Zentralbl Chir 2010; 135(2): 181-182
DOI: 10.1055/s-0030-1247301
Kommentar

© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Hochpräzisionsstrahlentherapie im Körperstammbereich

Kommentar zu Rentsch M et al.: Cyberknife® – Chirurgie mit dem Strahlenmesser – Hoffnung für Patienten mit inoperablen MetastasenStereotactic High Precision Body RadiotherapyComment to Rentsch et al.: Cyberknife® Surgery with a Radio-Scalpel: A New Treatment Option for Patients with Unresectable MetastasesF. Momm1
  • 1Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Strahlenheilkunde, Freiburg i. Br., Deutschland
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Publication Date:
26 March 2010 (online)

In der Arbeit von Rentsch et al. werden die vielversprechenden Erfahrungen der Autoren mit dem Cyberknife® dargestellt, die komplexe Technik dieses Gerätes erläutert und mögliche Perspektiven für die Zukunft aufgezeigt.

Die Behandlung mit dem Cyberknife® gehört zu den stereotaktischen Hochpräzisionsstrahlentherapien. Bei dieser Art der Strahlentherapie wird die effektive lokale Behandlung von Tumoren mit sehr hohen Einzeit-Strahlendosen durch eine hochpräzise Positionierung des Patienten ermöglicht: Die maximale Lagerungsgenauigkeit erlaubt sehr kleine Zielvolumina mit minimalen Sicherheitsrändern, was wiederum das bestrahlte Volumen minimiert und die hohen Einzeldosen gut verträglich macht.

Das Gerät, mit dem die Dosis präzise auf den ­Tumor appliziert wird, ist dabei zunächst zweitrangig: Das Cyberknife® ist eine Möglichkeit zur Umsetzung hochpräziser Bestrahlungstechniken. Eine andere – bei den meisten Indikationen gleichwertige – Möglichkeit ist die Radiochirurgie mit herkömmlichen Linearbeschleunigern (LINAC), die mittlerweile seit mehr als 10 Jahren angewandt wird [1]. Derzeit gibt es keine Daten über einen Vergleich zwischen der LINAC-Radiochi­rurgie bzw. LINAC-Körperstammstereotaxie und dem Cyberknife®. Die Bestrahlung mittels Cyberknife® bietet jedoch als neues, an bisher nur ­kleinen Serien erprobtes Therapieverfahren ein interessantes Entwicklungspotenzial. Bei verhältnismäßig langen Bestrahlungszeiten, insbeson­dere für größere Volumina, eignet es sich besonders für die Einzeitbestrahlung kleiner Herde. ­Einen Vorteil bietet das Cyberknife® durch seine weit entwickelte Gating-Technik, d. h. durch die ständige Anpassung des Bestrahlungsvorgangs an die Beweglichkeit des Zielvolumens, z. B. durch die Atmung des Patienten. Die Einpassung des Cyber­knifes® in komplexe Behandlungsprotokolle muss aber zunächst in klinischen Studien, bevorzugt an universitären Zentren, überprüft werden. Auch eine Weiterentwicklung des Gerätes an sich kann nur in der engen Zusammenarbeit der klinischen mit der technologischen Forschung erfolgen. Dabei ist eine ausgewiesene strahlentherapeutische bzw. strahlenbiologische Expertise, vor allem im Hinblick auf die Wirkung hoher Einzeldosen vonnöten. Die LINAC-Radiochirurgie bzw. LINAC-Körperstammstereotaxie befindet sich bereits in diesem für das Cyberknife® noch anzu­strebenden klinischen Entwicklungsprozess und hat sich im Laufe der Zeit entsprechend technisch und klinisch weiterentwickelt [2]: So werden auch hier für den Patienten komfortable Gating-Prozesse angewandt. Zusätzlich kann die Präzi­sion der lokalen Strahlenapplikation bei der ­LINAC-Radiochirurgie direkt am Gerät mit CT-Technik (cone-beam CT) kontrolliert und verifiziert werden. Gegenüber den am Cyberknife® verwendeten Röntgentechniken ist durch das CT auch eine direkte Beurteilung von Weichteilstrukturen (z. B. Lungenherde) möglich. Weiterhin kann am LINAC die Therapie zeitsparend mit Aufnahmen aus dem Nutzstrahl direkt verifiziert werden.

Im Schädelbereich gilt die LINAC-Radiochirurgie bereits als etablierte Standardtechnik [3]. Seit Mitte der 1990er-Jahre wird an einigen deutschen Institutionen auch die Körperstammstereotaxie mit herkömmlichem LINAC betrieben [4] [5] . Mittlerweile kann man auf große Erfahrungen mit dieser Technik verweisen, besonders im Bereich der Lunge und der Leber, wo weltweit jeweils ­bereits mehrere hundert Patienten sowohl mit Metastasen als auch mit kleinen Primärtumoren behandelt worden sind. Bei entsprechend hohen und nach erfolgreichen Phase-I-Studien etablierten Dosierungen werden Lokalkontrollraten von über 90 % erreicht [6] [7] . Mittlerweile wird der Benefit der LINAC-Körperstammstereotaxie für die Patienten in Phase-III-Studien untersucht.

