Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(03): 93-94
DOI: 10.1055/s-0042-108137
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Neonatologie
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Nahrungsmittelallergie – Hydrolysierte Säuglingsnahrung: Zweifel an Schutzwirkung

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Publication Date:
21 June 2016 (online)

Hintergrund: Die gesündeste Art der Säuglingsernährung ist die Muttermilch. Wenn jedoch mindestens ein enges Familienmitglied eine Nahrungsmittelallergie hat, empfehlen Leitlinien neben einem 6-monatigen Stillen auch hydrolysierte Säuglingsnahrung als Alternative. Vorangegangene Studien behaupten, dass hydrolysierte Säuglingsnahrung einen präventiven Schutz bewirken kann. In einem systemischen Review mit Metaanalyse untersuchte eine britische Arbeitsgruppe diese These und kam dabei zu einem anderen Ergebnis.

Methoden: Die Forscher durchsuchten die medizinischen Datenbanken Medline, Embase, Web of Science, CENTRAL und LILACS 37 nach prospektiven Interventionsstudien aus dem Zeitraum von Januar 1946 bis April 2015. Diese Studien verglichen die hydrolysierte Kuhmilchnahrung mit anderen hydrolysierten Ersatznahrungen, humaner Brustmilch oder einem standardisierten Kuhmilchrezept und untersuchten deren Effekt auf Allergien, autoimmune Zustände oder allergischen Sensibilisierungen. Die Studie schloss Daten von über 19 000 Teilnehmern ein. Die allergischen Parameter waren unter anderem Asthma, Ekzeme, allergische Rhinitis und / oder Konjunktivitis, Nahrungsmittelallergie, allergische Sensibilisierung und Typ-1-Diabetes.

Ergebnisse: Die Odd Ratio (OR) für Ekzeme bei Kindern im Alter von 0 bis 4 Jahren lag bei 0,84 (95 %-CI 0,67–1,07) für die teilweise hydrolysierte Muttermilch – verglichen mit Standard-Kuhmilchnahrung. Für extensiv hydrolysierte Kasein-basierte Milch lag die OR bei 0,55 (95 %-CI 0,28–1,09) und für extensiv hydrolysierte Molke-basierte Milch bei 1,12 (95 %-CI: 0,88–1,42).

Verglichen zum Stillen gab es keinen Unterschied hinsichtlich des Risikos für das Entstehen einer Lebensmittelallergie (OR für die hydrolysierte Säuglingsmilch 1,73, 95 %-CI, 0,79–3,80); für die extensiv hydrolysierte Säuglingsmilch lag die OR bei 0,86 (95 %-CI, 0,26–2,82). Auch auf den Typ-1-Diabetes hatte die extensiv hydrolysierte Säuglingsmilch keinen positiven Effekt: Die Risk Ratio lag bei 1,12 (95 %-CI, 0,62–2,02).

Fazit

Diese systematische Übersichtsarbeit lieferte keine Evidenz, dass die Anwendung von hydrolysierter Säuglingsnahrung bei Kindern mit familiärem Risiko effektiv Allergien oder Autoimmunerkrankungen verhindern kann. Vor diesem Hintergrund fordern die Autoren eine entsprechende Änderung der Ernährungsleitlinien, um bei den Eltern keine falschen Erwartungen zu wecken und um die Anreize zum Stillen nicht zu schwächen. Sie plädieren außerdem für mehr Forschung zu diesem Thema.

Dr. Marion Rukavina, Berlin