Laryngorhinootologie 1999; 78(4): 176-181
DOI: 10.1055/s-2007-996853
Onkologie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Genotoxische Wirkung auf menschliche Schleimhautbiopsien des oberen Aerodigestivtraktes

Genotoxic Effects in Human Epithelial Cells of the Upper Aerodigestive TractU. Harréus1 , P. Schmezer1 , F. Kuchenmeister1 , H. Maier2
  • 1Abteilung für Toxikologie und Krebsrisikofaktoren, Deutsches Krebsforschungszentrum (Direktor: Prof. Dr. rer. nat. H. Bartsch)
  • 2Hals-Nasen-Ohrenklinik, Bundeswehrkrankenhaus Ulm (Direktor: Prof. Dr. med. H. Maier)
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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Inzidenz und die Mortalität der bösartigen Tumoren des oberen Aerodigestivtraktes haben in Europa und Nordamerika in den letzten Jahren ständig zugenommen. Zahlreiche Umwelt- und Arbeitsstoffe zeigten in epidemiologischen und tierexperimentellen Studien ein karzinogenes Potential gegenüber der Schleimhaut dieser Region (Übersicht in [8]). Aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Studie die DNA-schädigende Wirkung verschiedener genotoxischer Kanzerogene an frisch isolierten Zellen humaner Biopsate des oberen Aerodigestivtraktes untersucht. Dabei sollte auch ermittelt werden, ob Unterschiede in der Empfindlichkeit verschiedener Gewebelokalisationen bestehen. Methode: Zur Genotoxizitätsbestimmung wurde die alkalische Version der Einzelzell-Mikrogelelektrophorese als Kurzzeittestverfahren angewandt. Natriumdichromat (Na2Cr207), Benzo[a]pyren (B(a)P) und N-Nitrosodiethanolamin (NDELA) wurden als wichtige Vertreter der Stoffgruppen Metalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe sowie Nitrosamine eingesetzt. Die Schleimhautproben wurden den Lokalisationen Nase/Nasennebenhöhlen, Mundhöhle, Gaumenmandel, Schlund und Kehlkopf entnommen. Nach enzymatischer Lösung der Epithelzellen aus ihrem Gewebeverband wurden 0,5-1 *106 Zellen pro Biopsieprobe gewonnen. Im Anschluß an eine Vitalitätsbestimmung mit dem Trypanblauausschlußtest wurden die Zellen mit den zu testenden Substanzen für 1 h bei 37 C In vitro inkubiert und der Mikrogelelektrophorese unterworfen. Während das Lösemittel der Substanzen (Dimethylsulfoxid) als Negativkontrolle diente, wurde die direkt wirkende, alkylierende Substanz N-methyl-N'-nitro-N-nitrosoguanidin (MNNG) als Positivkontrolle eingesetzt. Die Patienten wurden zusätzlich zur Identifikation cofaktorieller chronischer Einflüsse z. B. durch Alkohol- und Tabakkonsum evaluiert. Ergebnisse: Na2Cr207 verursachte starke genotoxische Schädigungen an der DNA von Nasen- und Nasennebenhöhlenschleimhaut sowie leichteren Ausmaßes in den Bereichen Mundhöhle und Kehlkopf. NDELA induzierte eine deutliche Genotoxizität an Epithelien der Mundhöhle, des Schlundes und Kehlkopfes, während B(a)P lediglich geringe Schädigung in den Schleimhäuten von Mundhöhle, Schlund und Kehlkopf erzeugte. Die Schleimhaut von Spendern mit einem hohen chronischen Alkoholkonsum zeigte im Vergleich zu Patienten ohne Alkoholanamnese eine deutlich ausgeprägtere Empfindlichkeit gegenüber den getesteten Substanzen, insbesondere bei Behandlung mit NDELA und B(a)P. Schlußfolgerungen: Das genotoxische Potential verschiedener Umwelt- und Arbeitsstoffe gegenüber humanen Schleimhautbiopsien des oberen Aerodigestivtraktes konnte mit der Mikrogelelektrophorese als Kurzzeittestverfahren nachgewiesen werden. Am Beispiel des Alkoholeinflusses auf die genotoxische Wirkung der Substanzen wird die Bedeutung eingehender Spenderanamnesen deutlich, um derartige cofaktorielle Einflüsse zu berücksichtigen.

Summary

Background: In numerous epidemiologic studies, environmental and occupational substances such as sodium dichromate (Na2Cr207), benzo[a]pyren (B(a)P), and N'nitroso-diethanolamine (NDELA) have been shown to be of potential carcinogenic risk on human epithelial cells in the upper aerodigestive tract. Methods: Using the alkaline microgel electrophoresis technique (comet assay), mucosal cells isolated from biopsies of the upper aerodigestive tract (nose, paranasal sinuses, mouth, pharynx, larynx, and tonsils) were used to analyze target sites for different genotoxic substances and specific sensitivities of each donor. The cells were freshly isolated by enzymic digestion. 0.5 -1 x 106 cells per donor were obtained with viabilities between 80-100%. After in vitro incubation, the cells were subsequently subjected to the single cell microgel electrophoresis assay. Results were evaluated regarding the personal history of each donor, focusing on previous exposure to tobacco, alcohol, and occupational compounds. Results: Na2Cr207 induced strong genotoxic damage in the nasal and paranasal sinus epithelia as well as in mucosa cells of the larynx. NDELA caused significant damage in mouth cavity epithelia and showed also to be harmful towards mucosa of pharynx and larynx. B(a)P induced fewer DNA Strand breaks in mucosal cells of mouth, pharynx and larynx. Significant differences between individuals were apparent for tissue samples from different donors. The genotoxic damage induced in cells of donors with a history of chronic alcohol consumption was significantly higher than in cells of patients without chronic abuse of alcohol. Conclusions: The data shows that DNA damage in human epithelial cells of the upper aerodigestive tract induced by environmental and occupational substances can be demonstrated using the microgel electrophoresis technique. The influence of chronic alcohol consumption on the genotoxic effects of substances such as NDELA and B(a)P showed the importance of evaluating preexisting compounding factors.

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