Zentralbl Chir 2011; 136(5): 496-497
DOI: 10.1055/s-0031-1283743
Fort- und Weiterbildung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Aktuelle „Viszeralmedizin“ – 26. Vogtlandsymposium 2010, eine Nachlese

Current Visceral Medicine – The 26th Vogtland Symposium 2010 – Selected TopicsL. Meyer1 , F. Meyer2
  • 1HELIOS Vogtland Klinikum, Chirurgische Klinik, Plauen, Deutschland
  • 2Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Klinik für Allgemein-, Viszeral- & Gefäßchirurgie, Magdeburg, Deutschland
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Publication Date:
18 October 2011 (online)

In neu belebter Tradition des Chirurgischen Vogtland-Symposiums wurde nach der letztjährigen Veranstaltung, die zum Sommerausklang im idyllischen Bad Elster stattfand, nunmehr im Vorfeld des 1. Adventswochenendes 2010 wiederum ins bewährte Ambiente des Staatsbades, Kultur- und Kongressortes im südlichen Vogtland eingeladen. 

Veranstaltungstermin, Jahreszeit und schneebestimmtes Winterwetter trafen in geeigneter Weise zusammen, um der Veranstaltung einen würdigen vorfest­lichen Rahmen zu verleihen. 

Das Vogtland-Symposium hat sich eine anerkannte Stellung als regionale Weiterbildungsveranstaltung mit überregionaler Ausstrahlung erworben, die in den mehr als zwei Jahrzehnten ihres Bestehens entscheidend vom Engagement des ehemaligen Chefarztes der Chirurgischen Klinik, Inaugurator und Nestor der Veranstaltungsreihe, Herrn Prof. Fleischer, bestimmt wurde, der aktuell wieder Ehrengast war. Neben den ausgewiesenen Experten zu den aktuell anhängigen Themen in der deutschen und internationalen Allgemein- und Viszeralchirurgie, die stets einen großen Einzugsbereich aufwiesen, waren die fachspezifischen Treffen und berufspolitischen Diskussionen, die stets die alltagsmedizinische Relevanz im Auge hatten, einschließlich der Festabende als Tagungshöhepunkte fast legendär. 

Tagungsgastgeber sind nun aktuell die Chirurgische Klinik im Verbund mit der Klinik für Innere Medizin I des HELIOS Vogtland-Klinikums Plauen und ihre organisierenden und einladenden Chefärzte Dres. Meyer und Parulewski. Hervor­hebenswert ist die geäußerte Zusage der Geschäftsleitung, auch eine beabsichtigte Fortführung der traditionsreichen Veranstaltungsreihe in Zukunft zu unterstützen. 

In bewährter Weise wurden 4 Sitzungen mit je 3 Referenten zu Freitagnach- und Samstagvormittag angesetzt, um neben einer ausgiebigen Themenbehandlung durch den Vortragenden auch genügend Raum für eine erschöpfende Diskussion zu gewähren. 

Das vorjährige Thema „Magenkarzinom“, dessen Behandlung wesentlich auf den Studiendaten des AnInstitutes für Qualitätssicherung in der Medizin Magdeburg basierte [1] [2] [3] , hatte vor allem wegen der thematischen Breite von Epidemiologie über neoadjuvante und palliative Chemotherapie, Diagnostik und chirurgische Therapie bis zu Prognosefaktoren einen guten Anklang gefunden. 

In der grundlegenden Neukonzeption als interdisziplinäre, vizeralmedizinische Veranstaltung standen diesmal unter dem Motto „Viszeralmedizin 2010“ Themen zu Erkrankungen des Pankreas, zur Divertikulitis und zum Kolonadenom auf dem Programm, zu denen auch in diesem Jahr wieder einschlägige Spezialisten gewonnen werden konnten. 

Am Freitagnachmittag standen zunächst in zwei Sitzungen Pankreaserkrankungen im Vordergrund. Michael Hocke (Meiningen) berichtete über die neu entwickelten sonografischen und vor allem endosonografischen Möglichkeiten in der bild­gebenden Diagnostik, insbesondere unter Verwendung eines i. v.-Kontrastmittels [4]. Es wurde u. a. angeregt diskutiert, inwieweit eine qualitätsgerechte EUS, die noch dazu durch eine Kontrastmittel­anwendung optimiert ist, in relevanter Verbreitung im klinischen Alltag nutzertaugliche Anwendung findet. Nach komplettierender und unabdingbarer radiologischer Diagnostik, die sich fortsetzend auch mit dem thematischen Dauerbrenner der dignitätsklärenden Bildgebung ­einer „Unklaren Raumforderung im Pankreaskopf“ auseinandersetzte, wurde über die endoskopisch-interventionelle Therapie bei Pankreaserkrankungen referiert. Höhepunkt waren zweifellos die Aus­führungen von Jörn Bernhardt (Rostock) zur endoskopischen Nekrosektomie bei akuter Pankreatitis, die bei moderater interventionsassoziierter Morbidität eine entscheidende Minderung der OP-traumatischen Invasivität ausmacht, jedoch weitere klinische multizentrische Fall­zahl­erhöhung, Prozedurenvergleich und Langzeitbeobachtungen erfahren muss. 

