Laryngorhinootologie 2019; 98(10): 745-750
DOI: 10.1055/a-0954-7581
OP-Techniken
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Plastisch-rekonstruktive Gesichtschirurgie

G. Rettinger
,
O. Guntinas-Lichius
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Publication Date:
14 October 2019 (online)

Versorgung von Substanzdefekten

Substanzdefekte können entweder durch gestielte Lappenplastiken (engl. „flap“) oder freie Transplantate (engl. „graft“) versorgt werden.

Gestielte Lappen sind durch eine Gewebebrücke, in denen die ernährenden Gefäße verlaufen, mit dem Nachbargewebe verbunden. Man kann diese Lappen auch frei verpflanzen, wenn ihr Gefäßstiel an Arterien und Venen des Empfängergebiets durch mikrovaskuläre Anastomosen angeschlossen wird (gefäßgestielte Lappen). Diese Lappen erfordern eine aufwändige Technik mit einer relativ langen Operationsdauer und sind mit einem erhöhten Risiko der Lappennekrose verbunden. Für Defektdeckungen im Gesicht-Hals-Bereich stehen in der Regel genügend andere Lappentechniken zur Verfügung, welche das angestrebte Resultat mit größtmöglicher Sicherheit erzielen. Wegen der nur begrenzten Indikation im Gesichtsbereich werden gefäßgestielte Lappen daher nicht näher besprochen.

Eine andere Möglichkeit, die Bildung von Hautlappen zu erleichtern, besteht darin, sich durch Hautdehnung in der Nachbarschaft von Defekten einen Gewebeüberschuss zu verschaffen, der dann zum eigentlichen Verschluss der Wunde dient. Hierzu benützt man Silikonballons, welche subkutan implantiert werden und mit einem ebenfalls subkutan gelegenen Ventil versehen sind (Gewebeexpander). Dieses Ventil wird transkutan punktiert und der Ballon mit physiologischer Kochsalzlösung schrittweise gefüllt. Die Technik erfordert eine gewisse Vorbereitungszeit und ist im Gesichtsbereich nicht so einfach anzuwenden wie in anderen Körperregionen.

Gestielte Lappenplastik

Gestielte Lappen werden entweder nach der Art ihrer Verlagerung (lineare Verschiebung, Rotation, Transposition) oder ihres Lappenstiels bezeichnet. Bezüglich ihres Stieles kann man zwei Gruppen unterscheiden:

  • Lappen mit kontinuierlicher Epitheloberfläche ([ Abb. 1a ]–[ Abb. 1c ]) und

  • Lappen ohne kontinuierliche Epitheloberfläche ([ Abb. 1d ]).

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Abb. 1 Grundformen von Hautlappen.

Innerhalb dieser beiden Gruppen wird im Folgenden nach der Art der Lappenverlagerung unterschieden.

REGELN, TIPPS UND TRICKS

Gesichtspunkte zur Planung von Lappenplastiken

  • Größe des Defekts und Größe des notwendigen Lappens (ein mobilisierter Hautlappen wird durch Schrumpfung kleiner und durch Drehung kürzer)

  • Gefäßversorgung

  • ästhetische Einheit des Spenderbezirks

  • resultierende Narben (an RSTL orientiert?)

  • Richtung der stärksten Gewebedehnung (Verbindungslinie zwischen Lappenfuß und am weitesten entfernten Defektrand)

  • mögliche Verziehung relevanter Strukturen (z. B. Lider, Nasenflügel, Lippe) durch Lappenverlagerung

Größe, Blutversorgung und Vitalität gestielter Lappen

Wie bereits beschrieben wird die Haut von zwei unterschiedlichen arteriellen Systemen versorgt:

Ubiquitär verbreitet ist die Speisung des subepidermalen Gefäßplexus aus subkutan gelegenen Arterien. Diese sind statistisch verteilt und erlauben die Bildung von Hautlappen limitierter Größe (willkürlich gebildete Lappen, „random pattern flap“). Da dieser Lappen über die Gefäße im verbliebenen Gewebestiel versorgt werden muss, gilt ein allgemeines Verhältnis zwischen Lappenlänge zu Breite wie 1 : 1. Aufgrund der besseren Blutversorgung der Haut des Gesichts im Vergleich zu anderen Körperregionen können dort jedoch Lappen doppelt so lang wie breit sein (Länge zu Breite = 2 : 1). Dieses Maßverhältnis kann allerdings nur ein allgemeiner Anhalt sein. Die tatsächliche Durchblutung der Lappenperipherie hängt davon ab, ob der Perfusionsdruck den Gefäßwiderstand überwinden kann. Dieser Widerstand kann z. B. in einem narbigen oder vorbestrahlten Gebiet hoch sein, sodass eine Verbreiterung des Lappenstiels zwar die Zahl der zuführenden Arterien, nicht aber den Perfusionsdruck erhöht, da die versorgenden Gefäße dem gleichen Stromsystem angehören.

