Laryngorhinootologie 1999; 78(4): 204-209
DOI: 10.1055/s-2007-996858
Neurootologie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Verfahren zur Abschätzung der vestibulären Kompensationsleistung - Klinische Beobachtung/quantitative Neurootometrie?*

Estimating Vestibular Compensation - Clinical Observation or Quantitative Neurootometry?G. Krückels, H. Dujardin, M. Westhofen
  • Klinik für HNO-Heilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. M. Westhofen)
* Auszugsweise vorgetragen auf der 68. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf und Halschirurgie 1997 in Nürnberg.
Further Information

Publication History

Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Problemstellung: Sichere präoperative Beurteilung der vestibulären Kompensationsleistung ist für die Indikation zu labyrinthchirurgischen Eingriffen unerläßlich. Die Beurteilung der Einsatzfähigkeit und Abschätzung der Arbeitsfähigkeit bei Schwindelpatienten erfordert von jedem HNO-Arzt definitive Festlegungen. Aus Voruntersuchungen ist die Frequenzabhängigkeit der vestibulären Kompensationsleistung bekannt. Für klinische und otochirurgische wie auch für gutachterliche Fragen findet die frequenzselektive Untersuchung im deutschsprachigen Raum keine Verbreitung. Frequenzspektren für typische, täglich auftretende Bewegungsmuster beim Menschen liegen bislang nicht vor. Eine Abschätzung der Vestibularfunktion in bezug auf den wahrgenommenen Frequenzbereich ist daher bislang nicht Bestandteil von Routinediagnostik-Prozeduren. Methodik: Analog zu bekannten und im deutschsprachigen Raum akzeptierten Schweregraden vestibulären Schwindels wurden die EDV-Anamnesedaten von 233 Patienten auf die häufigsten schwindelprovozierenden Situationen hin untersucht. Mit 20 Freiwilligen unterschiedlichen Alters (20-60 Jahre) wurden fünf verschiedene alltägliche Bewegungsmuster nachgestellt. Es wurde mit Linear- und Drehbeschleunigungssensoren das Frequenzspektrum der jeweiligen Beschleunigungen aufgezeichnet und analysiert. Ergebnisse: Das Maximum der Stimulationsfrequenzen des Labyrinths variiert in Abhängigkeit vom Bewegungsmuster zwischen 0,01 und 2 Hz. Der überwiegende Anteil der Patienten mit chronischem Schwindel weist einen reduzierten vestibulookulären Reflex (VOR) im Frequenzbereich < 0,1 Hz auf. Eine Altersabhängigkeit der betroffenen Frequenzbereiche fand sich nicht. In allen Fällen objektivierbarer Funktionsdefizite korrelierten die Beschwerden in jeweiligen Belastungssituationen mit dem betroffenen Frequenzbereich des VOR. Diskussion: Die frequenzselektive Drehpendelprüfung muß mit einem breiten Frequenzspektrum von 0,01 bis 0,16 Hz durchgeführt werden. Sie läßt eine Objektivierung der vestibulären Belastungsgrenze zu. Sie ist damit unverzichtbare Hilfe in der klinischen präoperativen Diagnostik, in der postoperativen Qualitätskontrolle sowie in der gutachterlichen Beurteilung chronischer Schwindelbeschwerden.

Summary

Problem: Reliable evaluation of vestibular compensation in indispensable to determine whether labyrinth surgery or vestibular neurectomy is indicated. It is also important for postoperative follow-up. Vestibular compensation can manifest itself differently in distinct frequency ranges. Method: Twenty volunteers were examined in five distinct situations of daily vestibular stimulation. Measurement of angular and linear head acceleration was performed using accelerometers fixed on the volunteers head. A 200 Hz AD fed data toa PC database. FFT was used for data analysis. Results Stimulus frequency of the vestibular system varies between 0.01 and 2 Hz. Most of the patients suffering from vestibular lesions showed a reduced vestibulo ocular reflex (VOR) below 0.1 Hz. In all cases of unilateral vestibular function loss, there was a correlation between the symptoms during movement and the corresponding frequency range of the distinct motion pattern. Rotatory vestibular pendular testing was used to document vestibular disorders in patients who had normal findings in routine vestibular testing. Discussion: Clinical use of rotatory vestibular pendular testing results must be performed using broad stimulus frequency spectra (0.01 -0.06 Hz). This method must be used in preoperative examination before labyrinth surgery as well as in estimating individual tolerance for vestibular stimulation in daily situations.

    >