Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2005; 10(6): 365-369
DOI: 10.1055/s-2005-858149
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Direkte Kosten der Frühinvalidität in Deutschland

The Direct Costs of Early Retirement in GermanyH. Friedel1 , M. Friedrichs1 , C. Röttger1 , W. Bödeker2
  • 1Institut für Gesundheitsförderung und Prävention, Universität Duisburg-Essen, Essen
  • 2Bundesverband der Betriebskrankenkassen, Essen
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Publication History

Publication Date:
30 November 2005 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Der Bestand an frühinvaliden Personen beläuft sich in Deutschland auf fast 2 Millionen Menschen. Frühinvalidität impliziert ein vorzeitiges, in der Regel unumkehrbares Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die Quantifizierung der direkten Kosten der Frühinvalidität als Argumentationshilfe für präventionspolitische Entscheidungen. Material und Methoden: Anhand der Leistungsausgaben der beteiligten Träger der sozialen Sicherungssysteme werden die Krankheitsbehandlungskosten frühinvalider Personen ermittelt. Die direkten Kosten der Frühinvalidität werden dabei als diejenigen Krankheitsbehandlungskosten verstanden, die allein der frühinvaliditätsrelevanten Erkrankung anzulasten sind. Ergebnisse: Die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung für die 1,9 Mio. frühinvaliden Personen des Jahres 1999 belaufen sich auf ca. 12,5 Mrd. €. Hieraus werden nach Korrektur für eine „Grundstockmorbidität” die direkten Kosten der Frühinvalidität mit ca. 9,7 Mrd. € veranschlagt. Schlussfolgerung: Die direkten Kosten der Frühinvalidität konnten zuverlässig ermittelt werden. Allein bei Betrachtung der Krankheitsbehandlungskosten offenbart sich ein beträchtliches Präventionspotenzial. Zur Durchführung zielgerichteter Maßnahmen der Prävention müssen im nächsten Schritt den Determinanten der Frühinvalidität diese Kosten attributiert werden.

Abstract

Purpose: In Germany app. 2 million persons who retired because of invalidity are counted. Early retirement due to morbidity usually leads to permanent withdrawal from the labour market. The aim of this study is the assessment of the direct costs of early retirement as a line of reason to make decisions in prevention policy. Materials and Methods: By means of the expenditures of the social insurance institutions the costs of medical care of disability pensioneers in Germany are determined. By this a basis for the assessment of the direct costs of early retirement is given, since these are understood as those costs that are originally induced by the diagnosis of early retirement. Results: In Germany, the expenditures of the statutory health insurance and the old age nursing care insurance amount to app. 12.5 billion € for the 1.9 million disability pensioneers in 1999. Allowing for a baseline morbidity the direct costs of early retirement are estimated as high as 9.7 million €. Conclusion: The direct costs of early retirement were reliable assessed. Even though the costs of medical care of disability pensioneers are considered merely the potenzial of prevention is important. For carrying out prevention activities accurately these costs have to be attributed to the determinants of early retirement in the next step.

Literatur

  • 1 Greiner W. Die Berechnung von Kosten und Nutzen im Gesundheitswesen. Schöffski O, Graf v. d. Schulenburg JM Gesundheitsökonomische Evaluationen. Zweite, vollständig überarbeitete Auflage Berlin; Springer Verlag 2000
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1 Diese Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojekts „Kosten der Frühberentung. Abschätzung des Anteils der Arbeitswelt an der Berufs- und der Erwerbsunfähigkeit und der Folgekosten” durchgeführt von der Team Gesundheit GmbH im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

2 Für die Eingrenzung und den anschließenden Ausschluss dieser Teilmenge sind Individualdaten mit Angaben zur Frühberentungsdiagnose einschließlich einer Diagnosezuordnung aller Leistungsausgaben bei den relevanten Trägern der sozialen Sicherungssysteme notwendig. Ein derartiger Datenbestand existiert jedoch nicht.

3 Für eine genaue Auflistung der im Rahmen des RSA anrechenbaren Leistungsarten vgl. http://www.dmp-aok.de/bund/rd/pdf/RSAV-040323.pdf (16.11.04).

4 eigene Berechnungen auf der Grundlage der Daten nach [4].

5 persönliche Mitteilungen des VDR.

7 Im oben genannten Projekt „Kosten der Frühberentung” (vgl. Fußnote1) wurde u. a. der Verursachungsanteil der Arbeitswelt an den direkten Kosten der Frühinvalidität quantifiziert. Die Ergebnisse sind Gegenstand einer späteren Publikation.

Dr. rer. pol. Heiko Friedel

Institut für Gesundheitsförderung und Prävention, Universität Duisburg-Essen

Max-Fiedler-Straße 6

45128 Essen

Email: friedel@ipg-uni-essen.de

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