Rehabilitation (Stuttg) 2025; 64(01): 54-56
DOI: 10.1055/a-2461-5031
Aus der DGRW
Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften e. V. (DGRW)

Aus der Kommission Leitlinien und Stellungnahmen

Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes

Ergänzendes Kapitel Nicht-medikamentöse Therapie erschienen

Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) bilden die höchste Stufe der von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) gelisteten Leitlinien in Deutschland. Nationale VersorgungsLeitlinien sollen die Versorgung von Patient*innen in Deutschland verbessern durch aktuelle wissenschaftlich begründete Empfehlungen zu Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation sowie zu einem strukturierten und optimierten Management der Erkrankung. Dazu gehört insbesondere auch eine verbesserte Kommunikation zwischen den Behandelnden über alle Sektoren- und Fächergrenzen hinaus sowie der Einbezug der Betroffenen in alle Behandlungsentscheidungen. Für die Volkskrankheit Typ-2-Diabetes mit großen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand vieler Menschen, aber auch erheblichen sozioökonomischen Folgen, existiert mittlerweile bereits eine dritte Version, veröffentlicht 2023. Die erste Version war 2004 erschienen.

Konkrete Ziele der Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes sind:

Verbesserung der Lebensqualität, der Therapiezufriedenheit und Therapieadhärenz von Menschen mit Typ- 2-Diabetes durch die Einbindung der Betroffenen in wichtige diagnostische und therapeutische Entscheidungen und die Vereinbarung individueller Therapieziele, die bestmöglich der persönlichen Lebenssituation (Kontextfaktoren) entsprechen;

  • Stärkung der Patientenautonomie und Förderung der Fähigkeit zum Selbstmanagement durch das Angebot adäquater Beratungs- und Schulungsprogramme;

  • Unterstützung von Ärzt*innen und Patient*innen bei der gemeinsamen Auswahl der Behandlungsoptionen, die den individuellen Therapiezielen angemessenen sind, durch transparente Kommunikation von Nutzen und Schaden der einzelnen Interventionen;

  • Senkung der Morbidität und Mortalität durch eine adäquate Diagnostik und den Einsatz von im Nutzen belegten Therapien;

  • Verbesserung der Langzeitversorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes im Rahmen der eng verzahnten multidisziplinären und multiprofessionellen Zusammenarbeit durch die Festlegung wichtiger professions- und sektorenübergreifender Kommunikations-, Dokumentations- und Überweisungsanforderungen.

Die bisherigen sechs Leitlinien zu verschiedenen Aspekten des Diabetes mellitus wurden in der NVL zusammengeführt. Bisher hatte diese neueste Version der NVL fünf Kapitel, war aber damit noch nicht vollständig. Wegen ihrer großen praktischen Bedeutung war sie aber bereits 2023 in dieser Form publiziert worden. Die Überarbeitung erfolgt modular: Sukzessive werden die noch ausstehenden Kapitel erstellt und als Ergänzungen publiziert. Adressiert werden alle Versorgungsebenen des Gesundheitswesens einschließlich der Primärversorgung.

Im Dezember 2024 wurde nun von der Bundesärztekammer (BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) das Kapitel Nicht-medikamentöse Therapie mit den beteiligten Fachgesellschaften konsentiert und publiziert. Die DGRW war dabei durch ihren Mandatsträger Dr. Peter Hübner dabei vertreten, der die rehabilitativen Aspekte in diesem Kapitel einbrachte.