Um die Vorteile der Hochpräzisionsstrahlentherapie optimal für die Patienten zu nutzen, ist es essenziell, diese Techniken in den Kontext anderer, lokaler Behandlungsverfahren für Metastasen einzuordnen [8]. So kann eine stereotaktische ­Bestrahlung z. B. auch dann angewandt werden, wenn die Metastase in einer anatomisch ungünstigen Region lokalisiert ist, die eine Operation oder Radiofrequenzablation unmöglich macht.

Drei entscheidende Faktoren sind ganz allgemein für die stereotaktische Strahlentherapie im Körperstammbereich zu fordern:

Eine präzise Bestimmung des Zielvolumens in der Bestrahlungsplanung: Hierbei muss der Strahlentherapeut direkten Zugriff auf alle Möglichkeiten der modernen Bildgebung ­erhalten (vor allem CT, MRT, PET). Am sinnvollsten ist die direkte Einspielung der ­Bildgebungsdaten in das Bestrahlungsplanungssystem und ein entsprechendes Über­einander­legen der verschiedenen Bilder („Matching“). Dies gelingt bei extrakraniellen Bestrahlungslokalisationen nur dann komplikationslos, wenn die Patientenlagerung bei allen bildgebenden Verfahren die exakt gleiche ist und erfordert eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Strahlentherapie, diagnostischer Radiologie und Nuklearmedizin. Solide strahlenbiologische Grundlagen: Bei der Applikation hoher Dosen muss sehr genau auf das den Tumor umgebende Gewebe und die entsprechenden Grenzdosen geachtet werden. Ein Überschreiten der Grenzdosen kann zu erheblichen Nebenwirkungen führen, sodass speziell Dosisverteilungen in Bestrahlungsplänen mit hohen Einzeit-Dosen immer unter strahlenbiologischen Gesichtspunkten kontrolliert werden müssen. Je nach Bedarf kann bei der stereotaktischen Bestrahlung die Dosis dann auch fraktioniert appliziert werden. Weiterhin können durch das sogenannte „dose painting“ über Methoden der intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) biologisch verschiedene, d. h. beispielsweise unterschiedlich strahlenempfindliche Tumoranteile auch mit unter­schiedlichen Dosen bestrahlt werden. Höchste Präzision in der Positionierung des Patienten und bei der Verifikation der eigentlichen Bestrahlung: Durch ­moderne Verfahren der Positionierungskontrolle sollte durch die Anwender aller derzeit verfügbaren Hochpräzisions­bestrahlungsanlagen eine Genauigkeit von 2–3 mm in einer für den Patienten komfortablen Lagerung gewährleistet ­werden.

Die beschriebene engste Kooperation der Bereiche Strahlentherapie, Strahlenbiologie, Radiodiagnostik, Nuklearmedizin und Technik muss zusätzlich, insbesondere bei der Indikationsstellung, durch eine Expertise aus allen anderen onkologisch tätigen Fachbereichen ergänzt werden: Nur in der engen und vertrauensvollen interdisziplinären Zusammenarbeit, am besten in ­einem koordinierten Tumorzentrum und auf der Basis akribischer wissenschaftlicher Arbeit kann die stereotaktische Hochpräzisionsbestrahlung erfolgreich eingesetzt werden. Dann gilt tatsächlich uneingeschränkt: Stereotaktische Hochpräzisions­strahlentherapie mit LINAC oder Cyberknife® – Hoffnung für Patienten mit inoperablen Metastasen.

Literatur

  • 1 Uematsu M, Shioda A, Tahara K et al. Focal, high dose, and fractionated modified stereotactic radiation therapy for lung carcinoma patients: a preliminary experience.  Cancer. 1998;  82 1062-1070
  • 2 Grosu A L, Molls M, Zimmermann F B et al. High-precision radiation therapy with integrated biological imaging and tumor monitoring: evolution of the Munich concept and future research options.  Strahlenther Onkol. 2006;  182 361-368
  • 3 Grosu A L, Feldmann H J, Stärk S et al. Stereotactic radiation therapy with a modified linear accelerator in patients with brain metastases.  Nerven­arzt. 2001;  72 770-781
  • 4 Herfarth K K, Debus J, Lohr F et al. Stereotactic single-dose radiation therapy of liver tumors: results of a phase I / II trial.  J Clin Oncol. 2001;  19 164-170
  • 5 Wulf J, Hädinger U, Oppitz U et al. Stereotactic radiotherapy of targets in the lung and liver.  Strahlenther Onkol. 2001;  177 645-655
  • 6 Rusthoven K E, Kavanagh B D, Cardenes H et al. Multi-institutional ­phase I / II trial of stereotactic body radiation therapy for liver metastases.  J Clin Oncol. 2009;  27 572-1578
  • 7 Lee M T, Kim J J, Dinniwell R et al. Phase I study of individualized stereotactic body radiotherapy of liver metastases.  J Clin Oncol. 2009;  27 1585-1591
  • 8 Timmerman R D, Bizekis C S, Pass H I et al. Local surgical, ablative, and ­radiation treatment of metastases.  Ca Cancer J Clin. 2009;  59 145-170

Prof. F. Momm

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