intensiv 2024; 32(02): 104-105
DOI: 10.1055/a-2226-1664
Rundumblick

News

Ersteinschätzung in der Notaufnahme: „Wir sehen die Pflege in der Prozessverantwortung“

Kommt ein Mensch mit akuten Verletzungen und Beschwerden in die Notaufnahme, sind schnelles Handeln und eine sichere Ersteinschätzung des Gesundheitszustandes gefragt. Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen nimmt die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erarbeitete Richtlinie zur Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs in der Notfallversorgung zum Anlass, um in einer Stellungnahme auf die Dringlichkeit der Thematik hinzuweisen. So fordert die Kammer, die pflegerische Expertise im Ersteinschätzungsprozess in der zentralen Notaufnahme stets einzubinden. „Die Ersteinschätzung ist eine anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeit, da sie maßgeblich über den weiteren Versorgungspfad entscheidet und damit erheblichen Einfluss auf die Sicherheit und den Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten hat“, sagt Dominik Stark, Vorstandsmitglied der Pflegekammer NRW. Er ist Fachgesundheits- und Krankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie und arbeitet in der zentralen Notaufnahme. „Auch wenn die genannte Richtlinie vom Bundesgesundheitsministerium zwischenzeitlich beanstandet wurde, ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Ersteinschätzungsprozess in unseren Augen dringend geboten. Wir wollen mitgestalten und herausheben, dass auch in der zentralen Notaufnahme direkte Pflege geleistet wird. Die Aufnahmeprozesse in der Notaufnahme müssen umstrukturiert werden, und hier sehen wir die Pflege, insbesondere die Notfallpflege, in der Prozessverantwortung.“

Die Pflegekammer macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass derzeit keine belastbaren Zahlen über die Anzahl der Notaufnahmen und die quantitativen und qualitativen Personalausstattungen vorliegen. Eine Bestandsaufnahme ist aus Kammersicht daher dringend erforderlich. Diese sollte klären, wie viele Notaufnahmen es gibt, wie viele Pflegefachpersonen und andere Berufsgruppen dort tätig sind, über welche Qualifikationen diese verfügen und wie das Ersteinschätzungsverfahren bisher geregelt ist. Kristina Engelen, Mitglied des Kammervorstandes und Ressortverantwortliche für den Bereich Qualifizierung, betont: „Die Pflegekammer NRW ist in den Prozess der Evaluation einzubinden. Um diesen Prozess vollständig abzubilden, werden wir auch den Kontakt zu den Verbänden und Fachgesellschaften suchen.“

Die Pflegekammer weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass es derzeit zu wenige Pflegefachpersonen mit der Weiterbildung Notfallpflege gibt. Darüber hinaus existieren zur Ausbildung weiterer Fachpersonen aktuell zu wenige Weiterbildungsstätten. Nach Einschätzung der Kammer ist es daher dringend erforderlich, dass die schon jetzt eingesetzten Pflegefachpersonen, die teilweise über fünf Jahre Erfahrung verfügen und umfangreiche Schulungen im Bereich der Ersteinschätzung aufweisen, zumindest übergangsweise ebenso für den Prozess der Ersteinschätzung rechtssicher eingesetzt werden können. Jasper Sandfort, Mitglied der Kammerversammlung und als Gesundheits- und Krankenpfleger in der zentralen Notaufnahme tätig, hebt hervor: „Wichtig ist die Anerkennung von Berufserfahrung und die Beachtung der Fachweiterbildung Intensiv- und Anästhesiepflege. In einer Übergangsphase können, bis genug Fachweiterbildungen in der Notfallpflege vorhanden sind, auch Fachpflegende der Intensiv- und Anästhesiepflege, wenn sie über einschlägige Erfahrungen im Bereich der Notaufnahme verfügen, sinnvoll eingesetzt werden.“ Die Gleichsetzung von Notfallsanitätern und Notfallsanitäterinnen mit Notfallpflegenden im Rahmen der Ersteinschätzung wird von der Pflegekammer kritisch betrachtet und kann sicherlich nur für die Ersteinschätzungsinstrumente, nicht aber für pflegerische Entscheidungen erfolgen. Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen betont: In alle Belange, die beruflich Pflegende betreffen, sind die Pflegenden selbst über ihre Selbstverwaltung in die Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse einzubinden. Auf Landesebene ist die Pflegekammer zu beteiligen. Die Formulierung dessen, was pflegerisches Handeln im Sinne des Pflegeprozesses ist, muss durch die Profession Pflege und nicht durch andere Professionen erfolgen.

Die gesamte Stellungnahme finden Sie unter bit.ly/3NXNbVL, die vom G-BA veröffentlichte Richtlinie unter bit.ly/41UzyfY. Diese wurde allerdings vom Bundesgesundheitsministerium zwischenzeitlich beanstandet.

Quelle: Pflegekammer NRW



Publication History

Article published online:
05 March 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

  • 1 American Psychiatric Association (Hrsg.). DSM-5: Diagnostic and statistical manual of mental disorders. 5. Aufl. American Psychiatric Publishing, Washington, D.C., 2013
  • 2 Vasilevskis EE, Han JH, Hughes CG. et al Epidemiology and risk factors for delirium across hospital settings. Best Pract Res Clin Anaesthesiol 2012; 26 (03) 277-87
  • 3 de Lange E, Verhaak PF, van der Meer K. Prevalence, presentation and prognosis of delirium in older people in the population, at home and in long term care: A review. Int J Geriatr Psychiatry 2012; 28 (02) 127-34
  • 4 Traube C, Silver G, Gerber LM. et al Delirium and mortality in critically ill children: Epidemiology and outcomes of pediatric delirium. Crit Care Med 2017; 45 (05) 891-8
  • 5 Ely EW, Gautam S, Margolin R. et al The impact of delirium in the intensive care unit on hospital length of stay. Intensive Care Med 2001; 27 (12) 1892-900
  • 6 Pisani MA, Kong SY, Kasl SV. et al Days of delirium are associated with 1-year mortality in an older intensive care unit population. Am J Respir Crit Care Med 2009; 180 (11) 1092-97
  • 7 Milbrandt EB, Deppen S, Harrison PL. et al Costs associated with delirium in mechanically ventilated patients. Crit Care Med 2004; 32 (04) 955-62
  • 8 Girard TD, Jackson JC, Pandharipande PP. et al Delirium as a predictor of long-term cognitive impairment in survivors of critical illness. Crit Care Med 2010; 38 (07) 1513-20
  • 9 Pandharipande PP, Girard TD, Jackson JC. et al (2013). Long-term cognitive impairment after critical illness. N Engl J Med 2013; 369 (14) 1306-16