Pneumologie 2023; 77(03): 184-185
DOI: 10.1055/a-2019-3485
Nachruf

Nachruf Prof. Dr. Dr. h. c. Robert Loddenkemper

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Prof. Dr. Robert Loddenkemper
Foto: Mike Auerbach

Am 8. Januar 2023 ist Prof. Dr. Dr. h. c. Robert Loddenkemper im Kreis seiner Familie verstorben. Mit ihm ist einer der „global player“ der Pneumologie gegangen, weltweit geschätzt für seine Verdienste rund um die Erkrankungen der Atmungsorgane. Wir trauern um einen wichtigen Impulsgeber, der bestens vernetzt zahlreiche Projekte und Initiativen in unserem Fach auf den Weg gebracht hat.

Robert Loddenkemper wurde am 21. Oktober 1939 in Bad Kudowa, einem Kurort in Schlesien, als Sohn eines Arztehepaares geboren. Nach der Flucht der Familie wuchs er ab 1945 in Düsseldorf-Oberkassel auf. 1959 begann er sein Medizinstudium an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, wo er seine spätere Frau Beate Horster, ebenfalls Studentin der Medizin, kennenlernte. Zusammen gingen sie 1965 nach Berlin, um dort ihre Studien fortzusetzen.

Die Mauerstadt nahmen beide als eine unkonventionelle, kulturell reiche Stadt wahr, die mehr Freiheiten bot als Westdeutschland: ein passender Ort also für einen jungen Mediziner namens Loddenkemper, der sich gern für Reformen und neue Bündnisse stark machte und der auch schnell in diversen Gremien „mitspielte“. Zunächst engagierte er sich in der Hochschulpolitik und setzte sich u. a. in den 1970er-Jahren für die Neustrukturierung der medizinischen Ausbildung an der Freien Universität Berlin ein.

Nach Abschluss des Studiums und Zwischenstationen an mehreren Berliner Kliniken landete Robert Loddenkemper 1967 eher zufällig in der Pneumologie: Der Bau des in Gründung befindlichen Universitätsklinikums Steglitz (heute: Charité Campus Benjamin Franklin) verzögerte sich, die angestrebte Stelle fand schlichtweg keinen Raum, in der Lungenklinik Heckeshorn am Wannsee dagegen bot sich eine Möglichkeit für den jungen Assistenzarzt.

Bereits im Jahr darauf ging er für einen einjährigen USA-Aufenthalt als Research Fellow mit Schwerpunkt „Pulmonary Diseases“ an die University of Illinois, Chicago, wo er Mitarbeiter bei Professor Robert W. Carton wurde und Nikolaus Konietzko, den späteren Leiter der Ruhrlandklinik in Essen, kennenlernte. Die gemeinsame Zeit in Chicago begründete eine lebenslange familiäre wie kollegiale Freundschaft, die zu etlichen wissenschaftlichen und verbandspolitischen Projekten und Publikationen führte.

1969 zurück in Deutschland, nahm Robert Loddenkemper zunächst eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent am FU-Klinikum Westend an und ging 1976 von dort aus als Assistenzarzt erneut an die Lungenklinik Heckeshorn. Zwei Jahre später war er bereits Oberarzt der Diagnostischen Abteilung unter Hans-Jürgen Brandt, den er in seinem Nachruf als „wertvollen Lehrer und Berater“ beschrieb [Pneumologie 2003; 57; 178–179]. 1983 habilitierte er sich zur funktionellen Operabilität beim Bronchialkarzinom, 1988 wurde er zum Professor zunächst an der Freien Universität Berlin ernannt.

Bereits 1983 wurde Robert Loddenkemper Chefarzt der Inneren Abteilung (ab 1990 Pneumologische Abteilung II) und stellvertretender Ärztlicher Leiter des Krankenhauses Zehlendorf, zu der die Lungenklinik Heckeshorn gehörte, später dann Ärztlicher Direktor der Zentralklinik Emil von Behring: ein Zusammenschluss des Behring-Krankenhauses mit der orthopädischen Spezialklinik Oskar-Helene-Heim und „seiner“ Lungenklinik in alleiniger Trägerschaft der Stiftung Oskar-Helene-Heim. Diese nicht einfache Fusion und die nachfolgende Ausgliederung in die Helios Emil von Behring GmbH im Jahr 2004 gestaltete Robert Loddenkemper maßgeblich mit – eine große Aufgabe, die ein gutes Maß an Verhandlungsgeschick, Kooperationsbereitschaft, Beharrlichkeit sowie kluges, strategisches Agieren erforderte. Eigenschaften, die Robert Loddenkemper mitbrachte und in vielen Positionen und Stationen seines Lebens einsetzte.

