Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(4): 160
DOI: 10.1055/s-0034-1397900
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Neonatologie
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Extremely preterm infants – Frühgeburt an der Grenze zur Lebensfähigkeit

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Publication Date:
26 August 2015 (online)

Hintergrund: Die Entscheidung für oder gegen die Einleitung lebenserhaltender Maßnahmen bei extrem unreifen Frühgeborenen (≥ 22 SSW) ist für die behandelnden Ärzte und die Eltern häufig nicht leicht zu treffen. Die Beratungssituation wird auch dadurch erschwert, dass die verfügbaren Daten zum Überleben und zum entwicklungsneurologischen Outcome dieser Kinder eine große Varianz aufweisen. Die US-amerikanische Arbeitsgruppe hat untersucht, ob dies auf klinikspezifische Unterschiede bezüglich der Rate aktiver Erstversorgungen zurückzuführen ist.

Methoden: Kinder ohne kongenitale Malformationen, die zwischen 2006 und 2011 in einer dem „Eunice Kennedy Shriver National Institute of Child Health and Human Development Neonatal Research Network“ angeschlossenen Klinik vor Abschluss der 27. SSW geboren worden waren, wurden in die Studie eingeschlossen. Es wurde untersucht, welche Unterschiede bezüglich der Einleitung aktiv lebenserhaltender Maßnahmen zwischen den Kliniken nachweisbar sind und in wiefern sich diese auf das Überleben sowie das entwicklungsneurologische Outcome der Kinder im korrigierten Alter von 18–22 Monaten auswirken.

Ergebnisse: Die Daten von 4987 Kindern aus 24 Kliniken wurden ausgewertet. In 4329 Fällen (86,6 %) waren aktiv lebenserhaltende Maßnahmen erfolgt. Dies betraf 22,1 %, 71,8 %, 97,1 %, 99,6 % bzw. 99,8 % der Kinder mit einem Gestationsalter von 22, 23, 24, 25 bzw. 26 SSW. Von 4046 aktiv erstversorgten Kindern lagen entwicklungsneurologische Outcome-Daten vor. 65,0 % dieser Kinder überlebten, 56,1 % überlebten ohne schwere und 40,8 % überlebten ohne mäßige oder schwere entwicklungsneurologische Defizite. Alle 658 Kinder, bei welchen auf eine aktive Behandlung verzichtet worden war, starben innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt. Eine aktive Erstversorgung extrem unreifer Frühgeborener erfolgte in den einzelnen Kliniken mit sehr unterschiedlicher Häufigkeit: bei einem Gestationsalter von 22 SSW betrug der Interquartilsabstand (IQR) 7,7–100 %, mit 23 SSW 52,5-96,5 %, mit 24 SSW 95,2–100 % und mit 25 oder 26 SSW 100–100 %. Das Gesamtüberleben, das Überleben ohne schwere bzw. ohne mäßige oder schwere Defizite betrug bei den mit 22 SSW geborenen Kindern 5,1 % (IQR 0-10,6), 3,4 % (IQR 0–6,9) bzw. 2,0 % (IQR 0–0,7) und bei den mit 26 SSW geborenen Kindern 81,4 % (IQR 78,2-84,0), 75,6 % (IQR 69,5–80,0) bzw. 58,5 % (IQR 51,6-65,4). In der Subgruppe der mit 22 oder 23 SSW geborenen Kinder konnten 78 % der Unterschiede im Gesamtüberleben, 75 % der Unterschiede im Überleben ohne schwere Defizite sowie 41 % der Unterschiede im Überleben ohne mäßige oder schwere Defizite auf die jeweils Klinik-interne Rate aktiver Erstversorgungen zurückgeführt werden. Bei den mit 25 und 26 SSW geborenen Kindern hatten die Erstversorgungsraten der einzelnen Kliniken hingegen keinen Einfluss auf Unterschiede im Outcome der Frühgeborenen.

Fazit

Die in den einzelnen Kliniken etablierten unterschiedlichen Vorgehensweisen bezüglich der Entscheidung für oder gegen eine aktive Erstversorgung extrem unreifer Frühgeborener mit einem Gestationsalter von 22, 23 und 24 SSW erklären einige, jedoch nicht alle Varianzen hinsichtlich des Überlebens bzw. des Überlebens ohne entwicklungsneurologische Auffälligkeiten. Die zukünftige Forschung, so die Empfehlung der Autoren, müsse sich auf die Identifikation weiterer Faktoren, die zu Unterschieden im Outcome beitragen, konzentrieren.

Dr. Judith Lorenz, Künzell