Handchir Mikrochir Plast Chir 2009; 41(2): 63-64
DOI: 10.1055/s-0029-1185503
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vaskuläre Malformationen und Hämangiome

Vascular Malformations and HaemangiomaH. Piza-Katzer
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Publication Date:
09 April 2009 (online)

In den letzten Jahren wurden von der Klinik für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie der Med. Univ. Innsbruck interdisziplinäre Symposien zu verschiedenen aktuellen Themen abgehalten. Das letzte derartige Symposium unter meiner Leitung fand im Jahre 2007 statt und hatte „angeborene Gefäßfehlbildungen und Hämangiome“ zum Thema. Experten auf dem Gebiet der Diagnostik und Therapie haben den neuesten Wissensstand vorgestellt und Zukunftsperspektiven zu diesen sehr unterschiedlichen Krankheitsformen dargelegt.

Einige Kollegen haben für dieses Heft der Handchirurgie Mikrochirurgie Plastische Chirurgie Beiträge zu diesem interessanten Thema geliefert, wofür ich danken möchte.

Vaskuläre Malformationen und Weichteilhämangiome stellen sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eine große Herausforderung dar.

Bei den gegenständlichen Läsionen handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe von Veränderungen. Deshalb ist eine exakte Diagnostik und vor allem Klassifikation von größter Bedeutung.

Vaskuläre Malformationen sind angeborene Fehlanlagen von Gefäßen. Sie sind bei der Geburt vorhanden und wachsen mit dem Kind mit, ohne jemals eine Rückbildungstendenz zu zeigen.

Dies unterscheidet sie klar von Hämangiomen, die einen Gefäßtumor mit rascher Proliferation im ersten Lebensjahr und darauf einsetzender langsamer Regression darstellen.

Mulliken und Glowacki (1982) unterschieden vaskuläre Malformationen von Hämangiomen auf Basis ihrer endothelialen Charakteristik voneinander. Burrows et al. (1983) modifizierten die Einteilung der vaskulären Malformationen durch Einführung der Begriffe „Low“- und „High flow“-Veränderungen. 1996 wurde von Kawanabe et al. eine praxisnahe Einteilung vorgestellt, welche die Läsionen auf Basis ihres Flussmusters und der daraus resultierenden Therapiemöglichkeit in „Slow“-, „Intermediate“- und „High flow“-Varianten unterteilt.

Für die Diagnostik vaskulärer Anomalien stehen uns neben der Sonografie prinzipiell mehrere andere Verfahren zur Verfügung. Die Sonografie stellt in vielen Fällen die „First-Line-Untersuchung“ dar. Sie erlaubt in den meisten Fällen eine schnelle Differenzialdiagnose und Kategorisierung der Läsionen und stellt damit die Weichen für die weitere Abklärung und Therapie. Sie wird von Kindern meist problemlos toleriert.

Die Magnetresonanztomografie (MRT) und die Angiografie beziehungsweise Phlebografie können im Einzelfall wichtige Zusatzuntersuchungen darstellen.

Alle vaskulären Fehlbildungen brauchen einen differenzierten Behandlungsplan. Um das optimale Behandlungskonzept zum richtigen Zeitpunkt zu erstellen, bedarf es einer interdisziplinären Entscheidung. Die Behandlungskonzepte für vaskuläre Malformationen unterscheiden sich wesentlich von denen für Hämangiome und beinhalten je nach Art der Gefäßfehlbildung die Lasertherapie, die Sklerotherapie, die Embolisation und zumeist auch die chirurgischen Resektion.

Hämangiome stellen die häufigste Form benigner vaskulärer Tumore im Kindesalter dar. Bis zu 10 % aller Säuglinge haben Hämangiome – in 50 % sind sie im Gesicht/Kopf lokalisiert. Die typischen „frühkindlichen Hämangiome“ sind bei der Geburt meist nicht sichtbar, sondern treten innerhalb der ersten Lebenswochen auf, wonach es zu einem unterschiedlich schnellen Wachstum innerhalb der nächsten Lebensmonate kommt. In der Regel kann die Wachstumsphase bis zum Ende des ersten Lebensjahrs dauern.

Danach tritt die Involutionsphase ein, während der es zu einer wiederum unterschiedlich schnellen Regression der Läsion kommt.

Daher hat sich wegen der hohen Regressionsrate bei vielen Autoren die „wait and see-Methode“ durchgesetzt. Am Symposium waren sich die Autoren einig, dass eine frühzeitige, stadiengerechte Behandlung kindlicher Hämangiome einer rein abwartenden Strategie deutlich überlegen ist, da in jenen Fällen, in denen keine komplette Regression stattfindet, eine massive ästhetische Verunstaltung gerade bei großen Hämangiomen auch nach Rückbildung häufig zu sehen ist.

Das Ziel der frühzeitigen Laserbehandlung soll das unkontrollierte Wachstum von Hämangiomen verhindern und die Langzeitergebnisse im Vergleich zur rein abwartenden Methode verbessern.

Kinder mit lebensbedrohlichen oder verunstaltenden Hämangiomen bedürfen immer einer systemischen medikamentösen Therapie, die in einem Stufenplan zum Einsatz kommen sollte (Kortison, Interferon-α, das Zytostatikum Vincristin oder Zyklophosphamid). Diese systematischen medikamentösen Therapien sollen spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben.

Die Weiterentwicklung des von Tan et al. (2000) beschriebenen Modells zur In-vitro-Kultivierung von proliferierenden Hämangiomzellen sucht Antworten auf zentrale Fragen der Hämangiogenese. Es soll unter anderem Licht in die Frage der auslösenden Ursachen für die Involution bringen.

Selbst wenn viele Details zur Diagnostik und Therapie dieser beiden so unterschiedlichen Krankheitsformen nur angerissen wurden, stellen die Beiträge einen sehr guten Überblick über den derzeitigen Wissensstand auf diesem speziellen Gebiet der Medizin dar. Die Zukunft wird zeigen, ob die Errichtung von Datenbanken auch dazu beitragen kann, eine bessere und raschere Aussage zu den einzelnen diagnostischen, aber auch therapeutischen Methoden zu treffen. Die Interdisziplinarität hat sich wieder einmal als hervorragend erwiesen.

Hildegunde Piza-Katzer

Prof. Dr. Hildegunde Piza-Katzer

Kalmanstraße 43

1130 Wien

Österreich

Email: hildegunde.piza@i-med.ac.atpiza@aon.at

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