Zeitschrift für Palliativmedizin 2001; 2(2): 42-46
DOI: 10.1055/s-2001-15214
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Multiprofessionalität im Behandlungsteam

Multiprofessionalism and TeamworkMartina Kern
  • Zentrum für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus Bonn
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Hospizidee und Palliativmedizin sind mit dem Ziel angetreten, schwerstkranke und sterbende Menschen unter dem Aspekt der Lebensqualität ganzheitlich zu betreuen. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, wird inter- und multidisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich, denn kein Mensch kann die vielfältigen Aufgaben allein bewältigen.

Unter der Vorstellung der Einigkeit des gemeinsamen Ziels wurde zu Beginn von Palliativmedizin und Hospizarbeit oftmals ein Teamverständnis vorausgesetzt, das da hieß: Teamarbeit ist, wenn alle das Gleiche wollen wie ich. Es schien, dass unter dem Aspekt der Erfüllung der Lebensqualität die Behandlungs- und Therapieziele sowie deren Umsetzung innerhalb eines Teams endlich einmal kongruent waren. Für viele der Wunsch, bedürfnisorientiert arbeiten zu können, die ewigen, vielfach unerquicklichen Diskussionen, z. B. bezüglich Therapieoptionen, unterschiedlicher Auffassung und Verständnis zwischen Ärzten und Pflegenden, Hierarchieproblemen hinter sich lassen zu können, und klar und in Ruhe, friedvoll und in großer Einigkeit miteinander arbeiten zu können.

Diese Erwartungshaltung und Herangehensweise in der Entwicklung einer neuen bzw. anderen medizinischen Fachdisziplin führte oftmals dazu zu glauben, alles wird anders und besser, nur weil es neu und das Ziel (alles unter dem Aspekt von Lebensqualität zu beleuchten) klarer ist.

In der Entwicklung von Palliativmedizin und Hospizarbeit wird deutlich, dass diese Grundausrichtung zwar der Motor ist, dass aber nur ein Motor nicht ausreicht, um das Fahrzeug „am Laufen zu halten”, er muss gepflegt werden und - um im Bild zu bleiben - es muss immer wieder darauf geachtet werden, dass kein Sand ins Getriebe kommt, der zum Stillstand führt.

Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass die oft am Anfang der Teambildung stehende euphorische Mentalität - wir mögen uns alle, und deshalb sind wir auch gut, leisten damit gute Arbeit und halten alles aus -, sich entwickeln kann und muss. Sonst kommt es zu Frustrationsentwicklung und zur Stagnation.

Team kann nur dann zu einem tragfähigen System werden, wenn jeder seinen Auftrag, seine Stärken und Schwächen kennt, aber auch weiß, wo er Entlastung und Hilfe bekommen kann.

Um dies erkennen zu können, ist es notwendig zu begreifen, in welchem Kontext Teams in der Palliativmedizin und Hospizarbeit stehen. Dazu folgendes Bild:

Abb. 1Komplexität eines ganzheitlichen Betreuungskonzeptes.

Im inneren Kreis, dem Zentrum, steht der schwerstkranke Patient und seine Angehörigen, denen unsere Unterstützung gilt.

In der Mitte befindet sich das multidisziplinäre Palliativteam aus Krankenpflegepersonal, Ärzten, Seelsorgern, Physiotherapeuten, etc …

Darüber hinaus gibt es einen Außenkreis, z. B. bestehend aus Hausarzt, der Öffentlichkeit, Krankenkassen, anderer Krankenhausstationen, ambulanter Dienste, um nur einige zu nennen. Jeder hat seinen eigenen Bezug zum Patienten und alle sind irgendwie, mal mehr, mal weniger gut in Verbindung.

Der Auftrag des Palliativteams in der Mitte ist es nun, sowohl nach innen als auch nach außen zu wirken.

In Richtung Patient und Angehörige ist es die Schmerztherapie und Symptomkontrolle, das Schaffen von Geborgenheit und Sicherheit.

