Laryngorhinootologie 2022; 101(10): 836-838
DOI: 10.1055/a-1871-7171
OP-Techniken

Eingriffe bei Abszedierungen in der Mundhöhle

D. Simmen
,
N. Jones

Eingriffe bei Abszedierungen in der Mundhöhle

Zungenabszesse gehen von infizierten Verletzungen, von Entzündungen der Zungentonsille, seltener von Entzündungen der Nachbarschaft (Kiefer, Zähne, Tonsillen) aus. Sie können in Zungenspitze, Zungenkörper und Zungengrund oberflächlich oder tief lokalisiert sein. Das generelle OP-Prinzip ist eine frühzeitige Eröffnung und Drainage des Abszesses. Indikation ist jeder Abszess.

Oberflächliche Zungenabszesse

Anästhesie

Beim Erwachsenen überwiegend Oberflächen- und Infiltrationsanästhesie, beim Kind Intubationsnarkose.


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OP-Technik

  • Stichinzision, ggf. nach vorheriger Punktion, Nachspreizen mit Präparationsschere, Absaugen von austretendem Eiter. Zur Aspirationsprophylaxe Kopf vorneigen lassen.

  • Seitlich am Zungenrand liegende Abszesse werden dicht unter der Papillengrenze parallel zu dieser inzidiert ([Abb. 1]), am Zungengrund oberflächlich liegende Abszesse sind mit einem abgebogenen, gedeckten Messer unter endoskopischer Kontrolle zu eröffnen. Hierbei muss auf sichere Absaugung geachtet werden, um eine Aspiration zu vermeiden, sofern der Eingriff in Lokalanästhesie vorgenommen wird. Abstrichuntersuchung, Wundspülung.

  • Große Abszesse werden mit einer am Schnittrand angenähten Lasche vorübergehend drainiert.

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Abb. 1 Oberflächlicher Zungenrandabszess. Inzision seitlich unterhalb der Papillengrenze.
Regeln, Tipps und Tricks
  • Assistenz: Zunge herausziehen lassen.

  • Aspirationsprophylaxe: Absaugung möglichst mit Yankauer-Sauger, da dieser sicher austretenden Eiter absaugt.

Risiken und Komplikationen
  • Aspiration von Eiter mit Pneumonie

  • Larynxeingangsödem, ggf. längerfristige Intubation, Notfalltracheotomie

  • Blutung (evtl. Gefäßunterbindung von außen)


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Nachbehandlung

  • Nachspreizen

  • Antibiotikumtherapie

  • Überwachung der Atmung, Blutungskontrolle


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Tiefe Zungengrundabszesse

OP-Prinzip

Drainage meist transzervikal.


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Anästhesie

Im Regelfall Intubationsnarkose.


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OP-Technik

  • Schnitt: entlang der RSTL kranial vom Zungenbein unter Durchtrennung von Subkutis und Rhaphe zwischen den Mm. genioglossi.

  • Abszesseröffnung: stumpfes Vordringen mit der spreizenden Präparationsschere oder kleinen Péan-Klemme zum Abszess, der vom Mund her mit dem eingeführten Zeigefinger der Gegenhand entgegengedrückt und fixiert wird ([Abb. 2]). Alternativ Punktion und Spaltung entlang der liegenden Kanüle. Abstrichuntersuchung, Wundspülung. Einlage einer Lasche oder Wunddrainage. Naht der Wundwinkel.

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Abb. 2 Tiefer Zungengrundabszess. Inzision von außen unter Gegendruck mit dem Finger von enoral.
Regeln, Tipps und Tricks
  • Identifizierung des Zungenbeinkörpers; der Abszess liegt kranial davon.

  • Punktion erleichtert das Auffinden des Abszesses, anschließend Spreizung entlang der Kanüle.

Risiken und Komplikationen
  • Aspiration von Eiter mit Pneumonie

  • Larynxeingangsödem, ggf. längerfristige Intubation, Notfalltracheotomie

  • Blutung (notfalls Unterbindung der A. lingualis)

  • kosmetisch ungünstige Narbenbildung


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Nachbehandlung

  • Nachspreizen, Spülen

  • Antibiotikumtherapie

  • Überwachung der Atmung, ggf. Kortikoide, Blutungskontrolle


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Abszesse des Mundbodens

OP-Prinzip

Eröffnung und Drainage der von Zunge, Mundboden, Speicheldrüsen, Zahnfleisch sowie apikalen Zahnherden im Unterkiefer mit perimandibulären Abszessen ausgehenden Entzündungen.


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Indikation

Jeder Abszess.


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Anästhesie

Oberflächliche Abszesse werden in Lokalanästhesie angegangen, tiefer gelegene Abszesse erfordern in der Regel eine Intubationsnarkose.


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OP-Technik

  • Abszedierungen am Mundboden, in der Sublingualloge oder paramandibulär innen gelegen werden transoral inzidiert und drainiert ([Abb. 3]).

  • Abszedierungen der Submentalloge: submentaler Schnitt, Trennen der Rhaphe und Aufspreizen in die Tiefe und dann seitlich in die Logen unter der Muskulatur; gegebenenfalls zuerst Punktion.

  • Abszedierung der Submandibularloge: Hautschnitt über der Glandula submandibularis 2 Querfinger unterhalb des horizontalen Unterkieferastes und parallel dazu, Durchtrennen des Platysmas, Aufspreizen in Richtung Abszess unter Gegendruck mit dem Finger von enoral, Spülen der Wunde, Abstrichuntersuchung und Einlage einer Wunddrainage ([Abb. 4]).

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Abb. 3 Abszedierung am Mundboden: Inzision transoral.
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Abb. 4 Abszedierung der Submandibularloge (2) bzw. submental (1). Transkutane Drainage.
Risiken und Komplikationen
  • Eiteraspiration

  • Larynxeingangsödem, ggf. längerfristige Intubation, Notfalltracheotomie

  • Parapharyngealabszess, Phlegmone, Jugularisthrombose, Mediastinitis

  • Blutung (evtl. Gefäßunterbindung von außen)

  • kosmetisch auffällige Narbenbildung

  • Durchtrennung des Ductus Whartoni, Schädigung des N. lingualis

  • Schädigung des R. marginalis mandibulae des N. facialis


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Nachbehandlung

  • Nachspreizen

  • Antibiotikumtherapie

  • Überwachung der Atmung, ggf. Kortikoide, Blutungskontrolle

Aus: Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollständig überarbeitete Auflage


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Publication History

Article published online:
29 September 2022

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