Dtsch Med Wochenschr 1944; 70(5/06): 53-54
DOI: 10.1055/s-0028-1118833
Originalien

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Kenntnis der Gestationsnephrose1

W. Nonnenbruch
  • Medizinischen Universitätsklinik Frankfurt a. M. Direktor: Prof. Dr. W. Nonnenbruch
1 Herrn Prof. Dr. G. A. Wagner zum 70. Geburtstag.
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Publication Date:
02 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Zur Zeit der Geburt im Februar 1942 bestand eine nicht eingehend untersuchte Schwangerschaftsniere mit Hypertonie, starke Albuminurie und geringe Hämaturie. Nach der Geburt blieb die Albuminurie bestehen, und jetzt besteht ein nephrotisches Vollsyndrom.

Bei allen Fällen handelt es sich um das Bild der reinen Lipoidnephrose mit nephrotischem Syndrom, das nach einem Partus nun zum Teil schon jahrelang besteht und in 2 Fällen schließlich ganz ausgeheilt ist. In mehreren Fällen war eine ausgesprochene Schwangerschaftsniere vorausgegangen mit Blutdrucksteigerung und Eklampsie. In dem einen ausgeheilten Fall dagegen hat anscheinend schon in der Gravidität bereits im zweiten Monat nur eine reine Nephrose vorgelegen, die dann nach der Unterbrechung der Gravidität anhielt.

Es ergeben sich aus diesen Beobachtungen mehrere bemerkenswerte Folgerungen. Zunächst sprechen sie dafür, daß es in der Schwangerschaft das reine Bild der Lipoidnephrose mit nephrotischem Syndrom gibt. Einwandfrei habe ich das bereits früher beobachtet. Auch den Frauenärzten sind solche Fälle bekannt, während der pathologische Anatom sie wegen ihrer Gutartigkeit nicht zu Gesicht bekommt (Fahr). Bemerkenswert ist weiter, daß sich aus einer Schwangerschaftsniere mit Eklampsie und Blutdrucksteigerung, also einem klinischen Bild, das ganz der diffusen Glomerulonephritis entspricht, eine reine Nephrose entwickelt und schließlich ausheilt.

Darin liegt auch ein klinischer Beleg für die prinzipielle Trennung der Schwangerschaftsniere mit Eklampsie und Blutdrucksteigerung von der diffusen Glomerulonephritis. Bei der Schwangerschaftsniere handelt es sich um eine Nephrose mit Ödem und Blutdrucksteigerung und oft auch mit Hämaturie und um keine diffuse Glomerulonephritis, bei welcher ein solcher Übergang in ein reines nephrotisches Syndrom ganz unbekannt ist. Die Ausheilung des nephrotischen Syndroms unter einem interkurrenten Infekt wie im Falle B. ist etwas gut Bekanntes. Auch die Abhängigkeit der Ödeme von seelischer Erregung haben wir öfter beim nephrotischen Syndrom beobachtet, und zwar sowohl im Sinne der Zunahme wie der Ausschwemmung. Bei der diffusen Glomerulonephritis sehen wir die Veränderungen in der Niere einerseits und Blutdrucksteigerung und Ödeme andererseits als aus der gleichen Ursache heraus entstehende koordinierte Erscheinungen an. Bei der Schwangerschaftsniere möchte man auch eine gemeinsame Ursache für die renalen und extrarenalen Vorgänge annehmen. Diese führt hier extrarenal wie bei der diffusen Glomerulonephritis zu Blutdrucksteigerung und Ödemen, renal bleibt aber die „Nephritis” aus und es kommt nur zur Glomerulonephrose mit Eiweißdurchtritt, aber ohne eine entzündliche Reaktion in der Niere. Von da gibt es dann alle Übergänge bis zur reinen Lipoidnephrose mit nephrotischem Syndrom. Hier bleiben noch viele Fragen offen, die das Kapitel Nephrose-Nephritis betreffen und die durch die neuen Arbeiten aus der Eppingerschen Klinik manche neue Unterlagen erhalten.

Die Kenntnis der Gestationsnephropathien wird durch eine sorgfältige gemeinsame Beobachtung aller Fälle und aller Stadien der Erkrankung durch den Frauenarzt und den Internisten wesentlich gefördert, wie sie in Prag zwischen Herrn Professor G. A. Wagner und mir durchgeführt wurde.

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