Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(11): 658-659
DOI: 10.1055/s-0043-119919
Fokussiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Methylenblau zur Augmentation von Kurzzeitimaginationsexposition bei posttraumatischer Belastungsstörung


Rezensent(en):
Bernd Lenz
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. November 2017 (online)

Methylenblau wird schon lange in der Medizin eingesetzt. Im Tiermodell beeinflusst es die Gedächtniskonsolidierung und -extinktion. Bei Menschen kann es die Wirkung von Expositionsverfahren bei Angststörungen verbessern.


Zoellner und Kollegen untersuchten in der hier referierten randomisierten placebo- und standardtherapiekontrollierten Studie doppelblind die Verträglichkeit und Wirkung von Methylenblau zur Augmentation von Kurzzeitimaginationsexposition bei posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS).


Von September 2011 bis April 2013 wurden 42 Patienten mit der Primärdiagnose einer chronischen PTBS (DSM-IV-TR) zu den folgenden drei Gruppen randomisiert: (1) Kurzzeitimaginationsexposition plus Methylenblau (260 mg nach den Expositionssitzungen 2–6, n = 15), (2) Kurzzeitimaginationsexposition plus Placebo (n = 16) und (3) Wartegruppe mit prolongierter Standardexpositionstherapie nach einem Monat Wartezeit (n = 11). In den Gruppen der Kurzzeitimaginationsexposition wurden in der ersten Sitzung psychoedukative Inhalte vermittelt; in den Sitzungen 2–6 erfolgten 50-minütige Imaginationsexpositionsübungen mit Nachbearbeitung. Die Wartelistengruppe erhielt nach dem 1-monatigen Warteintervall eine prolongierte Expositionsbehandlung mit 10 Standardsitzungen (zweimal wöchentlich).


Die Studienkohorte bestand aus 30 Frauen und 12 Männern mit einem mittleren Alter von 37,5 Jahren (Standardabweichung 12,4 Jahre). Das Indextrauma war bei 28,6 % ein nichtsexueller Übergriff, bei 19,0 % ein sexueller Übergriff, bei 11,9 % ein Unfall (z. B. mit dem Auto), bei 11,9 % ein Gefechtstrauma, bei 9,5 % eine Naturkatastrophe, bei 7,1 % ein sexueller Übergriff in der Kindheit, bei 4,8 % ein nichtsexueller Übergriff in der Kindheit und bei 7,1 % ein anderes Trauma. Vor Studieneinschluss waren 47,5 % der Teilnehmer in psychiatrischer Behandlung und alle Patienten mindestens einen Monat frei von Psychopharmaka (≥ 5 Wochen für Fluoxetin).


Während des Studienverlaufs zeigten sich in allen drei Gruppen deutliche klinische Verbesserungen, ohne dass sich die beiden Gruppen mit Kurzzeitimaginationsexposition nach 3 Monaten in der PTBS-Schwere signifikant von der Wartelistengruppe mit prolongierter Standardexpositionstherapie unterschieden. Auch bei den weiteren Endpunkten wie Depressivität und traumabezogenen negativen Annahmen differierten die Gruppen 1 und 2 nicht signifikant von Gruppe 3. Im Vergleich zur Placebogruppe kam es jedoch in der mit Methylenblau behandelten Gruppe zu einem besseren Behandlungsansprechen (Reliable Change Index; P = 0,05, number needed to treat = 7,5) und einer höheren Lebensqualität (P = 0,02, d = 0,58). Ein besseres Arbeitsgedächtnis zu Studienbeginn prädizierte eine signifikant stärkere Reduktion der PTBS-Schwere (P = 0,02, d = 0,66), der Depressivität (P = 0,04, d = 0,57) und der negativen Annahmen (P = 0,004, d = 0,80) unter Methylenblau im Vergleich zu Placebo. Außerdem zeigte sich in der mit Methylenblau behandelten Gruppe ein initial verzögertes Ansprechen mit einer beschleunigten Reduktion der Symptomlast im Verlauf.


Es kam zu keinen schweren Nebenwirkungen; die Gruppen unterschieden sich nicht signifikant in Bezug auf leichte bis mittelgradige Nebenwirkungen oder Dropouts (Gruppe 1: 33,3 %, Gruppe 2: 6,3 %, Gruppe 3: 36,4 %).