Z Gastroenterol 2016; 54(12): 1409-1410
DOI: 10.1055/s-0042-121851
Mitteilungen der DGVS
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wider die Zumutung

Contributor(s):
Wolfgang Schepp
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Publication Date:
13 December 2016 (online)

„Das DRG-System ist eine Zumutung für jeden Kliniker!“ Diesem Statement werden die meisten Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus zustimmen. Schließlich ist das Mantra von Effizienz und Ertragsoptimierung im ärztlichen Alltag nur schwer zu ertragen. Auf der anderen Seite ist eines glasklar: Die stationäre Versorgung in Deutschland wird weiterhin mit Fallpauschalen finanziert werden. Das ist gesundheitspolitisch in Stein gemeißelt. Die Zumutung bleibt. Dabei ist das DRG-System bezogen auf die Kosten der Gesamtheit aller deutschen Krankenhäuser gerecht. Schließlich werden alle Kosten von der Heizung bis zu Reinigung in 250 repräsentativen Krankenhäusern vom InEK erfasst und als Berechnungsgrundlage der DRG verwendet. Die Verteilung der Mittel über die Fachabteilungen ist aber unbefriedigend. Wäre auch die Verteilung der Erlöse auf die DRG gerecht, dann dürfte es keine ‚lukrativen‘ oder ‚defizitären‘ DRG geben und damit auch keine Überschüsse- oder Defizite-produzierende Fachabteilungen. Dies ist aber in der Realität der Fall und die Erklärung ist einfach: Einige Fächer haben ihre Kosten von Anfang an umfassend dokumentiert und damit eine sachgerechte Abbildung im DRG System ermöglicht, andere nicht. Die Gastroenterologie hatte hier eher Startschwierigkeiten.

Wer nun die Probleme erkannt hat, muss sich entscheiden: Beschränkt man sich aufs Klagen und lässt sich den Vorwurf der (unproduktiven) Larmoyanz gefallen oder geht man den steinigen Weg und sucht nach Möglichkeiten der Mitwirkung? Vor mittlerweile sechs Jahren hat sich die DGVS auf Initiative ihres Präsidenten Markus Lerch auf den steinigen Weg gemacht und mischt sich ein. Zwei Gründe stehen hierbei im Vordergrund:

Erstens: Wenn die Gastroenterologie als große und selbständige Disziplin bestehen will, dann braucht sie eine stabile Verankerung in der stationären Versorgung und eine kostendeckende Erstattung ihrer Leistungen. Nur mit prosperierenden Abteilungen lässt sich verhindern, dass Gastroenterologen in die Rolle von reinen Dienstleistern gedrängt werden und unser Fach ähnlich wie die Endokrinologie und Rheumatologie schrittweise in den ambulanten Bereich ausgelagert wird.

Zweitens: Das DRG-System basiert auf einer pragmatischen Idee. Der Kuchen für die stationäre Versorgung wird aufgeteilt nach dem Grundsatz: Höhere Pauschalen für aufwändigere Leistungen. Diese Logik stößt in der Umsetzung unvermeidbar an Grenzen. Schließlich haben die Organisatoren des DRG-Systems weder Spezialwissen zur Gastroenterologie noch einen eigenen Einblick in die Kostensituation vor Ort. Wer hier Einfluss nehmen will, muss sich mit fachärztlicher Expertise und (!) belastbaren Daten aus dem Echtbetrieb in die Diskussion mit dem InEK und damit in die Erlösfindung einbringen.

Daher betreibt die DGVS ein umfangreiches DRG-Projekt, das durch die Kommission „Medizinische Klassifikation und Gesundheitsökonomie“ betreut wird. Jeweils unter Federführung eines Mitgliedes engagiert sich die Kommission in drei Bereichen:

  • Um die Leistungen in der Gastroenterologie adäquat zuordnen zu können, wird jährlich ein eigener Kodierleitfaden für die Gastroenterologie erstellt (Bora Akoglu, Frankfurt),

  • um zusätzliches Geld für neue Arzneimittel und Medizinprodukte möglich zu machen, werden jährlich im Oktober NUB-Anträge zur Verfügung gestellt (Thorsten Brechmann, Bochum),

  • um eine angemessene Vergütung aufwändiger Leistungen zu ermöglichen, werden die notwendigen ICD- und OPS-Codes beantragt, Vorschläge für eine bessere Vergütung erarbeitet und Maßnahmen zur Erhöhung der Datenqualität vorangetrieben (Wolfgang Schepp, München).

