Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49(10): 569
DOI: 10.1055/s-0034-1395167
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schmerzfreie Eingriffe – Wunsch, Weigerung, Wirklichkeit

Further Information

Publication History

Publication Date:
28 October 2014 (online)

Blutverlust, Infektion und Schmerz verhinderten über Jahrhunderte hinweg, dass sich operative Eingriffe zur Behandlung von Krankheiten durchsetzen konnten. Dabei zeigte sich die Menschheit seit dem Altertum sehr erfinderisch, wenn es darum ging, zumindest die Schmerzen zu bekämpfen: Phönizische und griechische Ärzte komprimierten z. B. die Halsschlagader ihrer Patienten, um sie während einer Operation in Ohnmacht zu versetzen. Der Begriff „Karotis“ leitet sich sogar von „karoun“ ab, dem griechischen Wort für „tiefer Schlaf“.

Im Mittelalter war der sog. Schlafschwamm weit verbreitet. Auf den „spongium somniferum“ träufelte man Pflanzenextrakte zur Analgesie und Narkose und legte ihn dem Patienten über Mund und Nase. Unter dem zunehmenden Einfluss des Christentums wurden Schlafmohn, Mandragora oder Bilsenkraut jedoch als Teufelskräuter verbannt. Darüber hinaus galten Schlafschwämme aufgrund der schlechten Dosierbarkeit und häufiger Narkosezwischenfälle schließlich als zu gefährlich.

Mit Beginn der Neuzeit kehrte man den Narkosetechniken des „finsteren Mittelalters“ dann endgültig den Rücken. Manche Stimmen behaupteten sogar, Schmerz sei eine Voraussetzung für Heilung. Um ein ruhiges Operationsfeld zu schaffen, standen nun ein paar kräftige Helfer bereit. Je stoischer ein Chirurg die gellenden Schmerzensschreie seiner Patienten ertrug, desto besser sein Ruf. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts blieb ein Gang zum Chirurgen die Ultima Ratio.

Erst mit der Entdeckung des Äthers als Schlüssel zu einer schmerzlosen Operation sollte das Martyrium der Patienten ein Ende haben. Am 16. Oktober 1846 nahm der Zahnarzt William Thomas Green Morton die erste öffentliche Äthernarkose im Massachusetts General Hospital in Boston vor. Bereits einen Monat später erschien in NEJM hierzu die Arbeit “Insensibility During Surgical Operations Produced by Inhalation by Henry Jacob Bigelow, M. D. one of the surgeons of Massachusetts General Hospital”. Anlässlich des 200-jährigen Bestehens der NEJM wählten die Leser diese als die bedeutendste Publikation, die jemals in der Zeitschrift erschienen ist. Der 16. Oktober wird seit 1896 weltweit als „Ether Day“ gefeiert und gilt als Geburtsstunde der modernen Anästhesie.

Die Fortschritte dieses Fachgebiets haben viele chirugische Eingriffe überhaupt erst ermöglicht und das anästhesiebedingte Mortalitätsrisiko kontinuierlich gesenkt. Bader, Barbiere und Wundärzte gehören eindeutig der Vergangenheit an. Dennoch kämpfen auch heute noch viele Patienten mit Ängsten vor Narkose und Schmerzen.

Um die breite Öffentlichkeit über die Sicherheit der modernen Anästhesie zu informieren und Patienten ihre Sorgen zu nehmen, haben BDA und DGAI dazu aufgerufen, den Weltanästhesie-Tag in Deutschland zu feiern – dieses Jahr zum dritten Mal. Aus Mangel an Informationen sollte niemand vor einer Operation zurückschrecken. Vielleicht macht der ein oder andere sogar eine ähnlich positive Erfahrung wie der Patient Klaus R. Nach einem erfolgreichen minimalinvasiven Eingriff am Herzen lauten seine ersten Worte im Aufwachraum: „Ich bin soweit. Sie können jetzt anfangen.“

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Herausgeber und Ihre Redaktion

Herausgeber

G. Geldner, Ludwigsburg

T. Hachenberg, Magdeburg

W. Koppert, Hannover

G. Marx, Aachen

N. Roewer, Würzburg

J. Scholz, Kiel

C. Spies, Berlin

H. Van Aken, Münster

H. Wulf, Marburg

K. Zacharowski, Frankfurt/Main

Experten-Panel

M. Adamzik, Bochum

B. Bein, Hamburg

E. Biermann, Nürnberg

J. Biscoping, Karlsruhe

B. Böttiger, Köln

M. Bucher, Halle

H. Bürkle, Freiburg

V. von Dossow, München

L. Eberhart, Marburg

U. Ebmeyer, Magdeburg

M. Fischer, Göppingen

J. Graf, Stuttgart

S. Grond, Detmold

U. Kaisers, Leipzig

C. Kill, Marburg

S. Kozek-Langenecker, Wien

P. Kranke, Würzburg

L. Lampl, Ulm

J. Martin, Ludwigsburg

A. Meißner, Soest

C. Nau, Lübeck

J. Pfeff erkorn, Stuttgart

J. Roesner, Rostock

P. Rosenberger, Tübingen

M. Schäfer, Berlin

T. Schnider, St. Gallen

T. Schürholz, Aachen

U. Schwemmer, Neumarkt

T. Standl, Solingen

F. Stüber, Bern

R. Sümpelmann, Hannover

T. Volk, Homburg/Saar

A. Walther, Stuttgart

F. Wappler, Köln

E. Weis, Nürnberg

C. Wunder, Würzburg

Organschaften

Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensiv medizin Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivmedizin

AINS indexiert in

Medline, Embase, Scopus Science Citation Index Expanded

Verlag

http://www.thieme.de/ains

http://www.thieme-connect.de/products