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DOI: 10.1055/a-2183-4150
Kommentar zu „Herzinsuffizienz und Übergewicht: Semaglutid verbessert kardiovaskuläre Funktion“

Im Gegensatz zur Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) sind die Therapieoptionen bei der HFpEF begrenzt: Seit dem kürzlich erschienenen Leitlinien-Update gibt es eine Klasse-I-Empfehlung zur Behandlung mit den SGLT2-Hemmern Dapa- oder Empagliflozin. Darüber hinaus empfehlen die Leitlinien-Autor*innen die Gabe von Diuretika bei Symptomen oder Zeichen der Volumenüberladung und die Behandlung einer möglichen spezifischen Ätiologie der HFpEF sowie von kardiovaskulären und nicht kardiovaskulären Komorbiditäten [1].
Adipositas gilt nicht nur als eine häufig beobachtete Komorbidität bei HFpEF, sondern wird auch mit der Entstehung der HFpEF in Zusammenhang gebracht und trägt zu einer vermehrten Symptomlast sowie zu einer reduzierten Lebensqualität bei („obese phenotype“) [2].
Bereits 2016 wurde für den Agonisten des GLP1-Rezeptors Semaglutid gezeigt, dass dieser bei Patient*innen mit Diabetes mellitus Typ 2 das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse senken kann. Begleitet war die Gabe von 0,5 oder 1mg Semaglutid 1x/Woche subkutan von einer signifikanten Gewichtsreduktion [3]. In der 2021 veröffentlichten STEP1-Studie konnte gezeigt werden, dass 2,4mg Semaglutid, einmal wöchentlich subkutan injiziert, bei Patient*innen mit Adipositas (ohne Diabetes mellitus) das Körpergewicht um 12,4 Prozentpunkte stärker reduziert als Placebo [4].
Insofern war es naheliegend, die Wirksamkeit von Semaglutid im Hinblick auf die Körpergewichtsreduktion und die Verbesserung der Lebensqualität (dualer primärer Endpunkt), aber auch im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit, gemessen als 6-Minuten Gehstrecke (sekundärer Endpunkt), bei Patient*innen mit HFpEF (EF ≥45%) und Adipositas (BMI ≥30 kg/m²) zu untersuchen.
In der in dieser Ausgabe der DMW vorgestellten, randomisierten, doppelblind und placebokontrolliert durchgeführten STEP-HFpEF-Studie fanden Kosiborod und Kolleg*innen in der Patient*innengruppe, die mit Semaglutid (2,4mg subkutan 1x/Woche) behandelt wurde, eine im Vergleich zu Placebo um mehr als 10 Prozentpunkte stärkere Gewichtsreduktion. In der Placebogruppe kam es nach 52 Wochen zu einer Verbesserung der Lebensqualität, gemessen als Anstieg des Punktwertes des KCCQ-CSS (Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire clinical summary score) um 8,7 Punkte. Veränderungen von mindestens 5 Punkten gelten als klinisch relevant [5], insofern unterstreicht diese Verbesserung in der Placebogruppe einmal mehr die Bedeutung eines placebokontrollierten und doppelt verblindeten Vorgehens bei Studien mit symptomgetriebenen Endpunkten. Bemerkenswert ist, dass die Verbesserung des KCCQ-CSS in der Gruppe der Patient*innen, die mit Semaglutid behandelt wurden, nochmals knapp 8 Punkte (und damit sowohl signifikant als auch klinisch relevant) höher ausgefallen ist als in der Placebogruppe. Begleitet war die verbesserte Lebensqualität von einer signifikanten (wenn auch moderaten) Verbesserung der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest.
Offen bleibt die Frage nach den Wirkmechanismen, die zu den genannten Verbesserungen führen. Kosiborod und Kolleg*innen konnten in der Gruppe der Patient*innen, die mit Semaglutid behandelt wurden, eine im Vergleich zu Placebo signifikant stärkere Reduktion des CRP-Wertes nachweisen. Dies könnte auf einen möglichen antiinflammatorischen Effekt hinweisen. Auch der NT-proBNP-Wert fiel in der mit Semaglutid behandelten Gruppe stärker ab als in der Placebo-Gruppe und das, obwohl eine inverse Relation zwischen dem Körpergewicht und der Höhe von NT-proBNP-Leveln bekannt ist. Dies wiederum könnte auf hämodynamische und/oder volumenregulierende Mechanismen hinweisen. Unabhängig davon, welche Mechanismen letztlich zugrunde liegen, ist es wahrscheinlich, dass ein großer Teil der Wirkung direkt auf die erzielte Gewichtsreduktion zurückzuführen ist: So konnten die Studienautor*innen in einer präspezifizierten Analyse zeigen, dass die Verbesserung des KCCQ, die Zunahme der 6-Minuten-Gehstrecke und der Abfall des CRP-Wertes bei den Patient*innen stärker ausgeprägt waren, die eine größere Gewichtsreduktion erreicht hatten [6].
