Handchir Mikrochir Plast Chir 2017; 49(04): 245-246
DOI: 10.1055/s-0043-117606
Kommentar
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar zum Beitrag: Schlichtungsverfahren nach Mammaaugmentationen – eine Analyse der Eingriffe mit Behandlungsfehler und Haftungsanspruch der Norddeutschen Schlichtungsstelle

Comment on the Article: Arbitration processes after mammary augmentation plasties – analysis of procedures with medical malpractice and litigation at the North German Arbitration Board
Raymund E Horch
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Publication History

07/25/2017

07/25/2017

Publication Date:
28 September 2017 (online)

Den Autoren ist wiederum für die Zusammenstellung der Ergebnisse der Begutachtung einer großen ärztlichen Schlichtungsstelle zu danken, die an anderer Stelle bereits für die Mammareduktionsplastiken geschildert wurden. Nachdem es sich bei der Mamma-Augmentation in den allermeisten Fällen nach Einschätzung der Kostenträger um eine nicht im Sinne des SGB V als medizinisch indiziert anzusehende Operation handelt, die Kosten von den Patienten selbst zu tragen sind, sind naturgemäß auch die Anforderungen an die präoperative Aufklärung und die gesamte perioperative Behandlungsführung deutlich höher anzusiedeln als bei einer Reduktionsplastik. Bekanntlich sollen die Verfahren bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammern her dazu dienen, unnötige Gerichtsverfahren abzuwenden. Sie sollen vor dem langwierigen Beschreiten des juristischen Weges somit auch unberechtigte Vorwürfe von Patienten ausräumen, oder aber berechtigte Anschuldigungen herausfiltern. Für viele beteiligte Kollegen ist es allerdings häufig nicht klar, dass das Verfahren auf der Freiwilligkeit beider Parteien beruht. Nur wenn beide Parteien einverstanden sind, kann der Begutachtung Prozess bei den Schlichtungsstellen in Gang gesetzt werden. In der vorliegenden Arbeit stellen die Verfasser fest, dass die Beschwerdehäufigkeit und die Feststellung von fehlerhaftem Verhalten der Ärzte nach Mamma Augmentationsplastiken mit 44 % fast doppelt so hoch ist wie im Durchschnitt bei anderen Operationen. Immerhin hatten bei 29 Fällen mit Haftungsanspruch die Gutachter Mängel bei der Operationsplanung und Operationsdurchführung gesehen. Dabei wurden besonders häufig mit 72 % die Art der Operationsplanung und mit 45 % die Schnittführung bemängelt. Es bleibt in der Arbeit etwas unklar, was genau als falsche Präparation einer Implantattasche oder als falsche Operationsmethode von den jeweiligen Gutachtern gesehen wurde. Auch ist es nicht klar, was genau ein „Nahtfehler“ ist. Ebenso lässt sich nur schwer nachvollziehen, warum ein unschönes Ergebnis oder eine unschöne Narbenbildung als fehlerhaft eingestuft wurden, da es sich dabei ja eher um die Problematik eines Werksvertrages handeln dürfte. Interessant ist jedenfalls die Tatsache, dass das Auftreten von Infektionen bei dieser Schlichtungsstelle nur eine marginale Rolle gespielt zu haben scheint. Gerade dieser Punkt ist aber häufig Gegenstand von Gerichtsverfahren, dass für Patienten naheliegt, beim Auftreten von Infektionen Ursachen für die vermutete Hygienefehler bei der Operation selbst zu suchen. Sowohl für die akute perioperative Phase als auch für den späteren Langzeitverlauf sind Infektionen nach Mamma-Augmentationsplastiken, ferner auch ein dadurch vermutete Zusammenhang mit Kapselkontrakturen, in der Literatur häufige Ursache der Auseinandersetzung zwischen Patient und Arzt [1,] [2].

Die relativ häufige Klage über eine postoperativ aufgefallene Asymmetrie, die in dieser Arbeit mit 79 % angegeben wird, sollte Anlass dazu geben, auch nur die kleinste präoperativ bestehende Asymmetrie intensiv mit den Patienten zu besprechen und darauf hinzuweisen, dass zwangsläufig nach einer der Mamma-Augmentation eine vorbestehende Asymmetrie optisch etwas stärker zutage treten kann. Die in anderen Ländern oft aus kommerziellen Gründen geübte Praxis der vorher- und nachher- Bilder Demonstration, ebenso wie die Computer-Simulation des künftigen Ergebnisses, ist daher äußerst kritisch zu sehen. Regelmäßig beziehen sich Patienten trotz möglicherweise intensiver Aufklärungsgespräche im Rechtsstreit auf solche Simulationen und Vergleichsbilder, da sie letztlich darauf gehofft haben, dass auch bei Ihnen sich das vorher optisch demonstrierte Ergebnis in ähnlicher Weise einstellen würde [3].

Die Motivation der Autoren, in Anbetracht der von Ihnen dokumentierten Haftungsfälle nach einer Mamma-Augmentationsplastik, mögliche Fehlerquellen im Zusammenhang mit diesem Operationsverfahren herauszufinden ist anerkennenswert. Für den Problembereich der äußerst intensiven präoperativen Aufklärung gibt der Artikel in Anlehnung an Tebbets hilfreiche Anregungen [4]. Es bleibt zu hoffen, dass die Lektüre dieser Aufzählungen von Haftungsfällen das Problembewusstsein für die genannten Aspekte im Zusammenhang mit Augmentationsplastiken schärft und dadurch im Sinne von Patienten und Operateuren auch zur Vermeidung derselben beitragen wird. Den Autoren ist trotz der Aufzählung dieser Problemfelder beizupflichten, das aber insgesamt die Mamma-Augmentationsplastik in den meisten Fällen zu einer Steigerung der Lebensqualität, einem positiven Effekt auf das Körperbild der Frau, und zu zufriedenen Patienten führt [5].

 
  • Literatur

  • 1 Paik AM. et al. A look inside the courtroom: an analysis of 292 cosmetic breast surgery medical malpractice cases. Aesthet Surg J 2014; 34 (01) 79-86
  • 2 Prantl L. et al. [Concept for a National Implant Registry to Improve Patient Safety]. Handchir Mikrochir Plast Chir 2016; 48 (06) 320-329
  • 3 Gorney M. Preventing litigation in breast augmentation. Clin Plast Surg 2001; 28 (03) 607-15
  • 4 Tebbetts JB, Tebbetts TB. An approach that integrates patient education and informed consent in breast augmentation. Plast Reconstr Surg 2002; 110 (03) 971-8 discussion 979–81
  • 5 Hidalgo DA, Spector JA. Breast augmentation. Plast Reconstr Surg 2014; 133 (04) 567e-83e