intensiv 2004; 12(3): 103
DOI: 10.1055/s-2004-813166
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe Leserinnen und Leser,

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Publication Date:
12 May 2004 (online)

in Editorials früherer Ausgaben haben wir immer wieder auf aktuelle Themen des Gesundheitswesens Bezug genommen, die Auswirkungen auf unsere Tätigkeit haben.

In diesem Editorial steht die Diskussion der gerechten Finanzierung von Gesundheitsleistungen im Mittelpunkt. Obwohl das Ergebnis der Diskussion selbstverständlich auch Auswirkungen auf unsere Tätigkeit haben wird, tangiert sie uns in erster Linie als Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gerechte Finanzierung würde für uns als Beitragszahler letztlich bedeuten, dass sich die Beiträge an den finanziellen Möglichkeiten der Einzelnen orientieren.

Unter dem Aspekt der gerechten Finanzierung werden in der bundesdeutschen Politik derzeit zwei Modelle diskutiert. Das Modell der Kopfpauschale steht dem der Bürgerversicherung gegenüber.

Wird zur Berechnung der Krankenkassenbeiträge die Kopfpauschale herangezogen, so muss sich jeder Erwachsene selbst versichern. Eine Mitversicherung des nicht erwerbstätigen Ehepartners ist nicht mehr möglich. Die Beiträge werden unabhängig von der Höhe des Einkommens berechnet. Somit würden „Gering-Verdienende” denselben Beitrag wie „Gut-Verdienende” zu entrichten haben, wobei eine Entlastung über die Einkommensteuer möglich wäre. Es ist zwar nicht vorgesehen, das Einkommen zur Berechnung der Beitragshöhe heranzuziehen, aber zur Begründung der staatlichen Unterstützung bei Sozialhilfeempfängern, Arbeitslosen und Versicherten mit sehr niedrigen Einkommen würde es herangezogen. Es ist vorgesehen, dass die maximale Belastung für die Krankenversicherung einen bestimmten Anteil des Einkommens nicht übersteigen darf, wobei geplant ist, nur das Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit zugrunde zu legen.

Für das Modell der Kopfpauschale spricht, dass die Krankenkassenbeiträge nicht mehr die Lohnnebenkosten belasten würden und diese damit sinken könnten. Positiv ist ebenso zu bewerten, dass auf Erfahrungen aus der Privatversicherung zurückgegriffen werden könnte, da diese genau nach diesem Prinzip funktioniert.

Gegen das Modell spricht, dass es schwer zu vermitteln sein dürfte, Versicherte mit gehobenem Einkommen zu entlasten, während auf diejenigen mit niedrigem Einkommen eine höhere Belastung zukäme. Damit wäre das Solidaritätsprinzip gefährdet. Negativ bewertet wird zudem, dass die ausgewogene Verteilung der Finanzierungslast zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgehoben würde.

Eine Einigung auf das Modell der Bürgerversicherung zur Berechnung der Krankenkassenbeiträge ergäbe folgende Konsequenzen: Es müsste sich jeder Erwachsene unabhängig von der Quelle des Einkommens versichern, wobei Familienmitglieder mitversichert werden können. Es wären also in Zukunft auch freiberuflich oder selbstständig Tätige, Beamte und Erwachsene, die über der bisherigen Beitragsbemessungsgrenze verdienen, Pflichtversicherte. Der Beitrag würde sich prozentual aus dem Einkommen errechnen, wobei zu dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit das Einkommen aus Zinsen, Mieten oder Ähnlichem zählen würde.

Positiv ist am Modell der Bürgerversicherung zu würdigen, dass den gesetzlichen Krankenkassen höhere Einkünfte zur Verfügung stünden und das Solidaritätsprinzip erhalten bliebe. Von Vorteil wäre, dass durch ein Anheben der Beitragsbemessungsgrenze der Beitragssatz und damit die Lohnnebenkosten sinken würden. Ob Arbeitgeber damit den Anreiz erhalten, neue Stellen zu schaffen, bleibt abzuwarten. Ein zusätzliches Plus für die Kassen wäre, dass sich die bisher schlecht zu kalkulierenden Schwankungen der Einnahmen nivellieren würden.

Gegen die Bürgerversicherung spräche, dass die Überprüfung aller Einkünfte der Versicherten sehr aufwändig und schwierig sein würde.

In öffentlichen Diskussionen fällt immer wieder folgender Satz: „Ein Modell, das allen Beteiligten gerecht wird, gibt es nicht” - und das scheint wohl zu stimmen!

Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen, weder in der Politik noch bei den Betroffenen. Uns Herausgeber würde interessieren: „Wie würden Sie entscheiden?”

Wir wünschen Ihnen eine gute Entscheidungsfindung!

Ihre Herausgeber

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