Den Patient*innen dürften die Mechanismen letztlich egal sein. Entscheidender für die Patient*innen dürfte es sein, ob die Kombination aus HFpEF und Adipositas als eigene Indikation anerkannt wird, für die Semaglutid eine Zulassung erhält und vor allem, ob eine Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen erreicht wird. Aktuell erfolgt eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen nur in der Indikation Diabetes mellitus Typ 2 für die niedrigere Dosis von Semaglutid (max. 1,0 mg, einmal pro Woche subkutan). Zur Behandlung der Adipositas liegt für die höhere Dosis (2,4mg einmal pro Woche subkutan) zwar ebenfalls eine Zulassung vor, die Kosten werden in dieser Indikation jedoch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Bei fehlendem Nachweis einer Reduktion „harter Endpunkte“ erscheint es eher unwahrscheinlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hiervon für übergewichtige Patient*innen mit HFpEF abweicht. Auch aus diesem Grund wurden mit Spannung die Ergebnisse der SELECT-Studie erwartet, die als Late Breaking Trial auf dem American Heart Association (AHA)-Kongress im November präsentiert und zeitgleich auch im New England Journal of Medicine publiziert wurden [7]: Eingeschlossen wurden rund 17500 übergewichtige Patient*innen mit kardiovaskulärer Vorerkrankung, jedoch ohne bekanntem Diabetes mellitus. Nach Randomisierung erhielten die Patient*innen entweder Semaglutid (2,4 mg subkutan 1x/Woche) oder Plazebo. Der primäre Endpunkt (Auftreten von kardiovaskulärem Tod, nichttödlichem Myokardinfarkt oder nichttödlichem Schlaganfall) ereignete sich im Behandlungsarm signifikant seltener (6,5 vs. 8,0%, Hazard Ratio (HR) 0,80, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,72–0,90, p< 0,001). Immerhin knapp ein Viertel der eingeschlossenen Patient*innen in der SELECT-Studie hatten eine chronische Herzinsuffizienz und eine präspezifizierte Subgruppenanalyse belegt, dass diese Patient*innen (mindestens) in gleichen Maße von der Behandlung profitiert haben (HR 0,72, 95% KI 0,60–0,87). Abzuwarten sind noch Analysen zu der Subgruppe der über 2000 Patient*innen (12,9%), die mit HFpEF eingeschlossen wurden [8]. Wenn auch hier eine Reduktion des primären Endpunktes nachweisbar ist wäre das ein starkes Argument in den Verhandlungen mit dem G-BA.
Publication History
Article published online:
15 April 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 McDonagh TA, Metra M, Adamo M. et al. 2023 Focused Update of the 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2023; 44 (37) 3627-3639
- 2 Borlaug BA, Jensen MD, Kitzman DW. et al. Obesity and heart failure with preserved ejection fraction: new insights and pathophysiological targets. Cardiovasc Res 2023; 118 (18) 3434-3450
- 3 Marso SP, Bain SC, Consoli A. et al. Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Patients with Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2016; 375 (19) 1834-1844
- 4 Wilding JPH, Batterham RL, Calanna S. et al. Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity. N Engl J Med 2021; 384 (11) 989-1002
- 5 Spertus JA, Jones PG, Sandhu AT. et al. Interpreting the Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire in Clinical Trials and Clinical Care: JACC State-of-the-Art Review. J Am Coll Cardiol 2020; 76 (20) 2379-2390
- 6 Borlaug BA, Kitzman DW, Davies MJ. et al. Semaglutide in HFpEF across obesity class and by body weight reduction: a prespecified analysis of the STEP-HFpEF trial. Nat Med 2023; 29 (09) 2358-2365
- 7 Lincoff AM, Brown-Frandsen K, Colhoun HM. et al. Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Obesity without Diabetes. N Engl J Med 2023; 389 (24) 2221-2232
- 8 Lingvay I, Brown-Frandsen K, Colhoun HM. et al. Semaglutide for cardiovascular event reduction in people with overweight or obesity: SELECT study baseline characteristics. Obesity (Silver Spring) 2023; 31 (01) 111-122