Zentralbl Chir 2007; 132(4): 348-349
DOI: 10.1055/s-2007-981318
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Publication Date:
27 August 2007 (online)

zum Manuskript von Widmaier et al.: „Fast-track” und elektive laparoskopische Eingriffe am Kolorektum”

In den meisten Kliniken Westeuropas und der USA ist die perioperative Behandlung bei elektiven Kolonresektionen auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch durch Traditionen geprägt und entspricht nicht der besten verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz [1]. Nachdem wiederholte Befragungen deutscher Krankenhauschirurgen in der letzen Dekade des 20. Jahrhunderts keine wesentlichen Veränderungen der perioperativen Behandlung bei diesen Eingriffen ergeben hatten [2], haben die Publikationen von H. Kehlet u. Mitarb. aus Kopenhagen zur „Fast-track”-Rehabilitation [3] [4] und die Veränderungen der Krankenhausfinanzierung durch Einführung des DRG-Systems, die Bemühungen unterstützt, die perioperative Behandlung zu optimieren und den postoperativen Aufenthalt nach elektiven Kolonresektionen zu verkürzen.

Widmaier et al. stellen in ihrer Publikation ihre Erfahrungen mit einem „Fast-track”-Rehabilitationskonzept an 141 Patienten mit laparoskopischen, kolorektalen Resektionen vor. Sie verkürzten die postoperative Verweildauer auf 6 Tage, ohne dass die Wiederaufnahmerate (3 %) oder die lokalchirurgische Komplikationsrate im Vergleich zu „traditionellen” Behandlungen auffällig erhöht gewesen wäre. Allgemeine postoperative Komplikationen traten nur bei 22 Patienten auf. Den Autoren ist zu diesen hervorragenden Ergebnissen zu gratulieren, allerdings sind einige Anmerkungen zum gewählten Vorgehen erforderlich.

„Fast-track”-Rehabilitation bedeutet die Ausrichtung der perioperativen Behandlung nach der besten verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz und unter Verzicht auf tradierte, aber in randomisierten, kontrollierten Studien als nicht hilfreich oder sogar schädlich erwiesene Behandlungsmaßnahmen [5]. Bei strenger Anwendung dieser Definition muss festgehalten werden, dass Widmaier et al. einerseits zwar Bestandteile des „Fast-track”-Rehabilitationskonzeptes von Kehlet et al. übernommen haben (thorakaler PDK, forcierte Mobilisation, früher postoperativer Kostaufbau) sich aber andererseits nicht von tradierten Behandlungsmaßnahmen (Darmvorbereitung, intraperitoneale Dränagen) lösen konnten. Weiterhin werden die exzellenten Ergebnisse durch die offensichtliche Patientenselektion zur laparoskopischen Chirurgie eingeschränkt. So war z. B. der Anteil der Patienten der ASA-Klassifikation 3 (schwere Begleiterkrankung) mit weniger als 10 % gering. Kritiker der „Fast-track”-Rehabilitation könnten demnach zu Recht einwenden, dass bei einem derart „gesunden” Patientengut mit der laparoskopischen Technik allein unter „traditioneller Therapie” vergleichbare Ergebnisse erreicht werden könnten.

Während die Beibehaltung gewisser „traditioneller” Komponenten der perioperativen Behandlung bei gesunden Patienten wahrscheinlich nur mit geringen Folgen einhergeht, zeigen die von Widmaier et al. angeführten Verläufe der ASA III-Patienten unter dem vorgestellten Konzept (85 % Infusionen am ersten postoperativen Tag), dass bei einem Hochrisiko-Patientengut die stringente Anwendung aller Evidenz basierten Maßnahmen für den Erfolg ausschlaggebend ist. Im eigenen Patientengut nahmen 82 % der 99 ASA-III-Patienten nach laparoskopischer oder offener Kolonresektion Tee und Proteindrinks zu sich und 78 % erhielten am 1. postoperativen Tag normale Krankenhauskost, sodass Infusionen nur bei 29,9 % dieser Risikopatienten verabreicht werden mussten.

Zusammenfassend belegt diese Arbeit ebenso wie die bislang noch nicht publizierten Daten der respektiven Qualitätssicherungsstudie „Fast-track”-Kolon II mit bislang über 1 000 eingeschlossenen Patienten [6], dass die „Fast-track”-Rehabilitation in Krankenhäusern aller Versorgungsstufen bei entsprechendem Engagement der beteiligten Ärzte und Pflegenden eingeführt werden kann. Der Wert verschiedener Einzelmaßnahmen im „Fast-track”-Konzept, wie der Anwendung der thorakalen Periduralanalgesie bei laparoskopischen Resektionen oder der Auswirkung moderner Medikamente (z. B. periphere Morphinrezeptorantagonisten), müssen in Zukunft in randomisierten, kontrollierten Studien untersucht werden. Schließlich sollten die bereits etablierten „Fast-track”-Rehabilitationskonzepte aus der kolorektalen Chirurgie auch auf andere große abdominal-, thorax- und gefäßchirurgische Eingriffe ausgedehnt werden, um auch bei diesen Operationen die hohe postoperative allgemeine Morbidität zu reduzieren.

Widmaier et al. demonstrieren, dass eine optimierte perioperative Behandlung kombiniert mit einem minimal-invasivem Zugang zu hervorragenden Ergebnissen führt. „Fast-track” und „MIC” sind also keine Alternativen, sondern ergänzen sich in einem interdisziplinären perioperativen, evidenzbasierten Behandlungspfad.

Literatur

  • 1 Kehlet H, Büchler M W, Beart R W, Billingham R PWR. Care after colonic operation - is it evidence based? Results from a multinational survey in Europe and the United States.  J Am Coll Surg. 2006;  202 45-54
  • 2 Schwenk W, Gunther N, Haase O, Konschake U, Muller J M. Wandel der perioperativen Therapie bei elektiven kolorektalen Resektionen in Deutschland 1991 und 2001 / 2002.  Zentralbl Chir. 2003;  128 1086-1092
  • 3 Bardram L, Funch Jensen P, Jensen P, Crawford M E, Kehlet H. Recovery after laparoscopic colonic surgery with epidural analgesia, and early oral nutrition and mobilisation.  Lancet. 1995;  345 763-764
  • 4 Basse L, Hjort Jakobsen D, Billesbolle P, Werner M, Kehlet H. A clinical pathway to accelerate recovery after colonic resection.  Ann Surg. 2000;  232 51-57
  • 5 Wilmore D W, Kehlet H. Management of patients in fast track surgery.  BMJ. 2001;  322 473-476
  • 6 Junghans T, Schwenk W. für die Arbeitsgruppe Qualitätssicherung „Fast-track”-Kolon II .Ergebnisse der Qualitätssicherung „Fast-track”-Kolon II. 2. Jahrestagung der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Akutschmerz. Berlin, 2.12.2006. 
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