neuroreha 2013; 05(04): 145-146
DOI: 10.1055/s-0033-1363030
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Wieder schlucken, ohne sich zu verschlucken“

Martin Lotze
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Publication Date:
04 December 2013 (online)

Jeder in der Rehabilitation Tätige kommt mit Schluckstörungen in Berührung. Das liegt schon daran, dass sie sehr häufig bei einer Schädigung des Gehirns – egal welcher Ursache – vor allem im Akutstadium auftreten. Außerdem sind die Patienten in den Rehabilitationskliniken zunehmend multimorbide, sie sind älter und die Einweisungen von den Akutkliniken erfolgen früher – drei weitere Gründe dafür, dass die Dysphagie immer häufiger in der stationären Rehabilitation auftritt.

Die Herausgeber der neuroreha haben sich deshalb entschlossen, mit dieser Ausgabe einen Überblick über den aktuellen Stand der Diagnostik, Therapie und der neurofunktionellen Forschung der Schluckstörungen zu geben. Dabei beschränken wir uns auf die neurogenen Dysphagien. Neurogene Schluckstörungen umfassen jedoch nicht nur Schluckstörungen nach plötzlichen Schäden des Gehirns wie nach Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma, sondern auch im Verlauf von Muskelerkrankungen, degenerativen Erkrankungen, einer Demenz oder einer Enzephalitis.

Weil Dysphagien sehr häufig sind und bei ganz unterschiedlichen Störungsbildern auftreten, ist die genaue Diagnostik der Störung entscheidend. Schlucken ist jedoch ein Vorgang, der meistens nicht mit dem bloßen Auge beobachtet werden kann. Aus diesem Grund existieren unterschiedliche Untersuchungsmethoden, die helfen, eine Schluckstörung zu erkennen oder den Schluckvorgang apparativ darzustellen. Christian Ledl gibt hier eine sehr anschauliche Übersicht über das Vorkommen, die Testung und die Diagnostik oropharyngealer neurogener Dysphagien. Er stellt in anschaulicher Weise dar, wie Verfahren wie z. B. die Videofluoroskopie oder die Endoskopische Diagnostik Hinweise für die Erkennung der Pathologie und für die Therapieentscheidung geben können.

Schluckstörungen sind vielfältig und häufig – nur eine individuelle Diagnostik und Therapie versprechen Erfolg.

Welche Schädigungen des Gehirns führen klinisch zu einer neurogenen Dysphagie und wie ist das Schlucken beim Gesunden repräsentiert? Funktionelle Bildgebung löst auf moderne Art und Weise das Rätsel. Der Artikel zur „Darstellung der zerebralen Steuerung des Schluckens“ gibt einen Einblick in die funktionelle Forschung und stellt neue Aspekte der neurophysiologischen Modulation der Sensorik und des motorischen Kortex dar.

„Castillo Morales, F. O.T. T., Funktionelle Dysphagietherapie und Manuelle Schlucktherapie“ – alles Namen der Therapiekonzepte, die derzeit zur Behandlung der neurogenen Dysphagie zur Verfügung stehen. Ulrike Starrost und Berit Schilling zeigen, welche Ansätze hinter den aktuellen Therapiestrategien stehen, welche Hintergründe zur Entwicklung der Methoden geführt haben und wie die einzelnen Verfahren hinsichtlich ihres derzeitigen Stellenwertes einzuordnen sind.

Wie sind diese Therapieverfahren hinsichtlich der Wirksamkeit zu beurteilen? Lebendig und leicht verständlich erklärt Edith Wagner-Sonntag evidenzbasierte Dysphagietherapie. Interessant für weniger Informierte ist die umfassende Darstellung des Hintergrunds des Begriffs „evidenzbasiert“. Edith Wagner-Sonntag stellt die Ermittlung von evidenzbasierter Therapie im Bereich der neurogenen Dysphagie historisch und in einer Übersicht der Verfahren dar. Die Zusammenfassung nutzt sie für einen Appell an die Therapeuten, ihre Behandlung kritisch zu sehen und mit anderen veröffentlichten Therapieverfahren hinsichtlich des „Outcomes“ zu vergleichen.

Paul Diesener befasst sich mit der Dysphagie im Kindesalter. Hierbei stellt er ein vielfältiges Spektrum von Ursachen dar, erfasst stichpunktartig die Vor- und Nachteile verschiedener diagnostischer Maßnahmen und stellt typische Fehler oder Probleme in der Diagnostik und Therapie kindlicher Dysphagien vor.

Insgesamt bin ich sicher, dass dieses Heft trotz der Vielfalt der Artikel einen spannenden Einblick in wesentliche Aspekte der neurogenen Dysphagie gibt, ohne den Anspruch haben zu müssen, umfassend zu sein.

Viel Vergnügen und den Mut, sich mit der neurogenen Dysphagie auseinanderzusetzen, wünscht Ihnen

Martin Lotze

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