Das Thema „Chirurgische Therapie von Pankreaserkrankungen“ (Frank Meyer, Magdeburg) fokussierte sich auf die resektive Therapie von chronischer Pankreatitis und Pankreaskarzinom, wobei sehr offen die operativen, teils noch diskutierten ­Aspekte wie OP nach Kausch-Whipple versus Pylorus-erhaltende Pankreaskopfresektion, zwingende T-Dränage, Anastomosentechnik und -lokalisation, Qualitätssicherung in der Pankreaschirurgie dargestellt und erörtert wurden. 

Es schlossen sich an Ausführungen zum „Umgang mit postoperativen Komplikationen nach Pankreaschirurgie“ (Lutz Meyer, Plauen), die die Anastomosen­insuffizienz, postoperative Pankreatitis, Pankreasfistel und Blutungskomplikationen auf der Basis eigener Daten und der aktuellen Literatur [5] behandelten. 

Der 1. Symposiumstag wurde beschlossen mit Betrachtungen zu den „Postopera­tiven Folgezuständen nach Pankreaschirurgie“ aus endokrinologischer Sicht (Ingolf Morgenstern, Plauen), ein vor allem für chirurgische Kollegen oft nicht so vordergründig präsentes und daher umso interessanteres Thema. 

Am 2. Tag stand in der ersten Sitzung zunächst die „Divertikulose – Divertikulitis“ zur Diskussion. Nach der Behandlung der Möglichkeiten und Grenzen der internistisch-konservativen Therapie durch Beate Walther, Plauen, gab Jörg-Peter Ritz, Berlin / Schwerin, einen Überblick über den aktuellen Stand der chirurgischen Behandlung, besonders eingehend auf die immer wieder kontrovers diskutierten Fragen der Operationsindikation und des Operationszeitpunktes bei der rezidivierenden Divertikulitis. Konsensfähig sind hier zurzeit die spätelektive Operations­indikation bei der schweren Divertikuli­tis (severe diverticulitis oder Hansen / Stock II b) sowie die Bevorzugung der kontinuitätserhaltenden Resektionen [6] [7] . 

„Die laparoskopische Resektion als Standardverfahren zur operativen Therapie der rezidivierenden Sigmadivertikulitis“ (Stephan Gretschel, Berlin) setzt sich zunehmend durch, wobei gerade die Versorgung im Akutstadium außerordentliche Expertise voraussetzt und mit einer nicht unbeträchtlichen Umstiegsrate assoziiert sein kann. 

Als abschließendes Sitzungsthema wurde über „Das große Kolonadenom“ vorgetragen, das vorzugsweise im linken Hemi­kolon mit ausreichend dicken Kolonwandschichten durchaus mit einer endoskopischen Abtragung als probate Herangehensweise versorgt werden kann, wobei zwischen endoskopischer Mukosa­resektion (EMR) und endoskopischer Submukosadissektion (ESD) zu unterscheiden ist (Michael Hünerbein, Berlin). Über ein mögliches ambulantes Setting ist verantwortungsbewusst zu entscheiden (Thomas Schädlich, Ellefeld / Plauen). 

Für die pathohistologische Untersuchung ist die möglichst komplette endoskopische Abtragung des adenomatösen Lokalbefundes anzustreben für eine kompetente Beurteilung insbesondere im Abtragungsbereich (Julia Bertolini, Leipzig). Histomorphologisch sind die Adenom­typen zu unterscheiden, wobei in letzter Zeit neben den konventionellen Wachstumsformen (tubulär, tubulovillös, villös) den serratierten Adenomen (traditionell serratiert und sessil serratiert) besondere Aufmerksamkeit gilt. Im Falle des Vorliegens eines Karzinoms soll die neue TNM-Klassifikation 2010 Zusatzbefunden, z. B. Satelliten als auch dem peritumorösen Lymphknotenbefall weit spezifischer Rech­nung tragen. 

