Aktuelle Neurologie 1980; 07(4): 211-230
DOI: 10.1055/s-2007-1021008
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das zerviko-zephale Beschleunigungstrauma (»HWS-Schleudertrauma«) in der Begutachtung. Unter besonderer Berücksichtigung zentralnervöser und psychischer Störungen

Medicolegal aspects of the so-called Whiplash-injury. With Special Reference to Central Nervous System- and Psychological DisturbancesG. Krämer
  • Neurologische Universitätsklinik Mainz (Direktor: Prof. Dr. H. C. Hopf)
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Publication Date:
30 January 2008 (online)

Zusammenfassung

Sogenannte HWS-Schleudertraumen stellen insbesondere im Straßenverkehr einen sehr häufigen Unfallmechanismus dar und werden schon deshalb oft begutachtet, weil fast immer ein Fremdverschulden vorliegt. Während über die radiologische und unfallchirurgische bzw. orthopädische Diagnostik und Therapie akuter Verletzungen inzwischen weitgehende Übereinstimmung besteht, stellen diejenigen Patienten nach wie vor ein Problem dar, die bei allenfalls geringfügigen Traumafolgen an der Wirbelsäule im Sinne einer Distorsion auch noch längere Zeit nach dem Unfall über »diffuse« Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsstörungen klagen.

In der bisherigen Literatur und gutachterlichen Praxis finden sich dazu sehr kontroverse Stands punkte, die von einer rigorosen Ablehnung derartiger, zumeist als psychogen angesehener Symptome bis zu einer möglicherweise unkritischen Anerkennung aller Beschwerden reichen. Es erscheint daher angebracht, den heutigen Wissensstand zu dieser Thematik zu referieren: Nach einem Überblick über die pathogenetischen Mechanismen und die klinischen Gesichtspunkte von Schleudertraumen werden die überwiegend verstreut publizierten Forschungsergebnisse über eine Beteiligung des Zentralnervensystems dargestellt.

Es zeigt sich, dass auch ohne faßbaren pathologischen Befund bei der klinischen Untersuchung zerebrale Schädigungen vorkommen. Die vielfältigen psychischen Beschwerden können ganz oder zum Teil Ausdruck einer hirnorganischen Läsion oder auch durch Psychoreaktive Störungen modifiziert sein. Im konkreten Begutachtungsfall müssen im Rahmen der Psychoreaktiven Störungen unbewußte (psychosomatische bzw. neurotische) und bewußtseinsnahe (aggravatorische bzw. simulatorische) Momente unterschieden werden.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen werden abschließend Hinweise für eine adäquate gutachterliehe Untersuchung und Beurteilung gegeben.

Summary

The acceleration injury of the cervical spine (so-called whip-lash injury) is a common traumatic mechanism in traffic accidents. Severe sequelae are easy to recognize and their handling is not really questionable. Those patients however with a neck sprain permanently suffering from symptoms such as headache, dizziness and impaired concentration form a special group. The discussion concerning the medical and medicolegal aspects of that particular group is still controverse ranging from uncritical acceptance of all complaints as being due to the trauma to complete rejection. Thus, reviewing the literature we try to present the current knowledge within this field with special reference to central nervous system involvement.

Even patients showing absolutely no clinical signs on physical examination may have experienced cerebral damage. This can partly or totally be the cause of various mental or psychological disturbances, however such complaints have to be differentiated from a psycho-reactive origin with possible simulating and malingering or neurotic conditions.