In Richtung Außenkreis ist es oftmals die Vermittlerfunktion, die Überzeugungsfunktion, z. B. bezüglich der Aussagen:

Schmerzen müssen nicht sein, Palliativmedizin und Hospizarbeit sehen sich als Bollwerk gegen aktive Sterbehilfe, es gibt Lebensqualität in der letzten Lebensphase, den immer wieder gestellten Fragen: Wie kannst Du das eigentlich aushalten, die dauerhafte Arbeit mit schwerstkranken Menschen, was tust du eigentlich genau etc..

Würde man ein Tier aus diesen Ansprüchen kreieren, könnte es so aussehen:

Abb. 2KaPaGirEntEsel

Es ist ein Kapagirentesel.

Das Kamel steht hier für Durchhaltevermögen und einen langen Atem, die Giraffe für Übersicht, das wirklich Wichtige nicht aus dem Blick zu verlieren, der Esel für Tragfähigkeit und Belastbarkeit, all die Sorgen und Nöte, aber auch Unwegsamkeiten aushalten zu können, der unerschrocken signalisiert, dass er belastbar ist, der Papagei für Redegewandtheit, z. B. die Idee immer wieder mit neuer Begeisterung und Freude zu vertreten, die Entenfüße für Standfestigkeit, das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Nach diesen Beschreibungen drängt sich die Frage auf: Wo ist sie denn nun, die so ersehnte friedliche Arbeit, ist das nicht alles ein bisschen viel und wer soll das alles eigentlich sein und tun? Und genau das ist es: Es ist viel. Wichtig ist das Wissen und die Einsicht, dass Hospizarbeit und Palliativmedizin ein sehr komplexes Arbeitsfeld ist, und wir uns nicht der Illusion hingeben dürfen, hier eine Harmonienische gefunden zu haben, in der alles nur einfach und schön ist.

Wir dürfen nicht immer und alles durch die rosarote Brille sehen, denn wenn wir die Augen vor der Vielfältigkeit der Realität verschließen, und diese damit ausblenden, werden wir vielen Widerständen begegnen und langfristig sicher Ermüdungserscheinungen bekommen.

Mit dem Wissen des komplexen Bildes kann man sich auf die vielfältigen Aufgaben vorbereiten und in den Teams Arbeitsschwerpunkte und Prioritäten erarbeiten, denn nicht jeder muss alles können und tun, und das auch noch gleichzeitig.

Dazu ist es wichtig, den Fokus auf die unterschiedlichen Professionen zu richten, denn trotz der gleichen Ausrichtung auf das gemeinsame Ziel, die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Lebensqualität des Patienten, gibt es Unterschiede.

Am Beispiel des Begriffes Lebensqualität soll dies stark vereinfacht dargestellt werden:

- Arzt
Für mich bedeutet Lebensqualität, wenn der Patient schmerz- und symptomfrei ist und damit sein Leben bis zuletzt aktiv gestalten kann.

- Seelsorger
Lebensqualität bedeutet für mich, dass sich das Leben abschließend ordnet und dass der Patient seine letzte Lebensphase innerhalb eines Sinnzusammenhanges sieht. (Schmerzen in einem gewissen Maß könnten auch da einen Sinn haben.)

- Sozialarbeiter
Lebensqualität bedeutet für mich, wenn die Beziehungen geklärt sind und die Stabilität des Gesamtsystems gelingt.

- Krankenschwester
Lebensqualität bedeutet für mich, wenn die Würde des Menschen - vor allem auch körperlich - gewährleistet ist und er damit im wahrsten Sinne des Wortes auch in der letzten Lebensphase gepflegt wirkt, und auch körperlich Zuneigung und Zuwendung erfährt.

