Der Klinikarzt 2007; 36(10): 547
DOI: 10.1055/s-2007-993069
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kliniken schlagen Alarm

Adolf Grünert
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Publication Date:
31 October 2007 (online)

„Die Reserven sind mehr als ausgeschöpft. Das merken mittlerweile auch die Patienten”

„Nach Jahren intensiver Durchrationalisierung ist die 'Zitrone' ausgequetscht.”

„Gesundheitsministerium: Situation nicht alarmierend”(Krankenhausbarometer 2007)

Nicht nur das „Krankenhausbarometer” der Deutschen Krankenhausgesellschaft, sondern auch Fachzeitschriften, die Tagespresse und die Kliniken selbst schlagen Alarm. Die Krankenhäuser stecken in der finanziellen Krise. Für die Misere in der Krankenhausfinanzierung macht der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Wesentlichen sechs Gründe aus - angefangen bei dem neuen Tarifabschluss für Ärzte, über die höhere Mehrwertsteuer und höhere Energiekosten, dem neuen Arbeitszeitgesetz, den Fallpauschalen, bis hin zu den Sanierungsabgaben der Kliniken an die Krankenkassen. Bemerkenswert ist an dieser Liste, dass an oberster Stelle mal wieder die Einkommen der Ärzte stehen, die Fallpauschalen dagegen erst an vorletzter Stelle.

Aus kaufmännischer Sicht ist dieser Punkt von grundlegender Bedeutung: Kein verantwortungsbewusster Betrieb käme auf die Idee, für seine Produkte Preise festzusetzen, die nicht auf einer kostenorientierten, professionellen Kalkulation beruhen, sondern mehr oder weniger durch historische und durch auf Gruppeninteressen bezogene Festlegungen bestimmt sind. Primäre Maxime der betriebswirtschaftlichen Ziele in der Führung eines Wirtschaftsbetriebes ist üblicherweise die Profitoptimierung, primär ja nichts Schlechtes. Tatsächlich machen die Personalkosten in deutschen Krankenhäusern mit knapp 65 % den Löwenanteil der den Profit gefährdenden Kosten aus. Allerdings ist die ärztliche und pflegerische Behandlung kranker Menschen die Kernaufgabe des Gesundheitswesens und das Leid kranker Menschen keine Handelsware! Bevor hier Einschränkungen vorgenommen werden, müssen Optimierungspotenziale im „Workflowmanagement” und der Effektivität der Arzt-Patienten-Beziehung ausgeschöpft sein.

Ganz sicher lassen sich auch ärztliche Leistungen qualitativ verbessern: Ein Beispiel ist die Weiterbildung - wie mit der Lektüre des klinikarzt -, die dazu beiträgt, diagnostische und therapeutische Maßnahmen zu optimieren, um damit ineffiziente und dadurch unwirtschaftliche Aktivitäten zu vermeiden. Und zweifellos muss der Arzt die Kosten diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen ebenso kennen, wie die Nebenwirkungen und Gefärdungspotenziale der eingesetzten Verfahren, ohne dass diese Rahmenbedingungen aus ausschließlich profitorientierten Gesichtspunkten für seine ärztliche Unabhängigkeit ausschlaggebend sein dürfen.

Das „Krankenhausbarometer” (www.dkgev.de) verweist nicht ohne plausiblen Grund auf die katastrophale finanzielle Notlage der deutschen Krankenhäuser, obwohl in Deutschland fast 11 % des Bruttoinlandproduktes in das Gesundheitssystem fließen. Übertroffen werden wir dabei nur von den USA und Frankreich. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass ohne Beachtung der Besonderheit des „Medizinbetriebes” die Kernbereiche der ärztlichen und pflegerischen Ausstattung beschnitten werden, um profitäre Ziele kurzfristig abzusichern.

Und was lernen wir daraus? Der Kaufmann sollte nicht die letzte Kuh verkaufen, die ihm noch Milch liefert, nur um die Kosten für ihr Futter zu sparen.

Prof. Dr. mult. Adolf Grünert

Ulm

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