Fortschr Neurol Psychiatr 2004; 72(10): 553-554
DOI: 10.1055/s-2004-830098
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Begrenzte Wirksamkeit der Cholinesterasehemmer bei Alzheimer-Demenz

Limited Efficacy of Cholinesterase Inhibitors in Alzheimer's DementiaJ.  Kornhuber1
  • 1Klinik mit Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
Further Information

Publication History

Publication Date:
27 September 2004 (online)

Die Haus"arzte in Deutschland wurden wiederholt f"ur ihren zur"uckhaltenden Einsatz von Cholinesterasehemmern bei Alzheimer-Demenz kritisiert. Eine wesentliche Intention der Autoren aus dem Hamburger Institut f"ur Allgemeinmedizin war es offensichtlich, die Haus"arzte mit der jetzt vorgelegten Studie in Schutz zu nehmen. Die Autoren Kaduszkiewicz et al. [6] berichten in diesem Heft "uber methodische M"angel der bislang publizierten randomisierten, kontrollierten, doppelblinden klinischen Studien mit Donepezil bei Alzheimer-Demenz. Die Autoren finden in jeder der bislang publizierten Studien entweder statistische Probleme, unterschiedliche Ausgangsstichproben oder eine unvollst"andige Darstellung der Daten.

Die dargestellten methodischen M"angel der publizierten Arbeiten sind sehr unterschiedlich, und nicht alle M"angel beg"unstigen zwangsl"aufig Denepezil. Dennoch finden fast alle Studien gleichsinnig eine Wirksamkeit von Donepezil bei der Behandlung der Alzheimer-Demenz. Die dargestellten methodischen M"angel sind sicher relevant, sie sind aber nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist die begrenzte Wirksamkeit der Cholinesterasehemmer "uber eine gr"ossere Patientengruppe hinweg. Wenn die antidementielle Wirkung dieser Substanzen dramatisch und bei jedem einzelnen Patienten sichtbar w"are, dann w"urde es keine Diskussion um die methodische Qualit"at der publizierten Studien geben.

Der vorliegenden "Ubersichtsarbeit entgegen stehen verschiedene Meta-Analysen (z.B. [4] [9]) und Ausarbeitungen der Cochrane Collaboration [3] zur Wirksamkeit von Donepezil und anderen Acetylcholinesterase-Hemmstoffen, die eine akzeptable methodische Qualit"at der verf"ugbaren Studien konstatieren und eine m"assige, aber durchg"angige Wirksamkeit von Donepezil bis zu einem Jahr anerkennen. In der Evidence Based Medicine ist allgemein anerkannt, dass die zusammenfassende Analyse der ver"offentlichten methodisch abgesicherten Studien durch die Cochrane Gruppe das H"ochstmass an m"oglicher Evidenz liefert. Die Cochrane-Gruppe kommt zu der Schlussfolgerung, dass die modernen Acetylcholinesterase-Hemmstoffe in der Behandlung der Alzheimer-Demenz wirksam sind.

Die strengen Zulassungsbeh"orden, z. B. in den USA und in Deutschland, haben somit die Cholinesterasehemmer trotz ihrer bekannten begrenzten Wirkung zugelassen. Dabei lagen den Zulassungsbeh"orden im "ubrigen nicht nur die Publikationen, sondern die vollst"andigen Daten aus den Studien vor. Alle offiziellen Zulassungsverfahren, in den USA wie in Deutschland, sind stark reglementiert und statistisch abgesichert.

Die notwendige wissenschaftliche Auseinandersetzung um die methodische Qualit"at der vorhandenen Evidenzen sollte nicht den Blick daf"ur verstellen, dass auf einer klinisch-"arztlichen Ebene Donepezil und die anderen Acetylcholinesterase-Hemmstoffe eine Verbesserung in der Behandlung der Alzheimer-Krankheit gebracht haben. Niemand bezweifelt wirklich, dass eine Untergruppe von Patienten sogar deutlich von der Therapie mit Donepezil profitiert. Dies gilt insbesondere f"ur Patienten mit Levy-Body Demenz. Dazu kommt, dass sich der Wirkungsmechanismus der Cholinesterasehemmer sinnvoll in die bislang bekannte Pathophysiologie der Alzheimer-Erkrankung einordnet; diese Substanzen f"uhren zu einer pharmakologischen Substitution bei dieser Erkrankung bevorzugt und fr"uh untergehender cholinerger Neurone. Dieses Therapieprinzip "ahnelt damit der Therapie mit L-DOPA bei der Parkinson-Erkrankung.