Das Projekt zeigte bereits Wirkung. Im Bereich der teilnehmenden Krankenhäuser konnte errechnet werden, dass fast 50 Millionen Euro zusätzliche Mittel in deren Gastroenterologien gelenkt wurden. Eine Hochrechnung auf alle deutschen Krankenhäuser würde einen wesentlich höheren Euro-Betrag ergeben. Dieser Erfolg war nur möglich, weil die DGVS über einen Datenschatz von 2,5 Millionen Kostendatensätzen verfügt, der aus den circa 50 kooperierenden Krankenhäusern gespeist wird. Mit dieser „doppelten Autorität“ aus medizinischer Expertise der Fachgesellschaft und validen Daten aus der klinischen Praxis gelang es schließlich, mit dem InEK auf Augenhöhe über eine sachgerechtere „Abbildung“ der gastroenterologischen Leistungen zu diskutieren. Damit genießt die Gastroenterologie einen besonderen Vertrauensstatus, der ohne die an dem Projekt teilnehmenden Krankenhäuser nicht möglich gewesen wäre.

Um dieses Engagement fortzusetzen, ist die DGVS weiterhin auf die Unterstützung der Mitglieder vor Ort angewiesen. Wichtig ist es, jetzt, wo sich die ersten Früchte der Arbeit der letzten Jahre zeigen, nicht nachzulassen, sondern die Verbesserung der Qualität der gastroenterologischen Daten und den konstruktiven Diskurs mit dem InEK stetig fortzusetzen. Wenn wir jetzt nachlassen, verlieren wir den mühsam gewonnen Boden rasch wieder an konkurrierende Disziplinen.

Daher zum Abschluss eines erfolgreichen Jahres unser Appell: Nutzen Sie die Angebote der DGVS zum DRG-System und prüfen Sie, ob auch Ihr Haus einen Beitrag zu diesem Projekt leisten kann. Wenn Ihr Haus ein sogenanntes „Kalkulationshaus“ ist, können Sie mit Ihren Daten unsere Argumente gegenüber dem InEK stärken. Nutzen Sie den vom InEK offiziell approbierten Leistungskatalog zur Erstellung des §21-Datensatzes Ihres Hauses für das Datenjahr 2016! Dies ist – auch retrospektiv – mit wenig EDV-Aufwand möglich.

Zu Beginn des Jahres 2017 findet der alljährliche DRG-Workshop für Chefärzte, DRG-Beauftragte und Controller in Berlin statt. Der Workshop ist mittlerweile ein bewährter Treffpunkt für erfahrene Teilnehmer und eine gute Möglichkeit zum Erstkontakt für Engagierte und Interessierte. Kolleginnen und Kollegen aus „Kalkulationshäusern“ sind herzlich eingeladen!

Der Workshop steht unter dem Motto „Wie kann die Abbildung gastroenterologischer Leistungen in der DRG Kalkulation 2017 verbessert werden?“ und wird neben allgemeinen Informationen zu den Änderungen im DRG-System auch Spezialfragen, wie die retrospektive Anwendung des DGVS Leistungskatalogs, die (ab 2017 obligatorische) Zeiterfassung oder den Einfluss ärztlichen Handelns auf die Kostendaten streifen. Geplant ist wieder eine Plattform für Information, fachlicher Diskussion und kollegialem Austausch zum DRG-Projekt. Auch Newcomer sind herzlich willkommen!

Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung auf www.dgvs.de

DRG-Workshop 2017 der DGVS

Donnerstag, 12. Januar 2017, 11:00–16:00 Uhr

abba Berlin Hotel, Lietzenburger Str. 89, 10719 Berlin (Charlottenburg)

Organisation: Viviane Kljaic, DGVS-Büro, Kontakt: 030/ 31983150012, drg@dgvs.de