaben von 0,3—0,5 mg g- oder k-Strophanthin. 1—5 mg Metasympatol intravenös und Gaben von 0,3—0,4 g Euphyllin intravenös erhöhen die Wirksamkeit.

Allgemeines Prinzip: Besserung der zugrunde liegenden Diffusionsstörung; Vergrößerung der Speicherungsfunktion der Lunge.

4. Kardiale Atmungsstörung: Neben Herzglykosiden, die intravenös verabfolgt werden müssen, stehen sich subkutane Gaben von 50 mg Äthylmorphin und 0,3—0,4 g Euphyllin (dieses intravenös) gegenüber. Eventuell Nitrite.

Allgemeines Prinzip: Beeinflussung der vom Herzen und von der Lunge ausgehenden Reflexvorgänge, daneben Herabsetzung des pathologisch erhöhten Minutenvolumens auch durch Anspeicherung von Blut in der Lunge z. B. durch Anwendung gefäßerweiternder Stoffe.

5. Hepatogene Atmungsstörung: 1—2 mg Lobelin bzw. Coriamyrtin subkutan oder intramuskulär, 120 mg Nitrotheophyllin intravenös, 0,5 g Dextrose in 40%iger Lösung pro Kilogramm intravenös. Eventuell Dauerinfusionen von in gleicher Weise hypertonischen Dextroselösungen. 10 mg Cytochrom C intravenös.

Allgemeines Prinzip: Entquellung der ödemisierten Gebiete der bulbären Atemzentren, Wiederherstellung einer leidlich normalen Erregbarkeit im Zustand der hepatogenen Toxikose.

6. Nephrogene Atmungsstörung: 0,2—0,5 g pro Kilogramm 40%ige Dextrose intravenös, 0,48 g Euphyllin intravenös, 10 mg Cytochrom C intravenös.

Allgemeines Prinzip: Entödemisierung der Gebiete der Atmungszentren, Darreichung von dort notwendigen Enzymen, gefäßerweiternde Mittel von großer therapeutischer Breite.

7. Zentrale Atmungsstörung bei schweren Infekten: 1—2 mg Lobelin subkutan oder intramuskulär, notfalls intravenös, 30 mg Eupaverin intravenös, 1—2 mg Muskeladenosintriphosphorsäure intravenös, eine Ampulle Padutin intramuskulär. Als Sedativa 0,5—1 g Novalgin oder Melubrin intramuskulär, notfalls intravenös.

Allgemeines Prinzip: Vorsichtige Applikation von zentralen Atmungsanalepticis, wie Lobelin, neben Darreichung von permeabilitäsvermindernden Substanzen aus der Reihe der Antipyrinderivate und Verabfolgung von gefäßerweiternden Stoffen ohne spezifische zentral erregende Wirkung.

8. Vergiftungen: 20—100 mg Triazol oder Cardiazol intramuskulär, notfalls intravenös, 50 mg Coramin, Hexeton bzw. 20 mg Neospiran oder Cormed intravenös. Ferner Dauerinfusionen dieser Substanzen bis zum Effekt. Häufige Wiederholung der genannten Dosen unter Anwendung von Verweilkanüle. 2—4 mg Picrotoxin, Coriamyrtin und Strychnin bzw. Brucin intramuskulär. Kohlensäureatmung. 10 mg Cytochrom intravenös.

Allgemeines Prinzip: Bekämpfung der Annarkotisierung der Atemzentren.

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