Transfusionsmedizin 2024; 14(02): 65-66
DOI: 10.1055/a-2282-7812
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Kommentar

Tatsuma Hashizume und Kollegen haben ein Scoringsystem entwickelt und validiert, um das Risiko von vasovagalen Kreislaufreaktionen (VVK) nach einer Vollblutspende vorhersagen zu können. Die durch das Japanische Rote Kreuz in Tokio durchgeführte Studie soll es dem Personal von Blutspendeeinrichtungen ermöglichen, Blutspender mit einem hohen Risiko für VVK bereits vor der Spende zu identifizieren und somit bereits präventiv eingreifen zu können. VVK wurden definiert als „allgemeines Unwohlgefühl einhergehend mit Schwäche, Angst, Schwindel, Übelkeit bis hin zu Bewusstseinsverlust“. In der Vergangenheit wurden bereits mehrfach Studien zu diesem Thema veröffentlicht und Risikofaktoren wie: weibliches Geschlecht, niedriges Körpergewicht, junges Alter, niedriger Blutdruck und Erstspenderstatus identifiziert.

Innovativ an der vorliegenden Studie ist zum einen die Einführung eines differenzierten Donorstatus, der die Blutspender unterteilt in 1. Erstspender, 2. Mehrfachspender mit negativer Anamnese von VVK bei Vorspenden, 3. Mehrfachspender mit bisher einer VVK bei Vorspenden und 4. Mehrfachspender mit zwei oder mehr VVK bei Vorspenden und zum anderen eine umfängliche statistische Auswertung, die die Unabhängigkeit der untersuchten Parameter überprüft. Interessanterweise wurde auch die Schlafdauer in der Nacht vor der Blutspende als möglicher Einflussfaktor berücksichtigt. Die Häufigkeit von VVK lag in dem untersuchten Kollektiv zwischen 0,48 bzw. 0,52%.

Der mit Abstand wichtigste Prädiktor war der differenzierte Donorstatus gefolgt von Alter und Blutvolumen bzw. Körpergröße. Bemerkenswerterweise folgt das Geschlecht (höheres Risiko für Frauen) des Spenders erst auf Platz 9 in der Rangliste und ist somit weitaus geringer relevant, als in vielen bisher veröffentlichten Studien beschrieben. Kritisch zu fragen wäre hier, ob das Spendergeschlecht wirklich unabhängig vom differenzierten Spenderstatus (Anzahl der VVK in der Vorgeschichte) ist.

Die Autoren empfehlen als Schlussfolgerung ihrer Studie eine Kennzeichnung von Blutspendern mit einem hohen Risiko z. B. durch ein gut sichtbares Halsband, sodass sie auf Blutspendeaktionen für das Personal sofort erkennbar sind. Inwiefern eine solche möglicherweise als Stigmatisierung empfundene Kennzeichnung auch auf Blutspendeaktionen in Deutschland bzw. Europa anwendbar ist, bleibt eine zu diskutierende Frage. Die vorgelegte Studie stößt an verschiedene Grenzen: Zum einen handelt es sich um eine Single Center Studie, ferner ist die Anzahl der untersuchten Nebenwirkungen nach Verlassen des Spendelokals zahlenmäßig vermutlich unterrepräsentiert. Psychologische Faktoren wurden ebenfalls in dieser Studie nicht berücksichtigt und schließlich wurden in dem untersuchten Kollektiv lediglich 400ml Vollblut entnommen, was mit den in Europa üblichen Spendevolumina nicht ganz übereinstimmt.

Fazit

Der differenzierte Donorstatus: 1. Erstspender, 2. Mehrfachspender mit negativer Anamnese von VVK bei Vorspenden, 3. Mehrfachspender mit bisher einer VVK bei Vorspenden und 4. Mehrfachspender mit zwei oder mehr VVK bei Vorspenden hat den höchsten prädiktiven Wert für VVK bei Vollblutspenden in Japan.



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Article published online:
08 May 2024

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