Klinische Neurophysiologie 1986; 17(4): 173-188
DOI: 10.1055/s-2008-1060948
Referat

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Grundlagen und Bedeutung genetisch bedingter Variabilität des normalen menschlichen EEG

Basis and impact of the genetic caused variability of the normal EEG in manF. Vogel
  • Institut für Anthropologie und Humangenetik der Universität Heidelberg
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

This review describes the following results of human genetic research on the „normal” human EEG:

1. As shown by comprehensive studies on mono- and dizygotic twins, interindividual variability of the human EEG under „normal” conditions is largely genetically determined. This was mainly shown for the resting EEG, but holds true also for the sleeping EEG, the reaction to ethanol, and for visually and auditory evoked potentials.

2. Some fairly common EEG variants have been described which follow, simple Mendelian modes of inheritance. Hence, they must go back to correspondingly simply differences in certain genes and gene-determined proteins.

3. These variants have been useful as model systems for a neurobiologically founded research strategy in behaviour genetics of man. Comparative studies using psychological, neurophysiological (visual and auditory evoked potentials) and biochemical methods revealed group difference especially between carriers of the low-voltage EEG, the EEG with monomorphic α-waves and an EEG variant containing, in addition to α-waves, numerous diffuse β-waves. Utilizing concepts from basic research in neurophysiology, they could be explained by corresponding differences in central information processing.

4. Individual differences of EEG reaction are also observed after a controlled ethanol load. They have a genetic basis, too. An especially clearcut reaction of the EEG to alcohol can be seen in individuals with irregular α-activity of low amplitude in the resting EEG. Moreover, these persons appear to be especially susceptible for „learning” to become alcohol addicts.

5. individual variability in maturation during childhood and youth of brain structures responsible for EEG production are also under genetic control. This EEG maturation influences intellectual and psychic maturation.

Zusammenfassung

In dieser Übersicht werden die folgenden Ergebnisse humangenetisch orientierter Forschung am „normalen” EEG des Menschen dargestellt:

1. Wie umfassende Untersuchungen an ein- und zweieiigen Zwillingen gezeigt haben, ist die interindividuelle Variabilität des menschlichen EEG unter normalen Bedingungen weitgehend genetisch determiniert. Das gilt vor allem für das Ruhe-EEG; es trifft jedoch auch für das Schlaf-EEG, die Reaktion auf Alkohol sowie für visuell und auditorisch evozierte Potentiale zu.

2. Es gibt einige häufige EEG-Varianten, die einem einfachen Mendel'schen Erbgang folgen, also auf entsprechend einfache Unterschiede in bestimmten Genen und den durch sie determinierten Proteinen zurückführbar sein müssen.

3. Diese Varianten eignen sich als Modellsysteme für eine neurobiologisch fundierte Verhaltensgenetik des Menschen. Vergleichende Untersuchungen mit psychologischen, neuro-physiologischen (visuell und auditorisch evozierte Potentiale) und biochemischen Methoden ergaben Gruppenunterschiede insbesondere zwischen Trägern des Niederspannungs-EEG, des EEG mit monomorphen α-Wellen und der EEG-Variante, bei welcher sich außer α-Wellen zahlreiche, diffus verteilte β-Wellen finden. Unter Verwendung von Konzepten der neurophysiologischen Grundlagenforschung ließen sich diese Unterschiede durch entsprechende Abweichungen in der zentralen Informationsverarbeitung erklären.

4. Individuell unterschiedliche EEG-Reaktionen sieht man auch nach einer kontrollierten Alkoholgabe. Auch diese Unterschiede sind genetisch determiniert. Eine besonders deutliche EEG-Änderung findet sich bei Individuen mit unregelmäßiger und amplitudengeringer α-Tätigkeit im Ruhe-EEG. Dieser Personenkreis ist offenbar auch besonders gefährdet für das „Erlernen” der Alkoholsucht.

5. Die individuell unterschiedlich rasche Reifung der Hirnstrukturen, von denen die Ausprägung des EEG abhängt, im Laufe von Kindheit und Jugend steht ebenfalls unter genetischer Kontrolle. Sie hat einen Einfluß auch auf die intellektuelle und psychische Reifung.

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