Endo-Praxis 2006; 1(2): 5
DOI: 10.1055/s-2007-982010
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sicherheit und Endoskopie - Gefahr durch Nadelstichverletzungen unterschätzt?

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Publication Date:
25 May 2007 (online)

Wie risikoreich ist der Alltag in der Endoskopie ?

Gefahren beim Umgang mit infektiösem Material entstehen nicht erst seit kurzer Zeit und nicht nur bei endoskopischen Untersuchungen. Aber Hektik bei Notfällen, erhöhte Untersuchungszahlen und Interventionalität sind zunehmend Risikofaktoren für MitarbeiterInnen auch in einer professionellen Endoskopieeinheit.

Die Novellierung der Technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA 250) mit Einführung sicherer Materialien aktualisiert dieses Thema im Jahr 2006, denn immer noch werden Nadelstich- und Schnittverletzungen bagatellisiert und die geschätzte Dunkelziffer von 90 % spricht für sich. Die bisherigen Kosten durch diese Verletzungen im Medizinalberuf werden auf mehr als 25 Mio. EUR geschätzt, die einzelne Stichverletzung resultiert in ca 500 EUR Kosten.

Wo entstehen diese Risiken?

Grundsätzlich ist jede parenterale Exposition mit infektiösem Material gefährlich, also nicht nur das Legen einer intravenösen Verweilkanüle, sondern auch das Unterspitzen einer Blutungsquelle, eine Varizensklerosierung, eine Organ- bzw. Aszitespunktion, eine PEG Anlage oder das Entsorgen einer scharfen Biopsiezange mit Dorn. Auch wenn im Einzelfall das Infektionsrisiko häufig gering ist, kann es nicht vernachlässigt werden, da z.B. nach einer Stichverletzung mit einer HCV positiven Nadel 1-7 % der exponierten Personen eine chronische HCV Infektion erleiden (Infektionsrisiko bei HBV sogar ca. 30 %, bei HIV ca. 0.5 %).

Wie bedrohlich sind die realistischen Risiken in der Praxis?

In Deutschland sind 1-1.5 Millionen Menschen chronisch mit dem Hepatitis B Virus, dem Hepatitis C Virus oder dem HI-Virus infiziert und bilden eine Infektionsquelle bei parenteraler Exposition, gerade in operativen Situationen oder Funktionsbereichen wie einer Endoskopieabteilung. Die Hepatitis B Infektion muss trotz Impfmöglichkeit als Risiko erwähnt werden, da bei Erwachsenen bis zu 10 % Impfversagen beobachtet wird.

Im Alltag ist nicht der bereits bekannt infizierte Patient das Risiko, denn hier werden vom Personal vor, während und nach einer Untersuchung freiwillig alle Register einer Risikovermeidung gezogen. Vielmehr sind es die gefährlichen virtuellen Risikounterschiede bei der Beurteilung eines Patienten, bei der eine klinisch unauffällige ältere Patientin (die aber vielleicht nach Sectio und Transfusion in den sechziger Jahren mit dem Hepatitis C Virus infiziert wurde) oder ein nicht bekannter HIV Patient unter wirksamer antiretroviraler Therapie als risikolos angesehen werden, hingegen ein tätowierter Patient ein sichtbares Risiko zu tragen scheint.

Stich- bzw. Schnittverletzungen vermeiden heißt, ein automatisiertes Umgehen mit und Entsorgen von scharfen Gegenständen in allen Situationen, bei allen Patienten und zu jeder Zeit zu gewährleisten. Erst wenn man begreift, dass Unterschiede zu machen Nachlässigkeiten provoziert, kann das Risiko für die in der Endoskopie tätigen MitarbeiterInnen verringert werden. Dies bedarf eigentlich keiner externen Anordnung, sondern ist in eine verantwortliche und professionelle Tätigkeit integriert.

Sollte trotz aller Vorsicht eine Nadelstich- oder Schnittverletzung geschehen sein, ist jede Art von Bagatellisierung zu vermeiden. Lokale Maßnahmen (Fördern des Blutflusses, antiseptische Behandlung) in Kombination mit einer Klärung des Infektionsstatus des in Frage kommenden Patienten und weiterführende Maßnahme (HBV Impfung, Post-Expositionsprophylaxe bei HIV) sind ebenso notwendig wie frühzeitiger Kontakt zum Betriebsarzt (bzw. D-Arzt) als auch die Planung zukünftiger serologischer Kontrollen.

Was bringt uns die neue Regelung nach ihrer Umsetzung?

Sie bringt Bewegung in die Situation und erzeugt dort Veränderungen, wo sie notwendig sind: in den Krankenhäusern selbst. Der bisherige Anreiz zur Anschaffung der neuen Sicherheitsprodukte war gering, ändert sich aber nachdrücklich aufgrund der neuen Verordnung. Denn waren bisher bei Stichverletzungen Versicherungen und Krankenkassen für die Folgekosten verantwortlich, sind dies nun zunehmend und auch rechtlich verbindlich die Krankenhausträger selbst.

Der Qualitätsaspekt erhält somit zukünftig durch die neue Regelung eine zusätzliche Bedeutung, indem eine Verringerung der Verletzungsgefahr durch primär teures Material letztendlich eine ökonomisch sinnvolle Investition darstellt.

Zur Erreichung dieses Ziels ist die neue Regelung, wenn sie eindeutig und nachdrücklich definiert und umgesetzt wird, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Prof. Dr. med. S. Rossol

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