DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2004; 2(03): 4-5
DOI: 10.1055/s-2004-830992
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Stuttgart

Charles J. Smutny III

Neuer Fellow der AAO
Christoph Newiger
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Publication Date:
30 May 2005 (online)

Amerikaner lieben Abkürzungen, amerikanische Osteopathen auch.

Der Titel F.A.A.O. ist eine solche Abkürzung und steht für Fellow of the American Academy of Osteopathy, die höchste akademische Auszeichnung, die ein Osteopath in den USA erwerben kann. Der Begriff Fellow lässt sich allerdings nur schwer übersetzen: Mitglied greift zu kurz, Kamerad klingt zu militärisch, Mitbruder zu sektiererisch. Bleiben wir also bei Fellow, einem Begriff, den der Duden als Fremdwort anerkennt.

Weitere Abkürzungen

Bereits in den 1960er Jahren hatte der Vorstand der AAO eine akademische Fachgesellschaft (Fellowship) gegründet und jahrelang für die Anerkennung der reinen, manuellen Osteopathie, der Osteopathic Manipulative Medicine (OMM) als eigenständige Fachrichtung gekämpft. 1977 wurde das COFAAO, das “Committee on Fellowship in the AAO” gegründet. Dieses Komitee erhielt ein Stimmrecht innerhalb des “AOA Bureau of Osteopathic Specialists”, der leitenden Institution für die osteopathischen, beruflichen Fachbereiche. Ein Jahr später wurde erstmals der Titel F.A.A.O. verliehen. 70 Osteopathen erhielten am 16. Januar 1978 diese Auszeichnung, ein Joseph L. Love, DO, wurde als erster Fellow in den Annalen festgehalten.

Das COFAAO wurde 1989 aufgelöst. Aus ihm ging das AOBSPOMM (!) hervor, das American Osteopathic Board of Special Proficiency in Osteopathic Manipulative Medicine, zu deutsch: die Amerikanische Osteopathische Kommission für spezielle Fähigkeiten in der Osteopathischen Manipulativen Medizin. Zur gleichen Zeit hatte die Akademie ein einjähriges Assistenzarzt-Trainingsprogramm in OMM entwickelt, das später auf zwei Jahre ausgedehnt wurde. 1998 wurde schließlich auch das AOBSPOMM abgeschafft und durch das AOBNMM, das American Osteopathic Board of Neuromusculoskeletal Medicine ersetzt, also die Amerikanische Osteopathische Kommission für Neuromuskuloskeletale Medizin. Aus der Osteopathischen Manipulativen Medizin (OMM) war nun die NMM/OMM geworden, die Neuromuskuloskeletale Medizin/Osteopathische Manipulative Medizin.

Trotz dieser verwirrenden Namensänderungen und Abkürzungen blieb eines für die Akademie in allen den Jahrzehnten immer konstant: Die herausragende Bedeutung der rein manuell ausgeübten Osteopathie, also jener Osteopathie, die wir in Europa als traditionelle Osteopathie bezeichnen.

Die Fellowship der Akademie wird auch und gerade hierfür verliehen: „Um eine Gruppe führender Osteopathen aufrechtzuerhalten“, so heißt es in den Statuten, „die die hohen Standards der osteopathischen medizinischen Praxis unter besonderer Berücksichtigung der manipulativen Diagnose und Behandlung unterstützen.“


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Ein osteopathischer Werdegang

Seit März dieses Jahres zählt auch der Osteopath Charles J. Smutny III zu den gegenwärtig über 140 Fellows der AAO.

Die römische Drei hinter seinem Namen trägt Smutny, um sich von seinen namensgleichen Vater und Großvater zu unterscheiden. Die Differenzierung scheint notwendig zu sein, nennen ihn doch Freunde Chip, weil er in Auftreten und Aussehen sehr seinem Vater ähnelt (Chip off the old block, zu deutsch: Ganz der Vater).

Smutny stammt aus New York, jener hektischen Wolkenkratzer-Metropole am Hudson River, die zum Leben und Arbeiten eigentlich viel zu teuer ist, wie er sich selbst - allerdings nur selten - eingesteht. Hier arbeitet Smutny seit kurzem in einer eigenen, kleinen Praxis, nachdem er zuvor jahrelang am New York College of Osteopathic Medicine (NYCOM) als Dozent tätig war und unter anderen Eileen Di Giovanna, selbst eine Fellow, assistiert hatte. (Smutny wirkte u.a. an Di Giovannas Werk “An Osteopathic Approach to Diagnosis and Treatment” mit.)

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Für DO Life eigens interviewt: Charles Smutney mit Ehefrau Jeanine am Tag seiner Ernennung zum Fellow der AAO.

Ein Arzt hatte damals den jungen Medizinstudenten auf die Osteopathie aufmerksam gemacht und empfahl ihm ein Treffen mit einem osteopathisch arbeitenden Anästhesisten. Das Gespräch mit diesem osteopathischen Facharzt verlief so vielversprechend, dass Smutny sein ursprüngliches Berufsziel als Medical Doctor aufgab und Doctor of Osteopathy wurde.

