Klinische Neurophysiologie 2009; 40(3): 209
DOI: 10.1055/s-0029-1220448
Nachruf

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Nachruf: Professor Albrecht Struppler

Obituary: Professor Albrecht StrupplerR. Dengler
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Publication Date:
03 September 2009 (online)

Prof. Albrecht Struppler

Am 20. Juni dieses Jahres ist Prof. Albrecht Struppler im Alter von 90 Jahren in Tutzing nach längerer Krankheit verstorben. Er war Präsident der Deutschen EEG-Gesellschaft, der heutigen DGKN, von 1971–1972 und Ehrenmitglied. Für seine Leistungen in der klinischen Neurophysiologie wurde er 1976 mit dem Hans-Berger-Preis ausgezeichnet. Die DGKN verliert mit Albrecht Struppler einen ihrer Protagonisten und eine der führenden Persönlichkeiten der deutschen klinischen Neurophysiologie nach dem Kriege.

Albrecht Struppler wurde 1919 in München geboren. Er erhielt seine Ausbildung bei Gustav von Bergmann und Gustav Bodechtel in München und habilitierte 1954 über die Pathophysiologie der Myasthenie. Nach kurzer Zeit als Oberarzt bei Alfred Bannwarth kehrte er 1963 aus Forschungsgründen zu Bodechtel in die Friedrich-Baur-Stiftung zurück. 1968 übernahm er den Lehrstuhl für Neurologie an der TU München und war Direktor der Klinik bis zu seiner Emeritierung 1989.

Albrecht Struppler gehörte zu den ersten deutschen Neurologen, die nach dem Krieg zu Forschungsaufenthalten ins Ausland gingen. So arbeitete er bei Zottermann in Stockholm und Buchthal in Kopenhagen und wurde zu einem der Pioniere des EMGs in Deutschland. Mit Schwab und Adams in Boston experimentierte er zu Fragen der motorischen Kontrolle, was seine weiteren wissenschaftlichen Interessen stark beeinflusste. Nach Aufenthalten bei Riechert in Freiburg und Kuhlendahl in Düsseldorf erhielt die Genehmigung, die funktionelle Stereotaxie zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen selbstständig durchzuführen.

Eine seiner besonderen Fähigkeiten war es, junge Leute für die Neurowissenschaften zu begeistern. Entsprechend versammelten sich in seiner Klinik in der Möhlstraße zahlreiche begabte und ambitionierte Nachwuchsneurologen. Er schuf dort eine besondere Atmosphäre, die geprägt war von Wettbewerb wie auch Fairness und Freundschaft, die gerne als der Geist der Möhlstraße kolportiert wird. Sechs Lehrstuhlinhaber und mehrere neurologische Chefärzte haben zumindest über einige Zeit in der Möhlstraße gearbeitet.

Albrecht Struppler hatte eine gewinnende Persönlichkeit und war ein hervorragender „Networker”. Er gründete physiologisch orientierte Sonderforschungsbereiche mit den Technikern der TU, was heute hochmodern ist, damals aber keineswegs selbstverständlich war. Er pflegte enge Beziehungen zum Physiologischen Institut und rekrutierte dort Mitarbeiter für seine Klinik. Er war über längere Zeit Gutachter der DFG sowie der Alexander von Humboldt-Stiftung. Über die lokale und nationale Ebene hinaus pflegte er intensiv internationale Kontakte. In seiner Klinik fanden sich stets ausländische Gäste, die er auch gerne in sein schönes Haus in Feldafing mit dem herrlichen Blick auf den Starnberger See einlud. Seine hohe internationale Reputation führte dazu, dass er den Welt-EMG-Kongress der IFCN in 1983 und später den Welt-Muskel-Kongress in 1990 nach München holen konnte, beides strahlende und äußerst erfolgreiche Veranstaltungen.

Seine wissenschaftlichen Interessen konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Sensomotorik und damit auf Krankheitsbilder mit Störungen des kortikospinalen Systems und der Basalganglien sowie auf das schmerzleitende System. Dabei war er vor allem an der Entwicklung von technisch orientierten Therapieverfahren interessiert wie der funktionellen Stereotaxie oder an elektrischen oder magnetischen Stimulationsverfahren. Die repetitive Magnetstimulation betrieb er nach der Emeritierung bis zu seinem Tod weiter mit dem Ziel der Restitution gestörter Motorik z. B. nach Schlaganfall.

Albrecht Struppler war nicht nur Forscher, sondern auch einfühlsamer Arzt, der sich für seine Patienten vorbildlich engagierte. Er war ein geschickter und sehr sicherer Diagnostiker, von dem seine Schüler vor allem einen pragmatischen, funktionell-anatomisch orientierten Zugang zu den neurologischen Krankheitsbildern lernen konnten.

Im Privaten liebte er die Berge und versuchte, wenn immer möglich, dort zu wandern. In der Familie hatte er schmerzhafte Schicksalsschläge zu erleiden und musste den Tod seiner drei Kinder und seiner Frau hinnehmen. Er ertrug dies scheinbar mit stoischem Gleichmut in der für ihn typischen Weise und ließ nach außen hin kaum etwas durchdringen.

Mit Albrecht Struppler haben wir einem großartigen Menschen, Forscher, Lehrer und Arzt verloren nach einem langen und erfolgreiche Leben, das am Ende für ihn zu kurz war, um alle seine ambitionierten Pläne zu Ende zu bringen. Er praktizierte das Prinzip „Führung durch Vorbild” und ist so für seine Schüler und viele, die mit ihm zusammenarbeiten durften, ein prägendes Vorbild geworden.

Hannover im Juli 2009

Reinhard Dengler