Hier sind nur einige Berufsgruppen ausgewählt, an denen das unterschiedliche Verständnis von Lebensqualität exemplarisch aufgezeigt ist, d. h. nicht, dass alle anderen Berufsgruppen nicht genau so wichtig und entscheidend sind. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass jeder manchmal ein bisschen Arzt, Seelsorger, Sozialarbeiter etc. ist, und es nicht darum geht, wer Recht hat oder nicht. Entscheidend ist, dass aufgrund der Profession ein Betreuungsauftrag besteht, der auch das Handeln bestimmt. So hat jeder, aufgrund einer beruflichen Rolle, zunächst einmal unabhängig von den Wünschen des Patienten und seiner Angehörigen, einen anderen Zugang zum Thema Lebensqualität. Dieses Wissen ist entscheidend für einen gegenseitigen wertschätzenden, professionellen Umgang im Team.

Aus diesem Beispiel lassen sich einige Merkmale eines kompetent arbeitenden Teams ableiten:

- Bereitschaft zur Reflexion

Beispiel:
Ein 38-jähriger Patient wurde zu Beginn der Arbeit aufgrund starker, ambulant nicht zu beherrschender Schmerzen auf die Palliativstation aufgenommen. Ziel der Behandlung war Schmerzfreiheit und die Entlassung nach Hause.

Die Schmerzeinstellung war innerhalb der ersten Tage zufriedenstellend, auch die anderen Symptome gut zu kontrollieren.

Kurz vor der geplanten Entlassung traten häufige Schmerzeinbrüche auf. Die Entlassung wurde verschoben, diagnostische Maßnahmen mit der Fragestellung eines Tumorprogresses eingeleitet und eine Anpassung der Schmerztherapie vorgenommen. Danach entspannte sich die Situation wieder, der Patient war nun wieder zufriedener. Die Entlassung wurde erneut geplant, und es wiederholte sich die Problematik. Der Patient war zeitweise verzweifelt und unglücklich; bei den täglichen Übergaben überlegten wir Therapiestrategien, z. B. die Implantation einer Schmerzpumpe. Viel Zeit benötigten wir aber auch für das Besprechen unserer eigenen Frustration - so viel Energie, Gespräche, Zeit und pflegerische Aufwendungen durchzuführen -, die letztlich alle nicht zum Erfolg führten. Wir Pflegenden bedrängten den Stationsarzt, mit dem Patienten doch nun endlich die Entlassung zu besprechen; dieser konnte das Thema aber bei dem in der Visite oftmals schmerzgequält wirkenden Patienten nur unter großem Druck ansprechen.

Der Arzt bekam in unserem Team damit immer mehr die Rolle des Anwaltes des Patienten. Er musste häufig den Patienten, sich selbst und seine Entscheidungen verteidigen.

Wir Pflegenden wurden im übertragenen Sinne zu Angreifern, da wir immer wieder darauf beharrten, dass die Entlassung des Patienten doch unser angestrebtes Ziel war. Wir hatten keine Kraft mehr, dem Patienten immer wieder neu und offen zu begegnen. Blieben doch alle unsere Versuche, dem Patienten zu helfen, erfolglos. Wir wünschten uns, dass doch endlich jemand eine Entscheidung treffen möge. Es sollte aber natürlich die richtige Entscheidung sein, die sowohl für alle Teammitglieder als auch für den Patienten optimal war.

Im Rahmen einer Übergabe stellte unser Seelsorger die Frage: „Welchen Nutzen hat der Patient von seinen Schmerzen?” Es lag auf der Hand. Nur mit Schmerzen hatte er die Berechtigung, die schützende und bergende Sicherheit der Station erfahren zu können. Es wurde aber auch deutlich, dass es nicht das Ziel war, den Patienten bis zu seinem Lebensende auf der Station zu betreuen.

Dieses Gespräch führte dazu, dass wir mit dem Patienten versuchten, an seinen Ängsten zu arbeiten und darüber hinaus die Planung der Entlassung konsequent vorzubereiten.

Er wurde zwei Wochen später mit nur mäßiger Schmerzreduktion entlassen, was für uns sehr schwierig auszuhalten war; hatten wir unser Ziel der Schmerzfreiheit doch nicht erreicht.

