Z Sex Forsch 2014; 27(4): 303-327
DOI: 10.1055/s-0034-1385622
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gleichgeschlechtliche Familiengründungen

Eine qualitative Studie in Israel
Ulrike Schmauch
a   Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit
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Publication Date:
16 December 2014 (online)

Übersicht

Der Beitrag untersucht Zusammenhänge zwischen Homosexualität, Familiengründung und Reproduktionsmedizin in modernen Gesellschaften am Beispiel Israels. Die vermehrte Umsetzung des Kinderwunsches israelischer Lesben und Schwuler wird in den Kontext der familienorientierten Gesellschaft und der starken Förderung von Reproduktionstechnologien in Israel gestellt. Die Arbeit setzt sich mit Fragen nach der sozialen Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Elternschaft, nach individuellen Erfahrungen und Motiven sowie nach politischen und historischen Erklärungen für den schwul-lesbischen „Babyboom“ in Israel auseinander. Zu diesen Fragen wurde eine empirische Untersuchung mit 30 teilstandardisierten Interviews mit GesprächspartnerInnen unterschiedlicher sexueller Orientierung durchgeführt. Die Zunahme gleichgeschlechtlicher Familiengründungen in Israel verdankt sich, so die These, der spezifischen Konvergenz unterschiedlicher Interessen: (1) einem besonders ausgeprägten, auch kulturell bedingten Kinderwunsch von Lesben und Schwulen, (2) einer überdurchschnittlich hohen Dynamik der Reproduktionswissenschaft und -wirtschaft und (3) einem intensiven Interesse des Landes an jüdischem Nachwuchs. Vielschichtig erscheinen auch die Motive der Familiengründung gleichgeschlechtlicher Eltern. Sie reichen von selbstbewusster schwul-lesbischer Inanspruchnahme von Rechten bis zum Streben nach Normalisierung und zur Anpassung an sozialen Druck in der familienorientierten israelischen Gesellschaft. Der Beitrag schließt mit einer vergleichenden Diskussion der gleichgeschlechtlichen Familiengründungen in Deutschland.