Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(4): 193-194
DOI: 10.1055/s-0034-1397901
Perinatalmedizin in Bildern
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Tumorerkrankungen und Schwangerschaft – Eine Schwangere mit Mammakarzinom

S. Findeklee
1   Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Magdeburg
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Publication Date:
26 August 2015 (online)

Fallpräsentation

38-jährige I. Gravida, I. Para, die sich mit 30 + 4 Schwangerschaftswochen (SSW) mit V. a. Rezidiv eines Mammakarzinoms des rechten oberen äußeren Quadranten auf Drängen ihrer Frauenärztin an unserem Zentrum vorstellte.

Der Tumor war 15 Monate zuvor an einer anderen Klinik infolge eines neu aufgetretenen palpablen Knotens rechts diagnostiziert worden. Histologisch handelte es sich um ein entdifferenziertes, hochproliferatives (ki67 90 %), tripelnegatives medulläres Karzinom (Tumorformel pT1cN1L1V0). Im Rahmen des Stagings fiel sonografisch im rechten Leberlappen ein kleiner echoreicher Herd von maximal 1 cm Größe auf, im MRT V. a. Leber-Metastase. Es wurden eine brusterhaltende Operation (BET) unter sonografischer Sicht und eine Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SNB) rechts durchgeführt. Im Schnellschnitt waren die beiden Sentinel-Lymphknoten tumorfrei; von insgesamt vier entnommenen axillären Lymphknoten rechts war jedoch einer tumorinfiltriert. Empfohlen wurde die PORT-Anlage zur adjuvanten Chemotherapie. Da die Patientin einen bestehenden Kinderwunsch äußerte, wurde sie an ein Kinderwunschzentrum überwiesen und nahm ein Beratungsgespräch über fertilitätsprotektive Maßnahmen vor der zytostatischen Therapie des Mammakarzinoms wahr. Letztlich entschied sie sich aber gegen eine Chemotherapie.

Ein halbes Jahr später stellte sie sich erstmals an unserem Brustzentrum wegen eines suspekten Tastbefunds rechts oben außen im Narbenbereich vor. Die Mammasonografie ergab ein Stadium BIRADS 5. Nach sonografischen Kriterien zeigten sich axilläre Lymphknoten-Metastasen rechts. Wir empfahlen bei dringendem V. a. Rezidiv eine weitere Abklärung durch MR-Mammografie und Stanzbiopsie. Dies wurde jedoch von der Patientin ebenfalls abgelehnt.

Ein weiteres Vierteljahr später wurde dann von der betreuenden Gynäkologin die Schwangerschaft festgestellt. Die werdende Mutter erhielt einen Mutterpass und konsultierte ihre Frauenärztin regelmäßig im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge. So erfolgte in der 19. SSW eine Ultraschall-Feindiagnostik, die einen unauffälligen Befund ergab. Mit 30 + 4 SSW kam es schließlich zur stationären Einweisung zwecks Lungenreifeinduktion, weil absehbar war, dass durch das Rezidiv des Mammakarzinoms mit deutlicher Progredienz und zunehmender Beeinträchtigung der Patientin eine vorzeitige Entbindung notwendig werden würde. Hierbei zeigte sich das klinische Bild eines fortgeschrittenen, die Haut infiltrierenden Mammakarzinoms ( [Abb. 1 und 2]). Es erfolgten die Lungenreifungsbehandlung, CTG-Kontrollen (physiologische fetale Herzfrequenz ohne Wehen) und eine Geburtsplanung. Die Entbindung wurde für die vollendete 34. SSW vorgesehen, zudem wurde ein geburtshilflich-kinderärztliches Beratungsgespräch über die Prognose des Kindes in Abhängigkeit vom Schwangerschaftsalter geführt. Während des eintägigen stationären Aufenthalts lehnte die an Brustkrebs erkrankte Schwangere sämtliche diagnostischen Maßnahmen wie Ultraschall oder Laboruntersuchungen ab und drängte nach Abschluss der Lungenreifeinduktion auf ihre unmittelbare Entlassung.

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Abb. 1 Seitliche Ansicht des die Haut infiltrierenden medullären Mammakarzinoms der rechten Brust.
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Abb. 2 Ventrale Ansicht des Mammakarzinoms mit sichtbarer Hautinfiltration.

Wegen zunehmender und immer schwerer zu tolerierender rechtsseitiger Brustschmerzen (trotz Umstellung der analgetischen Therapie von Oxycodon+Naloxon / Metamizol auf Fentanyl-TTS) wurde der geplante Kaiserschnitt bereits mit 33 + 5 SSW in Spinalanästhesie durchgeführt und die Pat. von einem männlichen Frühgeborenen (Na-pH 7,36, APGAR 8/9/10, Geburtsgewicht 2115 g [29.Perc.], Körperlänge 48 cm [73. Perc.], Kopfumfang 31 cm [24. Perc.]) entbunden.

Wegen einer milden respiratorischen Adaptationsstörung erfolgte eine Übernahme des Kindes auf die neonatologische Intensivstation zur CPAP-Atemunterstützung (FiO2 max. 0,34) für insgesamt drei Tage. Danach unauffälliger Verlauf, Verlegung auf die Säuglingsstation am 15. Lebenstag, dort kurze antibiotische Behandlung unter V. a bakterielle Infektion. Entlassung am 31. Lebenstag mit korrigiert 38 + 0 SSW und einem Gewicht von 3144 g, da eine häusliche Betreuung aufgrund der schweren mütterlichen Erkrankung zunächst nicht möglich gewesen war.

Der postpartale Verlauf bei der Mutter gestaltete sich zunächst unauffällig, sodass sie nach 24 Stunden von der Wachstation auf die Wochenstation verlegt werden konnte. Sie wurde mit Cabergolin abgestillt, erhielt wegen einer Anämie (Hb 6,2 mmol / l) Eisen-Tabletten sowie eine modifizierte Schmertherapie mit Fentanyl-TTS in reduzierter Dosis und Paracetamol i. v. Am 5. postpartalen Tag war bei regelrechtem geburtshilflichem Befund die Entlassung möglich. Wegen zunehmender Brustschmerzen erfolgte zwei Tage nach Entlassung eine erneute Dosiserhöhung des Fentanyl-TTS vor der Überleitung in die hausärztliche Schmerztherapie. Nachdem die Patientin noch am Entlassungstag einen pektoralen PowerPort über die V. jugularis interna links erhalten hatte, erfolgte am 28. postpartalen Tag der Beginn einer geplanten Chemotherapie mit 4 Zyklen Paclitaxel. Nach einem Zyklus brach die Patientin jedoch die zytostatische Behandlung wegen ausgeprägter Übelkeit und Schwindelsymptomatik ab. Stattdessen stellte sie sich in einer Reha-Klinik vor und nahm dort eine palliative naturheilkundliche Behandlung wahr, bis sie etwas mehr als 3 Monate nach der Entbindung verstarb.

 
  • Literatur

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