B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2005; 21(5): 231-232
DOI: 10.1055/s-2005-872492
RECHT

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Unternehmenswert sporttherapeutischer Praxen

Teil 2 des Beitrages aus B & G 4/2005E. Boxberg1
  • 1Justiziar des DVGS e. V., Hürth
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Publication Date:
24 October 2005 (online)

In dieser Ausgabe wollen wir uns befassen mit der Ermittlung der für eine sporttherapeutische Einrichtung angemessenen Übergewinnjahre. Bevor wir jedoch in diese Problematik einsteigen, sei anderen Bewertungsverfahren ein Blick geschenkt und der Versuch unternommen festzustellen, warum die hier gewählte Übergewinnmethode das zur Ermittlung des Unternehmenswertes sporttherapeutischer Praxen zugeordnete Verfahren ist.

Die Praxis kennt eine Reihe von Bewertungsverfahren. Viele davon stellen sich nur als sog. Varianten von Mittelwert und Übergewinnmethode dar. Es werden besondere Betriebseigenschaften in ein zentraleres Blickfeld gerückt, ohne dass die eigentliche Bewertungsmethode verlassen wird. In der Praxis begegnen einem häufig zwei Bewertungsmethoden. Eine davon wird der finanzbehördlichen Praxis zugeordnet: das Stuttgarter Verfahren. Eine andere begegnet einem bei den Bewertungsversuchen ärztlicher Praxen: die Praktikermethode bei der Einschätzung ärztlicher Praxen. Das Stuttgarter Verfahren wird im Allgemeinen nur von den Finanzbehörden angewendet. Es dient hierbei aber in erster Linie der Wertermittlung von nicht börsennotierten Anteilen von Kapitalgesellschaften. Mit Kapitalgesellschaften haben wir es bei sporttherapeutischen Einrichtungen jedoch selten zu tun und wenn, dann ist das von uns angestrebte Wertermittlungsprinzip ein anderes als beim Stuttgarter Verfahren. Das Stuttgarter Verfahren zielt nämlich auf „die Ermittlung des steuerlichen Vermögens als (einheitliche) Bemessungsgrundlage für verschiedene Steuern” ab (Moxter: Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 98).

Da wäre noch die Praktikermethode der Ärzte. Sie geht vom Jahresumsatz aus, vermindert diese Rechengröße um den kalkulatorischen Unternehmerlohn (wie er auch im letzten Heft beschrieben ist) und ermittelt den Wert, indem die verbleibende Summe durch 3 geteilt wird. Der Verfasser geht auf diese Methode etwas näher ein und ermittelt hierbei folgende drei Konsequenzen, weil es durchaus sein kann, dass der sein Unternehmen bewertende Leser gefragt wird, warum er nicht die Praktikermethode der Ärzte zur Bewertung herangezogen habe:

Die Praktikermethode geht vom Umsatz aus. Der Umsatz einer Praxis ist die Summe der verkauften Leistungseinheiten, multipliziert mit deren Preis. Die Betrachtung eines Unternehmensumsatzes, ohne einen Blick zu werfen auf die Betriebsausgaben (Aufwendungen, die durch den Betrieb verursacht wurden und im Rahmen der Gewinnermittlung abzugsfähig sind) oder auf den Gewinn, vermittelt keine der Werteinschätzung des Unternehmens dienende Grundlage, jedenfalls nicht für ein Unternehmen von Freiberuflern und möglicherweise kurzer Lebensdauer. Die vom Betriebsinhaber dem Unternehmen aufgelasteten Betriebsausgaben können so hoch sein, dass für einen nennenswerten Gewinn kein Raum bleibt. In einem solchen Fall müsste man bei den hier angesprochenen Unternehmen davon ausgehen, dass der Unternehmenswert gleich Null ist. Der Umsatz ist also für eine Wertermittlung keine brauchbare betriebswirtschaftlich ansetzbare Größe. Die Praktikermethode teilt das Ergebnis aus Umsatz abzgl. kalkulatorischem Unternehmerlohn durch drei. Man muss sich fragen, warum durch drei und nicht durch vier oder durch zwei oder vielleicht durch zehn. Dies wird nicht erklärt. Daher ist die Praktikermethode auch als Praktikermethode im Gegensatz zu wissenschaftlich ausgearbeiteten Methoden bezeichnet worden. Die Ergebnisse der Praktikermethode kann man akzeptieren, wenn man bereit ist, in allen Fällen einer Bewertungsvornahme aufgrund der Anwendung derselben Formel zu einem von den Ausgangsdaten betrachtet vergleichbaren Ergebnis zu kommen:Beispiel 1: (Umsatz) 180 - (kalkulatorischer Unternehmerlohn) 120 = 60 : 3 = 20Beispiel 2: (Umsatz) 240 - (kalkulatorischer Unternehmerlohn) 120 = 120 : 3 = 40.Die Ergebnisse sind untereinander betrachtet nachvollziehbar. In der Tat erfährt jedoch diese Methode auch ihre Korrektur, indem das beschriebene Ergebnis dann nach Praxisbesonderheiten herauf- oder heruntergerechnet wird, je nach Vorteilen und Praxisnachteilen.