Nach seiner Pensionierung 2004 – das Wort Ruhestand kann auf einen wie ihn nicht zutreffen – widmete sich Robert Loddenkemper verstärkt seinen verbandspolitischen Aktivitäten und neuen Publikationsprojekten. Der Geschichte der Pneumologie und ihrer Fachgesellschaften – der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) und der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten (WATL) – galt sein vorrangiges Interesse. Er setzte sich besonders intensiv für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Ära in der Lungenheilkunde ein, was 2018 in einer Publikation und einer Ausstellung auf dem 59. DGP-Kongress in Dresden mündete. Im gleichen Jahr erschien der Sammelband „Tuberculosis and War. Lessons Learned from World War II“, an dem er gemeinsam mit John Murray (San Francisco, CA) maßgeblich beteiligt war. Bei diesen Publikations- und anderen Projekten stand ihm Nikolaus Konietzko als wichtiger Weggefährte zur Seite. Und nicht nur bei diesen Projekten erwies er sich als ein akribischer Leser, der jeden Rechtschreibfehler fand und jeder unlogischen Schlussfolgerung auf die Spur kam.

Als Präsident der DGP (1993/94) war Robert Loddenkemper ein entscheidender Motor für die Entwicklung der Fachgesellschaft, die mit den von ihm angestoßenen strukturellen Veränderungen und der Stärkung des wissenschaftlichen Austausches zu der lebendigen und wachsenden Fachgesellschaft wurde, die sie heute ist. Auch lange nach seiner Amtszeit übernahm er weitere Aufgaben für die DGP, so als Koordinator des Hauptstadtbüros (2009–2012), und war jederzeit ansprechbar, wenn seine fachliche Expertise oder einer seiner vielfältigen Kontakte gebraucht wurden.

Nachdem er als DGP-Präsident in Personalunion auch Präsident DZK gewesen war, übernahm Robert Loddenkemper von 1996–2011 das Amt des DZK-Generalsekretärs. In dieser Zeit setzte er sich für eine stärkere Vernetzung der mit der Tuberkulose befassten Organisationen ein – u. a. durch die Wiedergewinnung der Bundesländer als Mitglieder des DZK. Auch intensivierte er die Zusammenarbeit mit der International Union Against Tuberculosis and Lung Disease (IUATLD, The Union), der European Respiratory Society (ERS) und anderen NGOs sowie mit osteuropäischen Ländern und China. Wichtig waren ihm immer die TB-Aufklärung und -Prävention, insbesondere unter den Aspekten Resistenzentwicklung und TB und Migration. Letzteres ein Thema, das aktueller nicht sein könnte.

Weitere Aktivitäten in Gesellschaften, Institutionen und Vereinen sollten folgen, in denen Robert Loddenkemper häufig eine zentrale Rolle einnahm: als Gründungs- und Kuratoriumsmitglied der Deutschen Lungenstiftung (1996–2015), als Vertreter der DGP und später Schatzmeister des Aktionsbündnisses Nichtrauchen (ABNR) e. V., als Vorstand beim Bundesverband der Pneumologen (1985–1995) und der WATL (1985–2004), als Kuratoriumsmitglied der Sarkoidose-Stiftung und nicht zuletzt in der Hildegard Knef-Stiftung, deren Namensgeberin im Alter von 76 Jahren nach langer Krankheit in der Lungenklinik Heckeshorn verstorben war.