Ohne Zweifel bedeuten die derzeit verf"ugbaren Medikamente erst einen kleinen Schritt vorw"arts in der Behandlung der Alzheimer Krankheit, heilen k"onnen diese Medikamente die Erkrankung nicht. Auch sind weitere Erkenntnisse zu verschiedenen Aspekten der Therapie dringend erforderlich. Eine bessere Vorhersage von Therapieresponse auf Cholinesterasehemmer ist notwendig. Andere, hoffentlich wirksamere, antidementielle Medikamente werden derzeit intensiv entwickelt. Da es aber noch Jahre dauern wird, bis sie f"ur den Routineeinsatz zur Verf"ugung stehen, m"ussen wir mit den derzeitigen Substanzen auskommen. Und diese Substanzen sind f"ur einen Teil unserer Patienten notwendig und hilfreich. Bis neue wirksamere Therapien zur Verf"ugung stehen l"asst sich die Wirksamkeit auch durch Kombination derzeit zugelassener Medikamente verbessern [10].

Die Autoren haben sicher recht, wenn sie anmahnen, dass die bislang vorhanden pharmakologischen Therapien nicht den Blick auf nicht-medikament"ose Therapien und Versorgungsprobleme verstellen sollten. In der heutigen medikamentengl"aubigen Medizin m"ussen wir uns also h"uten, andere therapeutische Ans"atze [5] zu vernachl"assigen. In "ahnlicher Weise haben wir in den vergangenen Dekaden beobachtet, dass die Betonung genetischer und anderer nicht ver"anderbarer Risikofaktoren der Alzheimer-Demenz den Blick auf ver"anderbare Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Hypercholesterin"amie, Hyperhomocystein"amie, arterielle Hypertonie und "Ubergewicht [1] [2] [7] verstellt hat und damit den Fokus auf Pr"avention bislang verhindert hat [8].

Literatur

  • 1 Aksari P, Stoppe G. Risikofaktoren der Alzheimer-Demenz.  Fortschr Neurol Psychiat. 1996;  64 425-432
  • 2 Behl C, Holsboer F. Oxidativer Stress in der Pathogenese von Morbus Alzheimer und antioxidative Neuroprotektion.  Fortschr Neurol Psychiat. 1998;  66 113-121
  • 3 Birks J S, Harvey R. Donepezil for dementia due to Alzheimer9s disease.  Cochrane Database Syst Rev 3,. (2003);  CD001190 113-121
  • 4 Clegg A, Bryant J, Nicholson T, McIntyre L, De Broe S, Gerard K, Waugh N. Clinical and cost-effectiveness of donepezil, rivastigmine, and galantamine for Alzheimer9s disease. A systematic review.  Int J Technol Assess Health Care,. (2002);  18 497-507
  • 5 Gräsel E, Wiltfang J, Kornhuber J. Non-drug therapies for dementia: An overview of the current situation with regard to proof of effectiveness.  Dementia Geriatr Cogn Sci. 2003;  15 115-125
  • 6 Kaduszkiewicz H, Beck-Bornholdt H-P, Bussche H vd, Zimmermann T. Fragliche Evidenz für den Einsatz des Cholinesterasehemmers Donepezil bei demenziellen Erkrankungen - eine systematische Übersichtsarbeit.  Fortschr Neurol Psychiat. 2004;  im Druck
  • 7 Kessler H, Bleich S, Falkai P, Supprian T. Homocysteine und Demenz.  Fortschr Neurol Psychiat. 2003;  71 150-156
  • 8 Kornhuber J. Therapie und Prophylaxe der Alzheimer-Demenz. Editorial.  Fortschr Neurol Psychiat. 2004;  72 183
  • 9 Ritchie C W, Ames D, Clayton T, Lai R. Metaanalysis of randomized trials of the efficacy and safety of donepezil, galantamine, and rivastigmine for the treatment of Alzheimer disease.  Am J Geriatr Psychiatry. 2004;  12 358-369
  • 10 Tariot P N, Farlow M R, Grossberg G T, Graham S M, McDonald S, Gergel I. Memantine treatment in patients with moderate to severe Alzheimer disease already receiving donepezil: a randomized controlled trial.  JAMA. 2004;  291 317-324

Prof. Dr. Johannes Kornhuber

Klinik mit Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie · Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Schwabachanlage 6

91054 Erlangen ·

Email: Johannes.Kornhuber@psych.imed.uni-erlangen.de

    >