Die Entscheidung zur Entlassung unter diesen Bedingungen war nicht leicht, aber wir erfuhren im Team Entlastung, da wir durch das Formulieren eines gemeinsamen Zieles wieder offen miteinander umgehen konnten. Jeder konnte wieder seine Fragen und Unsicherheiten offen äußern. Der Arzt war nicht mehr in der Rolle, uns permanent von der Richtigkeit seiner Ansicht zu überzeugen, und wir Pflegenden nicht mehr damit, auf der Entlassung zu beharren mit dem gleichzeitigen nagenden Gefühl von Schuld, dass der Entlassungswunsch auf unserer Unfähigkeit, dem Patienten helfen zu können, beruhen könnte. Die Begleitung dieses Patienten kostete viel Kraft, da wir uns nicht nur mit dem Patienten auseinandersetzen mussten, sondern in einem hohen Maße begannen, Überzeugungsarbeit zu leisten, um eigene Entscheidungen zu rechtfertigen und durchzusetzen.

Gleichzeitig haben wir aus dieser Situation viel gelernt. Sie hat uns gelehrt, wie wichtig das Erarbeiten einer Grundsicherheit, gegenseitigen Vertrauens und einer gemeinsamen Zieldefinition ist, da wir sonst dem Druck der Arbeit von innen und außen mit ihrem hohen Anspruch nicht dauerhaft standhalten können.

Der Patient konnte durch die Klarheit unserer Entscheidung zur Entlassung, die für ihn unumstößlich wirkte, letztlich genug Sicherheit bekommen, die Verantwortung für sein Leben, die er eigentlich uns übertragen hatte, wieder zu übernehmen. Wir haben ihm dies zugemutet; viel wichtiger ist aber, dass wir ihm dies damit letztlich zugetraut haben.

Er hat sich mit Unterstützung zu Hause wieder gut einrichten können, auch die Schmerzen wurden erträglicher. Wichtig war ihm die Zusicherung, die Palliativstation im Notfall wieder aufsuchen zu können. Dies war aber bis zu seinem Tod nicht erforderlich.

- Fehler zugeben können
Neben der Reflexion der eigenen Arbeit ist es sehr hilfreich, wenn es gelingt, Fehler zugeben zu können. Wir alle - unterstelle ich hier einmal - haben schon Fehlentscheidungen getroffen und Fehler gemacht. Die Rückmeldung an den anderen mit der schlichten Aussage: „Es tut mir leid, ich glaube, meine Einschätzung war falsch, oder es war ein Fehler” wird die eigene Position im Team nicht gefährden, sondern eher stärken.

- Selbstbewusstsein im Bezug auf die eigene Person
- Selbstbewusstsein im Bezug auf die eigene Profession

Diese beiden Bereiche sind von zentraler Wichtigkeit für gelingende Teamarbeit. Wenn jede Profession um den Wert ihrer eigenen Arbeit weiß ihn und anerkennt, muss diese nicht am Patienten erarbeitet werden. Dann können sinnvolle Abgrenzungen und Verantwortungsbereiche erarbeitet werden.

In der Palliativmedizin und Hospizarbeit, wo oftmals hierarchische Strukturen negiert wurden und vielleicht manchmal auch noch werden und inmitten eines großen wir zu verschwimmen drohen, treten zwangsläufig Probleme auf: Dann wird der Patient zum Medium der Klärung der eigenen Rolle und Hierarchien. Jeder wird dann versuchen, die eigene Wichtigkeit und das eigene Anliegen in den Vordergrund zu stellen, um dadurch Anerkennung zu bekommen und sich zu behaupten. Das kann so viel Energie binden, dass kaum Platz für die Belange bleiben, für die alle angetreten sind, nämlich den Patienten wirklich in den Mittelpunkt unserer Bemühungen zu stellen.

Genannt sei hier die Übergabesituation, in der jeder noch einmal einen Kommentar abgibt, obwohl eigentlich schon alles gesagt ist, nur um gesehen zu werden.

Durch ein gesundes Bewusstsein der eigenen Profession muss dieser Beweis nicht mehr vor den anderen erfolgen. Jeder kennt dann seinen Platz im Team und kann sich darauf konzentrieren, ob die eigene Einbindung für den Prozess hilfreich ist oder nicht, und kann sich dann auch einmal bescheiden zurückziehen.

