NOTARZT 2003; 19(6): 233-234
DOI: 10.1055/s-2003-45380
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bewusstloses Brandopfer

F.  Martens1 , H.  Grajetzki2
  • 1Charité, Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
  • 2Vivantes Klinikum Friedrichshain, Sektion für hyperbare Sauerstofftherapie und Tauchmedizin, Berlin
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Publication Date:
09 December 2003 (online)

Der Fall

In den Mittagstunden wird der Notarzt in ein Mehrfamilienhaus unter dem Stichwort „Menschenrettung” gerufen. Bei Ankunft sind die Mannschaften zweier Löschzüge damit beschäftigt, einen Wohnungsbrand im dritten Stock zu löschen. Mehrere, in dem Haus wohnende Personen waren bereits über das weitgehend unverrauchte Treppenhaus mit Hilfe von Fluchthauben gerettet worden und gaben außer ihrem Entsetzen keine weitere Symptomatik an. Kurz nach deren Untersuchung wurde ein ca. 40-jähriger Mann aus der erheblich verrauchten Wohnung, in der sich der Brand ereignet hatte, gerettet und bis zum Treppenabsatz des ersten Stockwerkes getragen. Dort sah der Notarzt einen tief bewusstlosen Patienten ohne offensichtliche Zeichen einer äußeren Verbrennung, dessen Herzfrequenz mit 40/min deutlich erniedrigt war. Spontanatmung schnappender Art war vorhanden - der Puls schwach tastbar - die Pupillen waren beidseits maximal weit. Nach sofortiger orotrachealer Intubation und Beatmung mit Sauerstoff verbesserten sich die Kreislaufverhältnisse mit Anstieg der Herzfrequenz auf ca. 70/min und besser tastbarem Puls. Danach wurden zwei großlumige Venenverweilkanülen eingelegt und zunächst Ringer-Laktatlösung infundiert. Inzwischen berichteten Feuerwehrbeamte auf Nachfrage, dass in der Wohnung vor allem das Bett und angrenzende Gardinen verbrannt seien - den Mann hätten sie in der Wohnung vor deren Ausgangstür liegend bewusstlos vorgefunden.

Da keine Zeichen einer Hautverbrennung nachweisbar waren, wurde die tiefe Bewusstlosigkeit als Folge einer schweren Rauchvergiftung interpretiert und neben der Fortführung der Sauerstoffbeatmung wegen des möglichen Gehaltes von Blausäure in den eingeatmeten Rauchgasen mit der Infusion von Hydroxycobalamin begonnen. Da sich in den nächsten Minuten keine offensichtliche Änderung der klinischen Symptomatik zeigte, wurde Kontakt mit dem Zentrum für hyperbare Medizin aufgenommen und der Patient mittels Notarztwagen direkt dort eingeliefert.

In der Klinik wurde ebenfalls die Indikation zur hyperbaren Oxygenation (HBO) gesehen und nach beidseitiger Parazentese wurde der Patient in die große Druckkammer eingeschleust, dort über 60 Minuten auf ein Druckniveau von insgesamt 3 Bar gebracht und anschließend nach korrekter Ausschleusung auf die Intensivstation des Krankenhauses verlegt. Dort konnte er in wachem Zustand etwa 14 Stunden später extubiert werden. Der anfänglich bestehende Verwirrtheitszustand wurde als Durchgangssyndrom interpretiert und verschwand sukzessive in den folgenden drei Tagen. Lungenschädigungen konnten radiologisch nicht nachgewiesen werden. Die bei Übernahme in die Druckkammer nachweisbare Erhöhung des Carboxyhämoglobins von 23 % war durch die hyperbare Oxygenation auf unter 2 % abgefallen. Konzentrationsbestimmungen von Zyanid waren leider nicht erfolgt.

Literatur

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Universitätsmedizin Berlin · Campus Virchow-Klinikum · Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: frank.martens@charite.de

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