Das Symposium war ein Erfolg, in beabsichtigter Weise wurde die Brücke zwischen klinisch-akademischer Medizin und klinischem Alltag, zwischen ambulantem und stationärem Setting, zwischen bewährtem Vorgehen und neuen Trends hergestellt. Nicht zuletzt wies das Symposium hohes Weiterbildungspotenzial nicht nur für den viszeralmedizinischen Nachwuchs auf [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] . 

Organisatoren und Teilnehmer sind sich darüber einig, das schlüssige Konzept der interdisziplinären Diskussion viszeral­medizinischer Krankheitsbilder mit den Vogtland-Symposien der nächsten Jahre weiter zu verfolgen. Termin und Thema für „Viszeralmedizin 2011“ stehen schon fest: Wiederum am 1. Adventswochen­ende (25. / 26.11.2011) werden an gleicher Stelle im Königlichen Kurhaus Bad Elster Erkrankungen des gastroösophagealen Überganges, der Schilddrüse sowie Paradigmenwechsel in der Behandlung akuter entzündlicher Baucherkrankungen Gegenstand der Diskussion sein. 

Literatur

  • 1 Meyer L, Gastinger I, Lippert H et al. Prospektive Multizenterstudie zur Chirurgie des Magenkarzinoms – Ein Beitrag zur klinischen Versorgungsforschung.  Zentralbl Chir. 2005;  130 97-105
  • 2 Meyer L, Meyer F, Lippert H East German Study Group for Quality Control in Operative Medicine and Regional Development in Surgery et al. Insufficiency risk of esophagojejunal anastomosis after total abdominal gastrectomy for gastric carcinoma.  Langenbecks Arch Surg. 2005;  390 510-516
  • 3 Meyer L, Ridwelski K, Meyer F et al. Qualitätssicherungsstudie zum Magenkarzinom in Deutschland.  Onkologe. 2008;  14 396-402
  • 4 Hocke M, Schulze E, Gottschalk P et al. Contrast-enhanced endoscopic ultrasound in discrimination between focal pancreatitis and pancreatic cancer.  World J Gastroenterol. 2006;  12 246-250
  • 5 Sülberg D, Chromik A M, Köster O et al. Prävention und Management von postoperativen Komplikationen in der Pankreaschirurgie.  Zentralbl Chir. 2010;  135 129-138
  • 6 Ritz J P, Reissfelder C, Holmer C et al. Ergebnisse der Sigmaresektion bei akuter und komplizierter Divertikulitis – Wie und wann operieren?.  Chirurg. 2008;  79 753-758
  • 7 Ritz J P, Lehmann K S, Frericks B et al. Outcome of patients with acute sigmoid diverticulitis: multivariate analysis of risk factors for free perforation.  Surgery. 2011;  149 606-613
  • 8 Bärthel E, Schöne U, Scheuerlein H. Wie sollte die chirurgische Ausbildung idealerweise konzipiert sein? – Antworten und Anregungen aus Sicht des Assistenten.  Zentralbl Chir. 2010;  135 464-466
  • 9 Brauer R B, Harnoss J-C, Lang J et al. Qualität und Qualitätssicherung der Lehre in der Chirurgie – Empfehlungen aus einem Workshop der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung.  Zentralbl Chir. 2010;  135 18-24
  • 10 Brücher B LDM. Theodor-Billroth-Akade­mie® – Aktive Nachwuchsförderung zukünftiger Chirurgen.  Zentralbl Chir. 2010;  135 458-463
  • 11 Niedermeyer M. Der Chirurg als Trainer und Mentor.  Zentralbl Chir. 2010;  135 475-479
  • 12 Pape-Koehler C, Chmelik C, Åslund A M et al. OP-Lehre multimedial und interaktiv: Web­op – ein Ansatz zur Verbesserung der chirurgischen Weiterbildung.  Zentralbl Chir. 2010;  135 467-471
  • 13 Pape-Köhler C, Chmelik C, Rose M et al. Moderne Didaktik in der chirurgischen Weiterbildung – zwischen Anspruch und Wirklichkeit.  Zentralbl Chir. 2010;  135 575-579
  • 14 Scheuerlein H, Settmacher U. Gedanken zur Aus- und Weiterbildung zum Chirurgen – gestern, heute und morgen.  Zentralbl Chir. 2010;  135 451-457
  • 15 Schlein U, Hager-Van Der Laan J. Kommunikation ist der kritische Erfolgsfaktor (nicht nur) in der Aus- und Weiterbildung.  Zentralbl Chir. 2010;  135 472-474

Prof. Dr. F. Meyer

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