Die damaligen Dekane des NYCOM Stanley Schiowitz und Eileen Di Giovanna sowie der Osteopath Hugh Edlinger führten Smutny in die Werke von Sutherland und die Originalarbeiten von Still ein. So begann Smutny die Osteopathie nicht mehr als eigenständige Therapieform sondern als “Philosophie” zu studieren.

Seine Tätigkeit als osteopathischer Assistenzarzt absolvierte Smutny in der Bronx, am St. Barnabas Hospital, das mit dem NYCOM kooperiert und von der AOA als osteopathisch arbeitendes Krankenhaus anerkannt wird.

Mittlerweile hat Smutny ein eigenes Assistenzarztprogramm in osteopathischer Medizin entwickelt, das seit Kurzem an einem Krankenhaus angewendet wird. Mit diesem Programm hofft er, mehr osteopathische Medizin an die New Yorker Krankenhäuser zu bringen.


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Fellow werden

Der Titel des Fellows der AAO, wie ihn Smutny mittlerweile trägt, ist keine Auszeichnung, die nur ehrenhalber vergeben wird. Sie muss beantragt werden, erfordert sehr viel Arbeit und Zeit und kostet 700 US-Dollar. Um Fellow zu werden, muss der Bewerber mindestens fünf Jahre Mitglied der AAO sein und über ein nachweislich hohes Ansehen innerhalb der amerikanischen oder kanadischen Akademie verfügen. Mit seinem Antrag muss der Bewerber zehn schriftliche Anamnesen einreichen und nach einem Leistungskatalog, der sechs verschiedene Kategorien umfasst, in mindestens vier dieser Kategorien tätig gewesen sein. Zudem muss der Bewerber zertifizierte Fortbildungskurse (CME: Continuing Medical Education) besucht haben, seine speziellen Fähigkeiten in Osteopathischer Manipulativer Medizin belegen können und eine veröffentlichungswürdige Thesenarbeit erstellen. Ist der Antrag angenommen und die Thesenarbeit erstellt, folgt eine ausführliche mündliche und praktische Prüfung, bei der, neben der fachlichen Qualifikation, auch die osteopathische Ethik des Bewerbers auf den Prüfstand kommt. Mindestens zwei Jahre Zeit dauert es, um in den erlauchten Kreis der Fellows aufgenommen zu werden. Dann trifft man sich mindestens einmal im Jahr auf dem AAO-Kongress im März, tauscht Erfahrungen und Informationen auf dem eigenen FAAO-Forum aus und engagiert sich für den Rest des Jahres für das Wohl der Osteopathie im Allgemeinen und der rein manuellen Osteopathie im Besonderen.


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Gewichtiges

Charles Smutny III gibt sich bescheiden, wenn er im Interview über sich selbst redet. Dabei hat er über viele Jahre hinweg einer Vielzahl von Komitees sowie dem Gremium der Direktoren der AAO angehört. So verfügte er über die notwendige Reputation, um als Fellow überhaupt vorgeschlagen zu werden. Zu seinen wohl wichtigsten Tätigkeiten zählte der Vorsitz des Louisa Burns Osteopathic Research Committee (LBORC), den er von 1997 bis 2001 innehatte. Diese Einrichtung konzentriert sich auf die Förderung der klinischen Forschung der osteopathischen manipulativen Medizin, gründete u.a. ein Datenbankcenter für die osteopathische Untersuchung und Behandlung und entwickelte einen osteopathischen Anamnese- und Befundbogen, der für die gesamten Vereinigten Staaten verbindlich sein soll.

Smutny benötigte nur zwei Jahre vom Antrag auf Fellowship bis zu seiner feierlichen Ernennung. In seiner 70 Seiten starken Thesenarbeit, die noch nicht veröffentlicht ist, widmete er sich jenem Präzisionsinstrument, das Osteopathen als selbstverständlich voraussetzen und täglich benutzen: die Hand, als “unser Instrument zum Unterscheiden”.

So sehr sich Charles Smutny über die Ernennung zum Fellow auch gefreut hat, die größte Freude erlebte er zwei Monate vor der AAO Convocation. Da wurden er und seine Frau Jeanine Eltern der kleinen Lillie Helaina.

Viel Zeit hat der junge Vater unter der Woche nicht, um sich seinem Familienglück zu widmen. Tagsüber arbeitet er in seiner Praxis und nachts, wenn Frau und Tochter schlafen, geht er seinen Forschungs- und berufspolitischen Arbeiten nach. So bleiben neben den Wochenenden für Gartenarbeiten und Entspannen nur der Morgengrauen und die Abenddämmerung. Dann gehen sie oft gemeinsam spazieren: er, seine Frau und ihre Tochter, zusammen mit Duncan und Nellie, zwei Doggen von 90 und 60 Kilo Gewicht, während die 14 Jahre alte Katze Neko ihr Haus hütet.


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