- Gespür für Vertrauen und Vertraulichkeit
In der Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen erleben wir oft in sehr kurzer Zeit einen sehr intensiven und tiefen Einblick in das Leben und die Gedankenwelt eines Patienten und seiner Angehörigen. Einer der Patienten, der auf der Palliativstation begleitet wurde, sagte einmal dankbar: „Das schöne an dieser Station ist, dass hier jeder weiß, was mit mir ist.” Diese Aussage ist von zentraler Bedeutung, wichtig dabei ist aber, dass das nicht zwangsläufig heißt: Jeder bekommt alle Informationen, die der Patient mir im Gespräch gegeben hat. Deshalb hängen Vertrauen und Vertraulichkeit eng zusammen. Wer ein gutes Gespür für Vertraulichkeit entwickelt, wird mit dem Vertrauen des Patienten gut umgehen können. Wenn Zweifel auftreten, ob der Patient nur mir von seinen Sorgen berichtet hat, ist es hilfreich, den Patienten zu fragen, ob diese Information ins Team weitergegeben werden darf.

- Klare Arbeitsaufträge, klare Strukturen
Klare Arbeitsaufträge und Strukturen sind wesentliche Pfeiler in der Palliativmedizin und Hospizarbeit. Je klarer die Arbeitsaufträge und Strukturen sind, desto einschätzbarer ist die Arbeit. Durch das individuelle Arbeiten ist das Arbeitsfeld sehr komplex. Unser bekanntes Muster von: Ist das Problem erst einmal erkannt, ist es auch schon gebannt, ist im Hinblick des nahenden Todes oft keine Hilfe mehr. Wir sehen viele Probleme, können diese aber trotzdem nicht immer lösen. Und auch auf der strukturellen Ebene der Palliativmedizin und Hospizarbeit gibt es noch so viele Fragezeichen: Wo geht die Entwicklung hin, wo soll sie hingehen usw.

Beispiel:
Mein eigenes Arbeitsfeld ist oft geprägt von „einem bisschen von allem”. Und nichts wird richtig fertig. Wenn es ganz schlimm wird, sehne ich mich nach den Tagen der Arbeit zurück, wo ich die „Bettenbeziehrunden” sehr schätzte. 30 Betten beziehen, danach war es so richtig schön ordentlich und man wusste, was man getan hatte und warum man müde war. Diese Zeiten gibt es in der Pflege wohl kaum noch und das ist auch gut so. Dies Beispiel macht aber deutlich, dass ein klarer, definierter Arbeitsauftrag auch Spaß machen kann, weil der Erfolg messbar wird. Deshalb ist es entscheidend, Aufträge möglichst konkret zu formulieren. Dann wird aus einer vermuteten Erwartungshaltung eine konkrete Forderung. Über die kann dann ggf. diskutiert werden. Dies gilt sowohl für strukturelle Probleme, wie z. B. Dienstplangestaltung, als auch für Übergaberegelungen. Aber auch in der Begleitung ist es wichtig, Ziele, Möglichkeiten und Grenzen möglichst konkret zu formulieren und nicht nur prozesshaft auf sich zukommen zu lassen.

Damit ist nicht gemeint, dass alles bis ins Detail besprochen sein muss und auch nicht die Aussage: das ist nicht meine Aufgabe, wenn sie falsch verstanden ist, die dann Arbeitsprozesse oftmals lähmt. Zu Beginn eines neuen Arbeitsfeldes kann es durchaus angemessen sein zu sagen: Wir bearbeiten zunächst alles, und schauen erst einmal offen, was auf uns zukommt und was das für unsere Arbeit bedeutet. Wichtig ist dann aber, im zweiten Schritt Strukturen herauszuarbeiten.