Sporttherapeuten haben jedoch keine eingefahrene Methode, die wie die Praktikermethode der Ärzte zu untereinander vergleichbaren und korrekten Ergebnissen führt, sondern sie müssen sich erst einen Weg zur Praxisbewertung suchen, wobei hier allerdings die Methoden anderer medizinischer Fachberufe als Erkenntnishilfen herbeigezogen werden können. Die Praxisbewertung physiotherapeutischer Praxen, aber auch ärztlicher Praxen, wenn hier ein Gerichtsverfahren zu einer Erkenntnis kommen muss, wählt hierzu die Übergewinnmethode. Betrachten wir also die Anzahl der Übergewinnjahre, die einen wesentlichen Rechenfaktor der Übergewinnmethode darstellen. Die skontierten Übergewinne bilden den Goodwill und „die Summe aus Teilreproduktionswert, und der Goodwill ergibt den gesuchten Unternehmenswert” (Moxter, a. a. O., S. 110). Die Anzahl der in eine Bewertung einzurechnenden Übergewinnjahre kann nur in einem ganz bestimmten Zeitfenster gesehen werden. Nur zu diesem Zeitpunkt kann festgestellt werden, dass der Praxisinhaber seiner Praxis so viele Entwicklungsanstöße gegeben hat, dass sie einen bestimmten (in einem Jahr feststellbaren) Übergewinn produziert. Die Feststellung, wie viele Jahre die Einflussnahme des Praxisinhabers die Praxis begleitet, ist die Feststellung der Anzahl der Übergewinnjahre.

Versuchen wir, dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Ein Sporttherapeut schließt mit einer Krankenkasse einen Vertrag. Er verpflichtet sich, die Mitglieder der Krankenkasse mit bestimmten Präventionspraktiken zu behandeln und erhält hierfür von der Krankenkasse (so wie es das Präventionsgesetz auch vorsieht) einen bestimmten Geldbetrag. Je nach Laufzeit des Vertrages, nach der Qualität der vom Sporttherapeuten angebotenen und abgegebenen Prävention und nach der Bindungswirkung, die vom Therapeuten ausgeht und seine Klientel erreicht, besitzt der Sporttherapeut alle Voraussetzungen für eine lange Übergewinndauer. Vergleichbares gilt für Therapeuten, die sich so eingerichtet haben, dass sie Sportverbände, Mitglieder von Handels- und Gewerbebetrieben, Kranken- oder Pflegeeinrichtungen betreuen. Aber auch ohne eine solche Anbindung kann durch Patientenpflege eine hohe Übergewinndauer zustande kommen.

Von der Voraussetzung einer wenigstens 3-jährigen Übergewinndauer, einer Annahme der 70er-Jahre, darf man wohl nicht mehr ausgehen. In unserer Zeit können Praxen entstehen, deren Übergewinn ein Jahr nicht überschreitet. Dies entspricht auch der Definition des BFH, welcher den Praxiswert als „eine Summe von Beziehungen, Aussichten und Möglichkeiten, die entscheidend vom Vertrauen des einzelnen Auftraggebers geprägt ist”, sieht. Moxter (a. a. O., S. 176) beziffert die Übergewinnjahre mit maximal neun, Viehl mit maximal fünf, bei objektgebundenem Goodwill mit maximal acht Jahren. Von der letzten Methode wird man ausgehen müssen, da in der Tat zu gliedern ist zwischen objektgebundenen Unternehmen und solchen, die objektfrei sind, d. h. deren Existenz nicht durch eine Objektgebundenheit auf längere Zeit festgelegt ist. Bei dieser Einteilung kommt man zu einem subjektgebundenen Goodwill von bis zu fünf Jahren, bei einem objektgebundenen Goodwill auf maximal acht Jahre.

