PiD - Psychotherapie im Dialog 2022; 23(02): 12-13
DOI: 10.1055/a-1487-9018
Editorial

Let’s talk about sex, baby….

Claudia Dahm-Mory
,
Michael Broda

…Let’s talk about you and me. Let’s talk about all the good things and the bad things that may be. Let’s talk about sex!

Kennen Sie dieses Lied aus den 1990iger-Jahren von Salt ´n‘ Pepa? Seit wir dieses Heft konzipierten, das Sie gerade in den Händen halten, geht uns dieser Ohrwurm nicht mehr aus dem Kopf.

Let’s talk about sex!

Mal ganz ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal in Ihren therapeutischen Prozessen das Thema Sexualität angesprochen?

Ja, vielleicht, wenn jemand Sie aufgesucht hat, der explizit das Thema im Handgepäck hatte oder mit der Diagnose einer sexuellen Störung Ihre Hilfe gesucht hat.

Aber mal einfach nur so das Thema ansprechen, ohne an Störungen zu denken? Vielleicht sogar mit der Frage, welche Kraftquelle Sexualität für Ihr Gegenüber darstellt? Oder welche besonderen Herausforderungen aufgrund der sexuellen Sozialisierung oder besonderen Erfahrungen jemand zu meistern hatte?

Mit diesen Fragen im Kopf haben wir das Heft konzipiert und haben uns ergebnisoffen im Prozess von Ideen und auch uns Unbekanntem inspirieren lassen.

Den Störungsaspekt, wie in der PiD-Ausgabe von 2013 „Sexuelle Störungen“, beleuchten wir dieses Mal bewusst nicht. Unser Ziel ist es, möglichst viele Aspekte in den Artikeln in den Fokus rücken, die mit Sexualität in weitem Zusammenhang stehen, um Ihnen Lust auf dieses Thema zu machen.


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Let’s talk about you and me!

Sie finden zwei Schwerpunkte in den Beiträgen dieses Heftes.

Zum einen wird in den Beiträgen über Klientinnen und Klienten gesprochen. Es sind Beiträge, die Sexualität ressourcenorientiert betrachten. Dabei werden Phänomene herausarbeitet, die im therapeutischen Alltag vielleicht noch weniger Beachtung gefunden haben, die uns andere Sichtweisen anbieten: Wie denken Sie über die vielen digitalen Angebote in der Welt des Sex? Umut Özdemir beleuchtet die positiven Auswirkungen der digitalen Multioptionswelt. Ist Polyamorie nur Sex mit Vielen? Susann Dietzmann stellt dieses Beziehungsmodell vor und gibt Hinweise für die Beratungspraxis. Einen Blick auf ressourcenorientierten Umgang mit Pornografie, diesem tabuisierten und weit verbreitetem Phänomen, wagen Ronja Zannoni und Aglaja Stirn. Über Sexualassistenz, Sexualtherapie und Sexarbeit sind wir mit Daria Oniér im Gespräch.

Zum anderen sprechen wir über uns Therapeuten und Therapeutinnen und darüber, wie wir mit dem Thema Sexualität in therapeutischen Prozessen umgehen.

Hier finden sich spannende Beiträge, die uns einen Blick in die therapeutische Praxis gewähren: Erotik, Flirten und Sexualität im Therapieraum wird von Sylke Richter beleuchtet. Diana Ecker fokussiert sich auf weibliche Sexualität im Alter und die aus den Erkenntnissen resultierenden therapeutischen Strategien. Psychotherapie bei Transsexualität steht bei Wolfgang Senf im Mittelpunkt, und Angelika Eck stellt vor, wie sich sexuelle Fantasien als Landkarten erotischer Entwicklungsprozesse therapeutisch nutzen lassen.

Neben diesen zwei Schwerpunkten, zu denen sich die Artikel glücklicherweise nicht immer eindeutig zuordnen lassen, haben wir drei Beiträge zu sexuellen Identitäten. Im Vergleich zu der PiD-Ausgabe zu diesem Thema aus dem Jahr 2009 ist viel Zeit mit wertvollen Entwicklungsschritten ins Land gegangen. Wie bereits erwähnt, konnten wir Wolfang Senf als Experten für Psychotherapie bei Transsexualität gewinnen. Thomas Lempp, Laura Schöfer und Florian Daxer geben 10 Empfehlungen für den Umgang mit Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen, und Tammo Wende beantwortet viele Fragen rund um das Thema Trans*.


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Let’s talk about all the good things and the bad things that may be.

Auch wenn in viele Beiträge die eher lustvollen und leichten Seiten von Sexualität anklingen, gehört der Schatten ebenso dazu.

Es mag irritieren, dass sich in einem Heft mit dem Titel „Sexualität“ Beiträge finden, die sich mit sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung beschäftigen. Vielleicht wären diese Beiträge in einem Heft passender, das sich mit Gewalt oder mit sexuellen Traumatisierungen (vgl. PiD 2014) beschäftigt. Dennoch hätte für uns im Heft etwas gefehlt, wenn wir diese Entgleisungen von Sexualität, daraus resultierende Implikationen zum Umgang damit und notwendige Hilfen nicht thematisiert hätten.

Miriam Walther und Peer Briken, als Vertreter der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, nehmen die Perspektive der Betroffenen ein machen sich für ein Überwinden des Schweigens stark. Susanne Hampe stellt die Notwendigkeit von medizinischer Soforthilfe nach Vergewaltigung und das dazugehörige Modellprojekt vor.

Wir sind mit dem Anspruch angetreten, möglichst viele verschiedene, unterschiedliche Aspekte der Sexualität sichtbar, besprechbar und nutzbar zu machen. Hoffentlich haben Sie ebenso viel Lust und Freude am Lesen wie wir an der Gestaltung dieses Hefts.

Claudia Dahm-Mory
Michael Broda


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Publication History

Article published online:
18 May 2022

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