Allgemeinmedizin up2date 2023; 04(04): 269
DOI: 10.1055/a-2145-9425
Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Stefan Bösner

„Ich habe Bedenken – wegen Brustschmerz und meinen Gelenken“ – so ließen sich zwei Konsultationen zusammenfassen, die ich jüngst in meiner Montagssprechstunde erlebt habe und die zu den Themen des vorliegenden Heftes passen.

Ein 37-jähriger Patient kam mit relativ akut aufgetretenen Thoraxschmerzen und der begleitenden Befürchtung, dass seine Beschwerden vom Herzen kommen könnten. Ein Bekannter hatte erst vor kurzer Zeit einen Herzinfarkt erlitten. Nach ausführlicher Anamnese und gezielter körperlicher Untersuchung erschien eine vertebragene Ursache als wesentlich wahrscheinlicher. Ich war froh, dass es evidenzbasierte Hilfen zur Entscheidungsfindung wie die DEGAM-Leitlinie Brustschmerz (aktuell in Revision) und den Marburger Herz-Score gibt, die mich in meiner Einschätzung unterstützten. In der SOP Akuter Thoraxschmerz erhalten Sie in diesem Heft eine Anleitung zum diagnostischen Work-up dieser Patientengruppe (S.274).

Am gleichen Tag stellte sich noch eine 42-jährige Patientin vor, die seit mehreren Monaten über zunehmende Gelenkschmerzen im Bereich der Grund- und Mittelgelenke mehrerer Finger klagte. Morgensteifheit, Rötung oder Schwellung der Gelenke wurden auf Nachfrage verneint. Die klinische Untersuchung war bis auf einen leichten Druckschmerz im Bereich der proximalen Interphalangealgelenke unauffällig. Die Laboruntersuchung ergab eine mäßiggradige Erhöhung der CCP-Antikörper bei negativem Rheumafaktor. Der Beitrag „Gelenkschmerzen – ist das eine rheumatische Erkrankung“ gibt Ihnen einen guten Überblick über die Diagnostik und probatorische Therapie von Patient*innen mit Gelenkschmerzen, eines für die hausärztliche Praxis relevanten Leitsymptoms (S.303).

Während ich bei dem erst genannten Patienten eine Erkrankung der Herzkranzgefäße mit einer hohen Sicherheit ohne eine invasive Prozedur ausschließen konnte, war ich mir im zweiten Fall nicht sicher, ob die Symptome in Verbindung mit den Laborwerten doch ein Vorbote einer möglicherweise später auftretenden rheumatoiden Arthritis sein könnten.

Für den einen Patienten die Rückversicherung, nicht schwer herzkrank zu sein, für die andere die Nachricht, erst einmal abzuwarten und mit der Unsicherheit umzugehen, im weiteren Verlauf evtl. eine chronische Erkrankung zu entwickeln.

Beruhigende Rückmeldung bzw. empathisches Mittragen von Unsicherheit – beides Facetten unserer vielfältigen und vielschichtigen hausärztlichen Tätigkeit.

Viel Spaß und Erkenntnis beim Lesen des vorliegenden Heftes!

Mit kollegialen Grüßen

Stefan Bösner



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Article published online:
21 November 2023

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