Beispiel:
In unserem ambulanten Palliativdienst ist z. B. für jeden Mitarbeiter klar, dass wir prinzipiell keinen Nachtdienst anbieten. Dies können wir personell mit drei Krankenschwestern nicht darstellen. Es gibt dafür eine telefonische Nachtbereitschaft durch die Palliativstation. In definierten Ausnahmefällen wird diese Regel durchbrochen, z. B. manchmal beim Einsatz einer ambulant neu eingesetzten Medikamentenpumpe in einer Krisensituation. Hat ein Mitarbeiter das Gefühl, diese Regel aufheben zu müssen und Nachtbereitschaft anzubieten, muss er dies vor dem Team begründen. Dies führt dazu, dass wir miteinander überlegen, ob es wirklich eine Indikation zur Nachtbereitschaft gibt, oder ob wir eine andere Lösung anbieten können.

Prinzipiell könnte man vielleicht sagen: Wenn der Mitarbeiter es für sich möchte, ist es doch in seiner Verantwortung, zu entscheiden, ob er das Angebot des Nachtrufdienstes macht. Im Sinne von Teamarbeit ist dies aber keine gute Herangehensweise, weil die Schwelle eines jeden Kollegen, Zusatzangebote zu machen, unterschiedlich ist. Dies führt einerseits leicht zur Überforderung einzelner Mitarbeiter und andererseits zur Besetzung von Primatenrollen, ein Held bzw. jemand besonders Herausragender zu sein.

Durch das oben aufgeführte Vorgehen fungiert das Team in der Überprüfung der eigenen Rolle sozusagen als Zeuge

- Kompetente Leitung
Im Rahmen von Palliativmedizin und Hospizarbeit ist Leitung oftmals infrage gestellt worden. Für einen reibungslosen Ablauf, das Klären von Zuständigkeiten sowie der Übersicht des Ganzen, ist Leitung sehr hilfreich. Leitung ist allerdings nach wie vor oft mit dem Bild eines fauchenden, unkontrollierbaren Drachens verknüpft. Dieses Verständnis von Leitung gibt es hoffentlich heute kaum noch. Mir gefällt ein Leitungsverständnis, wie Klaus Aurnhammer dies auf dem letzten Kongress vorstellte:

„Dass Leitung sinnvoll ist, steht außer Frage, autonomiefördernd ist ein partnerschaftlicher Führungsstil. Die Kunst ist, so zu leiten, dass den Mitarbeitern Verantwortungs- und Entscheidungsraum bleibt. Dies ist möglich, wenn es eine klare Aufgabenverteilung gibt. Jeder erhält die Aufgaben, die seiner aktuellen beruflichen Kompetenz entsprechen. Die erfahrene examinierte Schwester wird andere Aufgaben erhalten als der Schüler im dritten Lehrjahr. Jeder trägt jedoch in seinem Aufgabenbereich Verantwortung, fällt selber Entscheidungen.”

Dann kann Leitung als Hilfestellung und nicht ausschließlich als gefürchtetes Kontrollinstrument erlebt werden.

Abschließend möchte ich betonen, nur einen kleinen Ausschnitt multidisziplinärer Teamarbeit beleuchtet zu haben.

Wenn es gelingt, die Kompetenzen des Einzelnen in seiner Person und Profession anzuerkennen und wertzuschätzen, müssen wir nicht wie ein Kapagirentesel zur Arbeit kommen, der die Kompetenz aller in sich vereint, sondern können uns als einzelne Personen mit unseren Stärken in diese Arbeit eingeben, in der Hoffnung, dass ein anderer unsere evtl. Schwächen mitträgt.

Dann kann ein Teamgefüge entstehen, in dem jeder seine professionellen Fähigkeiten entfalten und Verantwortungen leben kann. Ich wünsche mir, dass die multiprofessionelle Zusammenarbeit sich weiterhin gut und konstruktiv entwickelt. Der Auftrag von Palliativmedizin und Hospizarbeit ist dabei ein fruchtbarer und fester Boden.

Martina Kern

Pflegerische Leitung
Zentrum für Palliativmedizin
Malteser Krankenhaus Bonn-Hardtberg
Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität

Von-Hompesch-Straße 1

53123 Bonn

Email: Palliativ-Fortbildung.MTG@clinet.de

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