Betrachten wir zunächst den objektgebundenen Goodwill. Wie man hier untergliedert in eine Übergewinndauer von sechs Jahren, sieben Jahren und acht Jahren, hängt von der Bindungsstärke und der Existenzgarantie der Praxis durch das verbundene Objekt ab. Eine eigene, krankenhausangeschlossene sporttherapeutische Abteilung gestattet, von einer Höchstdauer des Goodwill auszugehen, wobei man heutzutage aufgrund der Unwägbarkeiten im öffentlichen Gesundheitswesen und der stets zunehmenden regulierenden und dirigierenden Maßnahmen im Gesundheitswesen auf die Zuerkennung einer achtjährigen Übergewinndauer gänzlich verzichtet. Eine etwas unsichere Objektgebundenheit dürfte vorliegen bei einem abstiegsgefährdeten Zweitligisten, dessen Fußballer von Sporttherapeuten regelmäßig betreut werden. Hier ist die Annahme einer sechsjährigen Übergewinndauer schon etwas waghalsig.

Bei einem subjektgebundenen Unternehmen (d. h. dessen Bezug zum Patienten nur durch die Persönlichkeit des Inhabers zustande kommt) wird die Anzahl der Übergewinnjahre von einer Vielzahl von Merkmalen abhängen, die schon bei der Gründung des Unternehmens berücksichtigt werden konnten: Am besten, also mit fünf Jahren, werden Einrichtungen abschneiden, die bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind und genügend Parkmöglichkeiten aufweisen. Eine zentrale Ortslage ist sicherlich vorteilhaft. Ein erfolgreicher Bestand über mehrere Jahre prägt den Übergewinn. Die Abgabe von Krankenkassenleistungen stärkt die Zukunftschancen. Freundliche Behandlungsräume, zuvorkommendes Personal, ein lange Wartezeiten verhinderndes Management und qualitätsangepasste Vergütungssätze vermitteln den gleichen Erfolg. Man verzichtet heute für die einzelnen Übergewinnjahre auf festgelegte Standards, weil ein einziger Einfluss, der im Standardpaket nicht genannt ist, alle Überlegungen über den Haufen werfen kann. Falls die Organisation noch so perfekt, die Lage noch so hervorragend und die sporttherapeutische Leistung noch so hochwertig ist, kann ein auslaufender Mietvertrag den Zukunftswert des ganzen Unternehmens gefährden oder gar zerschlagen. Es kommt also darauf an, alle auf ein Unternehmen Einfluss nehmenden Einzelfaktoren zusammenzutragen, zu werten und hieraus eine Zuordnung von Übergewinnjahren zu ermitteln.

Die festgestellten Übergewinnjahre können jedoch nicht einfach wie folgt multipliziert werden:

n (Übergewinnjahre) × E abzgl. kalk. UL abzgl. i × SW

(siehe letztes Heft), sondern sie müssen abgezinst werden mit dem aktuell geltenden Zinssatz. Hierdurch entsteht folgende Formel:

UW = SW + Rbf (E./.kalk. UL./.i × SW)

Für Rbf (Rentenbarwertfaktor) ist gemäß aktuell geltendem Zinssatz und festgestellten Übergewinnjahren der in Tab. [1] angegebene Faktor zu wählen.

Tab. 1 n 3 % 3œ% 4 % 4œ% 5 % 5œ% 1 0,9709 0,9662 0,9615 0,9569 0,9524 0,9497 2 1,9135 1,8997 1,8861 1,8727 1,8594 1,8463 3 2,8286 2,8016 2,7751 2,7490 2,7232 2,6979 4 3,7171 3,6731 3,6299 3,5875 3,5460 3,5052 5 4,5797 4,5151 4,4518 4,3900 4,3295 4,2703 6 5,4172 5,3286 5,2421 5,1579 5,0757 4,9955

Im nächsten Heft werden noch zwei Rechenbeispiele für eine Praxiswertermittlung vorgestellt und mitgeteilt und Gründe, weshalb die Kenntnis des realen Praxiswertes für den Sporttherapeuten wichtig sind, auch wenn er gar nicht daran denkt, seine eigene Praxis zu verkaufen.

Dr. Ernst BoxbergJustiziar des DVGS e. V. 

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