Die Themenbereiche des neuen Kapitels zur nicht-medikamentösen Therapie orientieren sich besonders am Alltag, Lebensstil und den Kontextfaktoren der betroffenen Menschen. Die nicht-medikamentöse Basistherapie soll an den Bedürfnissen, Möglichkeiten und Wünschen der Menschen mit Typ-2-Diabetes ausgerichtet werden. Daher spricht die Leitliniengruppe eine starke Empfehlung für ein vorangestelltes gemeinsames Assessment aus, bei dem Behandelnde und Betroffene sich gleichermaßen aktiv einbringen und gemeinsam daraus die zu ergreifenden Maßnahmen ableiten. Als wesentlich für den Behandlungserfolg, die Verbesserung der Prognose und die langfristige Adhärenz der Betroffenen wird die Durchführung von qualifizierten Schulungen zur Verbesserung des Selbstmanagements mit Diabetes genannt. Die Möglichkeiten und Grenzen des Gewichtsmanagements und der Ernährungstherapie werden unter verschiedenen Aspekten beleuchtet. Dem Umgang mit zuckerhaltigen Getränken und dem Thema Alkohol sind eigene Unterkapitel gewidmet. Zur körperlichen Aktivität finden sich Empfehlungen zum Einsatz von Assessments, zum Nutzen und zur Steigerung der Alltagsaktivität, zur eigenständigen Aktivität in mindestens moderater Intensität, zu strukturierten Bewegungsprogrammen und zum Umgang mit Ängsten und Barrieren. Auch die Themen Tabakentwöhnung und weitere Unterstützungsangebote wie Stressmanagement und digitale Gesundheitsanwendungen haben eigene Unterkapitel. Förderfaktoren und mögliche Barrieren werden gewichtet. Zu Barrieren werden mögliche Lösungsansätze genannt. Damit befasst sich dieses Kapitel mit wesentlichen Themen aus dem Alltag der Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 und stellt daher eine wichtige Unterstützung für Behandelnde und Betroffene und ihrer Zusammenarbeit dar.

Die Version 3 der Nationalen Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes umfasste bisher folgende Kapitel:

  • Epidemiologie des Typ 2-Diabetes

  • Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) von Behandelnden und Betroffenen und deren Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen

  • Diabetes-Screening und erhöhtes Diabetesrisiko

  • Diagnostik des Typ 2-Diabetes

  • Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels

Weitere noch ausstehende Module dieser NVL sind mit aktuellem Stand 2024:

  • Definition des Typ-2-Diabetes

  • Folge- und Begleiterkrankungen, diabetische Erkrankungen, wie z. B.: diabetisches Fußsyndrom, Neuropathie, Netzhautkomplikationen, Nierenerkrankungen und deren Begleitstörungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, psychische Symptome und Störungen

  • Therapieplanung/Monitoring des Typ-2-Diabetes

  • Versorgungskoordination

  • Rehabilitation des Typ-2- Diabetes

  • Hypoglykämie und akute hyperglykämische Entgleisungen

  • Perioperatives Management bei Typ-2-Diabetiker*innen

Diese Themen sollen in weiteren zusätzlichen Kapiteln die NVL ergänzen.

Folgende Komponenten dieser Leitlinie werden publiziert: Langfassung, Kurzfassung, Leitlinienreport, das neue Kapitel zur Ergänzung, eine Patientenleitlinie (in Überarbeitung) und weitere Materialien wie Patientenblätter und Kurzinformationen. Diese NVL ist bis 2028 gültig.

Die zuletzt fertiggestellten Kapitel (v. a. das neue Kapitel 6 Nicht-medikamentöse Behandlung) geben der Rehabilitationsmedizin wichtige Orientierungspunkte bei Konzeption und Umsetzung therapeutischer Strategien auf der Basis höchstmöglicher Evidenz. Das gibt den Akteuren in der Rehabilitation Sicherheit in der Argumentation mit Kostenträgern, industriellen Interessengruppen und Rehabilitand*innen. In den ersten Kapiteln der Leitlinie hatten mit den Ausführungen zur partizipativen Entscheidungsfindung, zur Teilhabeorientierung bei der Therapieplanung und zur Implementierung des biopsychosozialen Krankheitsmodells in den Behandlungsalltag bereits wesentliche Grundlagen der Rehabilitationsmedizin Eingang gefunden. Diese wurden durch das nun vorliegende neue Kapitel weiter vertieft.

Literatur

Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes, Ergänzung zu Version 3: Kapitel Nicht-medikamentöse Therapie 2024 [cited: 2024-12-21]. DOI: 10.6101 AZQ 000518. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-001


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Publication History

Article published online:
13 February 2025

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