Sportverletz Sportschaden 2000; 14(3): 69-70
DOI: 10.1055/s-2000-7865
EDITORIAL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sportschuhe „Prävention und Leistung”

A.  Stacoff
  • Laboratorium für Biomechanik, ETH Zürich
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

Zwischen Mensch und Umwelt sind die Sportschuhe gewissermaßen das „Interface”. Sie sollen einerseits dazu beitragen, die Leistung des Sportlers zu verbessern, werden aber andererseits auch verantwortlich gemacht, wenn Verletzungen und Beschwerden auftreten. Ausgewählt werden Sportschuhe meistens aus Gründen des Komforts. Somit steht der Schuh zwischen den Gegensätzen Prävention und Leistung, die wiederum vom Komfort beeinflusst sind.

In dieser Ausgabe von „Sportverletzungen - Sportschaden” haben wir versucht, einige Aspekte zu diesen Gegensätzen zusammenzustellen. Die ersten drei Beiträge sind verschiedene Übersichtsartikel, die sich mit Prävention und Leistung beim Laufen aus jeweils unterschiedlicher Sicht befassen. Beitrag 4 ist der Stabilität der Sprunggelenke bei Seitwärtsbewegungen gewidmet und die Beiträge 5 und 6 diversen Problemen der Messmethodik.

Als erstes erfolgt eine Übersicht von Reinschmidt und Nigg bezüglich der wichtigsten Arbeiten in der Sportschuhforschung der letzten Jahre. Es wird deutlich, dass Prävention, Leistung und Komfort eines Schuhes nicht unabhängig voneinander entwickelt werden können, weil sich diese Aspekte gegenseitig beeinflussen. Ferner geht hervor, dass neben der mechanischen Überprüfung von Schuheigenschaften zukünftig noch vermehrt neuromuskuläre und propriozeptive Aspekte berücksichtigt werden sollten.

Einige Leser und Leserinnen mögen sich noch erinnern, dass „Energy-Return” anfangs der 90er Jahre im Marketing-Bereich beträchtliche Aufmerksamkeit erzielt hat. Im zweiten Beitrag präsentierten Stefanyshyn und Nigg eine Zusammenfassung bezüglich Energie-Überlegungen zum Thema Laufen und Laufschuhe. Der Beitrag macht klar, dass im Prinzip Energie in einer Schuhsohle zwar gespeichert werden könnte, dass jedoch erhebliche Probleme gelöst werden müssten, diese Energie dem Läufer auch wieder nutzbringend verfügbar zu machen. Vielversprechender scheint daher das Konzept „Minimalisierung des Energie-Verlustes” zu sein, wozu in Zukunft aber noch einige theoretische und experimentelle Beweise erbracht werden müssen.

Möchte man die Belastung einzelner Fußstrukturen ermitteln, dann ist die Messung der Druckverteilung wohl die geeignetste Messmethodik. Im dritten Beitrag, von Hennig und Milani, wird gezeigt, wie verschiedene Schuhkonstruktionen sich auf die Verteilung des Druckes am Fuß auswirken können und wie der Alterungseffekt von Laufschuhen die Druckverteilung im Schuh verändert. Dadurch kommt man einem Nachweis zwischen einer biomechanischen Messgrösse und gewissen Beschwerdebildern am Fuß einen wichtigen Schritt näher.

Im Gegensatz zum Laufen werden bei Seitwärtsbewegungen nicht die medialen, jedoch primär die lateralen Strukturen am Unterschenkel und Fuß belastet. Die Verletzungsstatistik dieser Strukturen ist beeindruckend hoch und verlangt nach Verbesserungen. Diesem Thema ist der vierte Beitrag gewidmet. Avramakis u. Mitarb. beschreiben die Wirksamkeit von hohen Schuhschäften und geeigneten Sohlenkonstruktionen auf die seitliche Stabilität der Sprunggelenke. Ferner werden einige Ideen skizziert, wie die Stabilität bei Seitwärtsbewegungen noch weiter verbessert werden könnte.

Wie bereits erwähnt, sind die letzten beiden Beiträge mehr methodisch orientiert. Grau u. Mitarb. zeigen auf, dass die heute noch weit verbreitete zweidimensionale Methode der Videoanalyse von Läufern eine sehr grosse Variabilität aufweist. Somit wird deutlich, dass ein objektiver Nachweis für beschwerdeauslösende Ursachen von Läuferproblemen (z. B. chronische Achillodynie) mit solchen Messsystemen nicht erbracht werden kann.

Von invasiven Arbeiten mit „Bone-pins” ist bekannt, dass der Kalkaneus im Vergleich zum Laufschuh nur etwa die Hälfte proniert, und dass somit externe Messungen (typischerweise an der Fersenkappe der Schuhe vorgenommen) die Bewegungen des darunter liegenden Knochens nicht repräsentieren. Invasive Arbeiten können jedoch kaum zur Routine werden, darum ist eine nichtinvasive Messmethodik, die die Fersenbewegung im Schuh vermessen kann, eine gerngesehene Entwicklung. Zu diesem wichtigen Thema haben Milani und Henning den letzten Beitrag geliefert.

Diese 6 Beiträge zeigen einen schönen Teil der heutigen Forschung im Bereich der Sportschuhe. Immer deutlicher wird, dass viel mehr im guten alten „Turnschuh” steckt als man auf den ersten Blick meinen könnte. Die vorliegenden Beiträge zeigen aber auch die heutigen Grenzen der Sportschuhforschung auf. Noch vermögen wir zum Beispiel den Nachweis zwischen definierten Messparametern und diagnostizierten Beschwerdebildern nach wie vor nicht eindeutig zu erbringen.

Wohin müsste folglich die Entwicklung in der Sportschuhforschung gehen? Es ist gut denkbar, dass Verbesserungen in der Forschung dann erzielt würden, wenn die Methodik und Messgenauigkeit verfeinert würden. Die Methodik deshalb, weil nebst den Aspekten der Prävention, Leistung und Komfort auch die Variabilität der Versuchspersonen die Aufgabe erschwert, Fortschritte in der Entwicklung von Sportschuhen nachzuweisen. Und Messgenauigkeit deshalb, weil der menschliche Bewegungsapparat auf äußere Einflüsse, z. B. auf Schuhe, sehr feinfühlig reagieren kann. Beispiele dazu sind in dieser Ausgabe einige zu finden.

Die nächste Gelegenheit, Fortschritte im Bereich Sportschuhforschung zu beobachten, bietet sich am Sixth Symposium on Footwear Biomechanics (5. - 7. Juli, 2001) in Zürich. Diese Veranstaltung der Technical Group on Footwear Biomechnics wird unmittelbar vor dem 18. Kongress der International Society of Biomechanics (ISB) im Sommer 2001 (8. - 13. Juli) an der ETH Zürich durchgeführt.

Weitere Informationen zum Footwear-Symposium:www.uni-essen.de/~qpd800/FW2001.html.Weitere Informationen zum ISB-Congress 2001:www.isb2001.ethz.ch

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