Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9(2): 87
DOI: 10.1055/s-0033-1362515
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Referat – Strukturierte Blutzucker-Selbstmessung bei nicht-insulinabhängigem Diabetes

Stephan Martin
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Publication Date:
23 May 2014 (online)

Hintergrund: Der Nutzen der Selbstkontrolle der Blutzuckerkonzentration (self-monitoring of blood glucose; SMBG) bei Diabetes Typ 1 oder mit Insulin behandeltem Diabetes Typ 2 ist unbestritten. Fraglich jedoch ist er bei allein diätetisch oder medikamentös behandeltem Diabetes Typ 2. Eine Reihe von Studien konnte keinen Vorteil bei patientenrelevanten Outcomes nachweisen. Trotzdem wird das Vorgehen weiter untersucht, eine italienische Gruppe stellt nun neue Daten vor.

Methoden: Ein intensives, strukturiertes SMBG-Programm kann die Stoffwechselkontrolle bei nicht insulinabhängigem Diabetes verbessern. Das folgern Emanuele Bosi und seine Kollegen aus den Ergebnisse der 12-monatigen randomisierten Studie PRISMA (Prospective, Randomized Trial on Intensive Self-Monitoring Blood Glucose Management Added Value in Non-Insulin Treated Type 2 Diabetes Mellitus Patients). Die Studie hat in 39 italienischen Zentren zwischen Mai 2008 und Mai 2010 insgesamt 1024 Patienten im Alter zwischen 35 und 75 Jahren mit Diabetes Typ 2 ohne Insulintherapie und HbA1c-Konzentrationen zwischen 7 und 9 % aufgenommen. Die Patienten wurden einem von zwei Verfahren zugewiesen:

  • intensives SMBG (ISM) mit 4 Messungen pro Tag (vor dem Frühstück, vor dem Mittagessen, 2 Stunden und 5 Stunden nach dem Mittagessen, aber vor dem Abendessen) an 3 Tagen der Woche, davon 2 Arbeitstage und 1 Wochenendtag (Interventionsgruppe; n = 501); dabei waren exakte Zielwerte vorgegeben (Nüchternblutglukosekonzentration < 110 mg / dl und ein Unterschied < 50 mg / dl zwischen prä- und postprandialen Werten)

  • weniger intensives SMBG mit 3 Blutzuckertagesprofile mit jeweils 4 Messungen vor Studienbeginn, nach 6 und nach 12 Monaten (Kontrollgruppe; n = 523)

Die jeweiligen Blutzuckerprotokolle wurden dokumentiert, bei den Kontrolluntersuchungen in der Klinik in Monat 3, 6, 9 und 12 änderten die Untersucher bei Bedarf die Medikation und gaben Tipps zu Ernährung und körperlicher Aktivität, Ziel war eine HbA1c-Konzentration von unter 7 %. Dabei hatten sie nur in der ISM-Gruppe Zugriff auf die dokumentierten Werte. Beurteilt wurde als primärer Endpunkt nach 12 Monaten die Veränderung des HbA1c-Werts gegenüber dem Studienbeginn, sekundäre Endpunkte umfassten u. a. die Häufigkeit von Therapieänderungen, hypoglykämische Episoden sowie die Lebensqualität.

Ergebnisse: Bei der Auswertung zeigte sich in der Intent-to-Treat-(ITT-)Analyse für die Interventionsgruppe eine deutlichere Verminderung der HbA1c-Konzentration in Monat 12 (0,39 % vs. 0,27 % in der Kontrollgruppe; p = 0,013). Noch deutlicher wurde der Unterschied in der Per-Protocol-(PP-)Analyse, die nur 553 Patienten umfasste (ISM-Gruppe: n = 232 [46,3 % der ursprünglichen Gruppe]; Kontrollgruppe: n = 321 [61,4 % der ursprünglichen Gruppe]): Hier zeigte sich eine HbA1c-Verminderung um 0,45 % (ISM-Gruppe) gegenüber 0,24 % (Kontrollgruppe; p = 0,0007). Klinisch relevante HbA1c-Verminderungen (um 0,3 %, 0,4 % und 0,5 %) wurden jeweils häufiger in der Interventionsgruppe erreicht.

Darüber hinaus wurden in der Interventionsgruppe deutlich häufiger die Therapiemaßnahmen geändert (Dosierung und / oder Art der Medikation). Hypoglykämien insgesamt waren häufiger in der ISM-Gruppe zu finden, schwere Hypoglykämien traten allerdings nur zweimal auf, beide bei einem Patienten der Kontrollgruppe unter Behandlung mit einem Sulfonylharnstoffpräparat. Die Lebensqualität (diabetesspezifischer Fragebogen) war in den beiden Gruppen nach 12 Monaten vergleichbar.

Folgerung: Die intensive, strukturierte SMBG kann auch bei Patienten mit nicht insulinpflichtigem Diabetes die Stoffwechseleinstellung verbessern. Außerdem leistet sie dem behandelnden Arzt Hilfestellung für etwaige Therapieanpassungen, so die Autoren. Sie schränken allerdings auch ein, dass die Ergebnisse nicht unbedingt zu verallgemeinern sind: Zum einen beendete ein relativ hoher Anteil der Patienten die Studie vorzeitig, darüber hinaus waren die HbA1c-Konzentrationen schon zu Studienbeginn relativ niedrig (7,4 % bzw. 7,3 %) und damit nicht repräsentativ für die allgemeine DiabetesPatientenpopulation. Weitere Studien sollten untersuchen, wie eine strukturierte SMGB optimal in die Routineversorgung integriert werden kann.

Dr. Elke Ruchalla, Trossingen