Zentralbl Chir 2015; 140(04): 456
DOI: 10.1055/s-0035-1546086
Leserbrief
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Stellenwert der minimalinvasiven Chirurgie bei der Behandlung der Leistenhernie und Pylorusstenose

The Significance of Minimally Invasive Surgery in the Treatment of Inguinal Hernia and Hypertrophic Pyloric Stenosis
R.-B. Tröbs
Klinik für Kinderchirurgie, Marienhospital Herne, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Herne, Deutschland
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Publication Date:
13 July 2015 (online)

Muensterer OJ. Der Stellenwert der minimalinvasiven Chirurgie bei der Behandlung der Leistenhernie und Pylorusstenose. Zentralbl Chir 2014; 139: 600–606

Sehr geehrte Herausgeber!

Mit großem Interesse las ich die Übersicht von Muensterer (Zentralbl Chir 2014; 139: 600–606) zur laparaoskopischen Operation der kindlichen Leistenhernie sowie der infantilen hypertrophen Pylorusstenose. Ein besonderes Verdienst dieser Arbeit besteht darin, dass die aktuellsten Entwicklungen aufgezeigt wurden, aber auch historische Pionierleistungen Erwähnung fanden.


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Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden Säuglinge mit einer Pylorusstenose überwiegend konservativ behandelt. Entsprechend eines umfassenden Reviews von Ibrahim (1908) waren chirurgische Methoden wie die Sprengung des Pylorusmuskels nach Nicoll und Loreta, die Gastroenterostomie oder die Pyloroplastik mit einer Letalität von meist über 50 % behaftet und schnitten im Ergebnis schlechter als die konservative Behandlung ab [7].

Betreffs des Operationsprinzips nennt Muensterer den Namen Ramstedt (Münster), der 1912 die extramuköse Spaltung des Pylorusmuskels ohne Naht anhand zweier Fälle publizierte. Dies war ein Meilenstein in der Säuglingschirurgie, da das Prinzip bis heute uneingeschränkt Anwendung findet. Ramstedt wiederum bezog sich in seiner Arbeit auf Weber (Dresden), der bereits in seiner 1910 veröffentlichten Arbeit über 2 erfolgreiche extramuköse Pyloromyotomien der Jahre 1908 und 1909 berichtete [6]. Weber ließ im Unterschied zur klassischen Pyloroplastik die Schleimhaut intakt und versuchte, die muskelhypertrophe Muskularis quer zu vernähen, „wobei diese Naht mehrfach durchschnitt und recht unvollkommen ausfiel“. Weber wiederum zitierte in seiner Publikation eine Arbeit von Fredet (Paris), der bereits 1907 gemeinsam mit Dufour über die extramuköse Pyloromyotomie mit Vernähung berichtete, wobei 2 von 3 Säuglingen überlebten [3], [5]. Auch Ramstedt war wissenschaftlich integer und zitierte Fredet im Nachhinein. So bürgerte sich im deutschsprachigen Raum die Benennung der Operation nach Weber und Ramstedt ein. Historisch besser begründet ist die Bezeichnung nach Fredet, Weber und Ramstedt [6]. Auch bez. der jeweils in Zusammenfassung und Text von Muensterer aufgeführten erstmaligen Publikation der laparoskopischen Pyloromyotomie durch Alain, Grousseou und Terrier im Jahr 1991 (Limoges) kann konkretisiert werden [2]. Diese Autoren publizierten die laparoskopische Pyloromyotomie bereits 1990, allerdings zunächst „nur“ französischsprachig in Chirurgie Pediatrique [1]. Die Zusammenfassung dieser Arbeit ist über „PubMed“ abrufbar. Überraschend führten die 3 Laparoskopiepioniere diese französische Arbeit nicht in ihrer unter gleicher Autorschaft publizierten englischsprachigen Arbeit auf. Hier berichten sie über ihre im Mai 1990 begonnene Serie von 10 Säuglingen im Alter zwischen 5 und 9 Wochen und mit einem Körpergewicht zwischen 2,63 und 5,40 kg, bei denen der Pylorusmuskel erfolgreich laparoskopisch gespalten wurde. Die Insufflation erfolgte über eine subkostal eingeführte Nadel und zur Anwendung kamen 3 Trokare mit 4 mm Durchmesser.

Somit waren es im Konzert einer schon vor mehr als 100 Jahren begonnenen internationalen kinderchirurgischen Entwicklung 2 französische Gruppen, denen die Priorität zukommt, Meilensteine bei der Behandlung der hypertrophen Pylorusstenose gesetzt zu haben. In Konkretisierung der im angloamerikanischen Sprachraum vorherrschend angegebenen Jahreszahl 1991 sind Erstanwendung und muttersprachliche Publikation der laparoskopischen Pyloromyotomie also bereits für das Jahr 1990 zu vermerken.

 
  • Literatur

  • 1 Alain JL, Grousseou D, Terrier G. [Extra-mucosa pylorotomy by laparoscopy]. Chir Pediatr 1990; 31: 223-224
  • 2 Alain JL, Grousseou D, Terrier G. Extramucosal pylorotomy by laparoscopy. J Pediatr Surg 1991; 26: 1191-1192
  • 3 Fredet P, Lesne E. Sténose du pylore chez le nourisson. Résultat anatomique de la pylorotomie sur un cas traité et guéri depuis 3 mois. Bull Mém Soc Nat de Chir 1908; 54: 1050
  • 4 Ramstedt C. Die Operation der angeborenen Pylorusstenose. Zentralbl Chir 1913; 40: 3-4
  • 5 Raffensperger J. Pierre Fredet and pyloromyotomy. J Pediatr Surg 2009; 44: 1842-1845
  • 6 Weber W. Ueber eine technische Neuerung bei der Operation der Pylorusstenose des Säuglings. Berliner Klinische Wochenschrift 1910; 17: 763-765
  • 7 Ibrahim J. Die Pylorusstenose der Säuglinge. Ergebn Inn Med Kdhlkd 1908; 1: 208-272