International war v. a. sein Einsatz für die ERS von Bedeutung, die er mitbegründete und in der er als Chairman der Sektion „Endoskopie/Bronchoskopie“ (1991–1994), als Tagungspräsident (1997) und schließlich als Präsident (1998/99) fungierte. Auch hier sorgte er weitsichtig dafür, dass die Gesellschaft ihren zukünftigen Aufgaben gewachsen war und u. a. durch neue Kooperationen wie mit der American Thoracic Society Society (ATS) internationales Ansehen erwarb, hierunter besonders hervorzuheben ist das World Asthma Meeting in Barcelona 1998 (ERS mit American Thoracic Society [ATS], European Academy of Allergy and Clinical Immunology [EAACI], American Academy of Allergy Asthma & Immunology [AAAI], International Union Against Tuberculosis and Lung Diseases [IUATLD] and Global Initiative for Asthma [GINA]), das er präsidierte. Die Erarbeitung des „European Lung White Book: Respiratory Health and Disease in Europe“ war ein Meilenstein und sichtbares Zeichen einer funktionierenden europäischen Allianz, mit besonderer Aufmerksamkeit für teilweise junge osteuropäische Staaten.
Von 2004–2008 übernahm Robert Loddenkemper zudem die Präsidentschaft der Europa-Region der IUATLD und war 2007 Co-Chairman des IUATLD-Kongresses der Europa-Region in Riga/Lettland.

Darüber hinaus engagierte er sich in Berlin für die Stiftung Oskar-Helene-Heim, die heute u. a. einen „medizinischen Oskar“ für herausragende wissenschaftliche Leistungen verleiht, sowie für den Verein der Wannseeschule für Gesundheitsberufe e. V. In beiden Organisationen saß er – selbstredend – im Vorstand bzw. Kuratorium. Wann er die Zeit dafür fand, mehr als 400 Publikationen zu verfassen und über 90 Studien auf den Weg zu bringen, war auch ihm selbst nach dem Abschluss seiner aktiven Berufszeit schleierhaft. Das Thema, für das er weltweit jahrzehntelang warb und als Experte besonders geschätzt wurde, war die Thorakoskopie in pneumologischer Tradition (d. h. internistisch oder „medical“, in Lokalanästhesie im Gegensatz zur aufwändigeren chirurgischen Technik).

Für all seine wegweisenden Aktivitäten wurde Robert Loddenkemper vielfach geehrt, u. a. war er Ehrenmitglied der DGP, der WATL, der ERS, der All-Russian Society of Pneumology und der IUATLD. Er wurde mit einer Ehrenprofessur von der Universität Skopje/Mazedonien und dem Ehrendoktor der Russian Academy of Medical Sciences ausgezeichnet. Seine Mitgliedschaft in der Russian Academy setzte er infolge der Ukraine-Invasion aus. 2022 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Einen „major player“ auf dem internationalen Parkett nannte ihn Nikolaus Konietzko anlässlich seines 65. Geburtstages, ebenso einen „global player“ und „team player“ [Pneumologie 2004; 58; 743–744]. Das passte zu dem leidenschaftlichen Hockeyspieler (Nationalmannschaft der Hockey-Junioren), den wesentliche sportliche Tugenden auszeichneten: Zielstrebigkeit im Wettstreit, gepaart mit Fairness und Teamgeist. Und wie die ATS News titelte: „For Robert Loddenkemper Collaboration is Key“ [ATS News 2011; 37; 3; 3].

Zwar hatte er seit 2020 Ämter und Funktionen nach und nach abgegeben, dennoch war er weiter aktiv und verfasste bspw. den Nachruf auf seine sehr geschätzte ABNR-Kollegin Martina Pötschke-Langer im Juni 2022. Mit ihr verband ihn ein engagierter Einsatz für Tabakprävention als wesentlicher Faktor im Kampf gegen Lungenerkrankungen.

In seinen letzten Lebensjahren konzentrierte sich Robert Loddenkemper zunehmend auf seine Familie. Seine beiden Söhne und seine sieben Enkelkinder waren ihm immer und v. a. nach dem Tod seiner Frau Beate im Sommer 2022 eine große Stütze. Auch wenn seine körperlichen Kräfte nachließen, war sein Geist bis zum Schluss wach, lebendig, anteilnehmend. In der Lungenheilkunde hat er nachhaltig seine Spuren hinterlassen. Wir werden ihn vermissen.


Vera Seehausen
Nicolas Schönfeld
Cornelia Breuer
Wulf Pankow
Claus Franz Vogelmeier
Peter Kardos
Torsten Thomas Bauer



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Article published online:
14 March 2023

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