Rofo 2010; 182(7): 618
DOI: 10.1055/s-0029-1245466
Nachruf

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prof. Dr. med. Herbert J. Kaufmann

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Publication Date:
18 June 2010 (online)

Herbert J. Kaufmann ist am 15.4.2010 im Alter von 85 Jahren in New Milford, CT, USA, verstorben. Er lebte dort seit 2005 zusammen mit seiner Frau im Haus seines älteren Sohnes.

Er wurde am 10.6.1924 in Frankfurt/Main geboren. 1925 zogen seine Eltern in die Schweiz nach Basel, wo er seine Kindheit verbrachte. Das Medizinstudium an den Universitäten Basel und Genf schloss er 1950 mit dem Eidgenössischen Staatsexamen ab und promovierte 1951 mit dem Thema „Das Coecum mobile im Kindesalter”. Die Ausbildung in Pädiatrie erhielt er von 1951 – 1955 am Patterson General Hospital, NJ, USA. Von 1955 – 1958 war er Leiter der Poliklinik am Boston City Hospital, MA. Danach wurde am Kinderspital Basel die Pädiatrische Radiologie Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Pädiater. 1960 / 1961 war er im Rahmen eines Fellowship für Pädiatrische Radiologie an der Röntgenabteilung des Children’s Hospital Medical Center der Harvard Medical School in Boston, MA. Anschließend kehrte er an das Basler Kinderspital zurück. 1963 habilitierte er sich mit dem Thema „Röntgenbefunde am kindlichen Becken bei angeborenen Skelettaffektionen und chromosomalen Aberrationen”. Von 1965 – 1971 leitete er die Röntgenabteilung des Basler Kinderspitals, 1970 erhielt er die APL-Professur für Pädiatrie. Von 1971 – 1977 war er „Radiologist-in-Chief” am Children’s Hospital of Philadelphia, PA. In diese Zeit fiel auch die Anerkennung als Radiologe durch das American Board of Radiology. 1978/1979 war er Gastprofessor in Paris am Hôpital des Enfants Malades und Hôpital Trousseau. 1979 erhielt er den Ruf an die freie Universität Berlin als Leiter der neuen Abteilung für Pädiatrische Radiologie des Kaiserin-Auguste-Victoria-Hauses des damaligen Universitätsklinikums Rudolf Virchow, der er bis 1992 vorstand.

Sein Lebenslauf zeigt eindrücklich die Entwicklung der Kinderradiologie aus der Pädiatrie zur Radiologie. Er hat früh erkannt, wie wichtig die Verbindung zu beiden Disziplinen ist.

Seine Weltoffenheit, sein Weltbürgertum und seine Sprachgewandtheit machten es ihm möglich, geografische Grenzen zu überwinden. Als Schweizer Staatsbürger war es ihm leichter möglich, zu Zeiten des eisernen Vorhangs wissenschaftliche und persönliche Kontakte zu Kollegen der ehemaligen DDR und der Ostblockländer zu pflegen. Er war eines der Gründungsmitglieder der European Society of Pediatric Radiology (ESPR) 1963 in Paris und richtete bereits 1967 den ESPR Kongress in Basel aus. Auf dem Deutschen Kinderärztekongress 1963 in Köln war er Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft Kinderradiologie, die 1970 in Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR) umbenannt wurde. Beide Gesellschaften dankten ihm mit der Ehrenmitgliedschaft.

Seine Habilitationsarbeit und viele seiner zahlreichen Veröffentlichungen spiegeln das zentrale Thema seiner Forschung wider: die Erkrankungen des kindlichen Skelettsystems, insbesondere die Skelettdysplasien. Er wurde zu einem der führenden Experten auf diesem Gebiet.

Als Herausgeber der Reihe „Progress in Pediatric Radiology” hat er die Entwicklung in der Pädiatrischen Radiologie gefördert und beeinflusst. Er war stets bemüht, die Entwicklungen in der Radiologie für die Belange der Kinderradiologie umzusetzen. So war bereits 1981 die Berücksichtigung von Sonografie und Computertomografie in der neonatalen Röntgendiagnostik ein Hauptthema der von ihm in Berlin ausgerichteten Jahrestagung der GPR.

Seine hervorragende Didaktik machten ihn zu einem anerkannten Hochschullehrer und gefragten Referenten.

Die Kinderradiologische Abteilung in Basel war unter seiner Leitung als Ausbildungsstätte begehrt. Junge Pädiater und Radiologen aus dem europäischen Raum hospitierten Wochen und Monate. Die Lehrsammlung, nach amerikanischem Vorbild aufgebaut, war eine didaktische Fundgrube und eine großartige Ergänzung zu den Lehrbüchern.

Neben seiner Didaktik zeichnete ihn ein außergewöhnliches Organisationstalent aus, das ihn für die Durchführung von Kongressen, Fortbildungskursen und Workshops prädestinierte. Er organisierte Workshops für Kinderradiologen und Radiologen sowie Sonografie-Kurse für Pädiater. Zur festen Einrichtung wurden die Sonografie-Kurse auf der halbjährlichen Pädiatrischen Fortbildungsveranstaltung in Brixen, Südtirol, die er auf Wunsch der Pädiater von 1985 – 2000 organisierte und leitete. Mit Weitsicht berief er nicht nur Kinderradiologen, sondern auch Pädiater und Orthopäden in das Team der Referenten.

Neben der Kinderradiologie gab es für ihn ausschließlich seine Familie. Jeder, der es erleben durfte, erinnert sich gerne an die großzügige und liebenswürdige Gastfreundschaft im Hause Kaufmann.

Herbert J. Kaufmann war ein Pionier der Kinderradiologie und ein großer Kinderradiologe.

Seine ehemaligen Kollegen, Schüler und Freunde trauern um ihn mit großer Dankbarkeit.

Herbert Glöbl
Gabriele Benz-Bohm

Prof. Dr. med. Herbert J. Kaufmann

Prof. Dr. Gabriele Benz-Bohm

Email: g.benz-bohm@t-online.de

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