Ist die Größe eines willkürlich gebildeten Lappens zur Deckung eines Defekts nicht ausreichend, so lässt sich seine Dimension durch eine Autonomisierung vergrößern. Hierzu wird der Hautlappen in der erforderlichen Größe zunächst umschnitten, aber nur partiell (z. B. zur Hälfte) unterminiert. Die Hautinzision wird anschließend wieder verschlossen. Nach zwei bis drei Wochen kann die endgültige Lappenverlagerung erfolgen. Durch die dann bereits eingetretene Narbenbildung! ist allerdings die Modellierbarkeit der Haut eingeschränkt, sie lässt sich nicht mehr so leicht „falten“. Das Autonomisierungsphänomen beruht nicht allein auf einer Ausrichtung der Gefäße im Lappenstiel durch die Unterbrechung der Blutversorgung über die Lappenränder oder auf einer Adaptation der Zellen an einen O2-Mangel. Vielmehr handelt es sich um eine Drosselung von arteriovenösen Shuntgefäßen über eine Beeinflussung des vegetativen Nervensystems. Eine Autonomisierung empfiehlt sich immer dann, wenn die Lappengröße das angegebene Längen-Breiten-Verhältnis von 2 : 1 überschreitet oder ein schlecht durchblutetes Hautareal vorliegt.

Axial versorgte Lappen (Arterienlappen, „axial pattern flap“) weisen ein ausgedehnteres, definiertes arteriovenöses System auf, welches eine wesentliche Verschiebung des Längen-Breiten-Verhältnisses zugunsten der Länge ermöglicht. Diese Lappen werden meist mit der unter der Subkutis liegenden Faszie abgelöst. Die Länge dieser Lappen richtet sich nach der Lage der versorgenden Arterie, die Breite nach der Dimension des zu deckenden Defekts. Gegenüber willkürlich gebildeten Lappen haben diese allerdings den Nachteil, dass sie nur in bestimmten Regionen zur Verfügung stehen.

Typische Beispiele sind

  • der mediane Stirnlappen (A. supratrochlearis),

  • der Wangenlappen (A. facialis),

  • der Temporallappen (A. temporalis superficialis) sowie

  • der Pectoralis-major-Lappen (Äste aus der A. mammaria interna) als wichtiger Vertreter von gestielten Lappen zur Deckung von Defekten der Hals- und Gesichtsregion aus dem Brustbereich ([ Abb. 5 ]).

Derartige, axial versorgte Lappen können darüber hinaus zusätzlich an ihrem Ende durch einen willkürlich gebildeten Lappen ergänzt werden, sodass Lappen entstehen, die ihre Versorgung aus zwei unterschiedlichen Systemen beziehen, wie z. B. beim Stirnlappen.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Defektdeckung ist die Vitalität des Lappens nach seiner Mobilisation. Bei einer grenzwertigen Dimensionierung, wie sie oft aufgrund der lokalen Gegebenheiten erforderlich ist, können weitere Risikofaktoren wie das Rauchen diese Vitalität gefährden. In solchen Fällen ist der Patient auf das erhöhte Risiko hinzuweisen. Intraoperativ kann der Austritt von Blut aus dem Schnittrand als sicheres Zeichen für eine ausreichende Durchblutung gewertet werden. Normale Verhältnisse liegen vor, wenn eine weißliche Verfärbung der Haut nach kurzem Druck auf den Lappen auftritt, die sich innerhalb von Sekunden über ein livides Kolorit normalisiert. Die allgemeinen Hinweise der [ Tab. 1 ] können natürlich nur grobe Anhaltspunkte sein.

Wenn mit einer Lappennekrose zu rechnen ist, sollte man den Lappen sofort in die Spenderregion zurückverlagern, um dann unter Ausnutzung des Autonomisierungsphänomens nach drei Wochen die erneute Verlagerung vorzunehmen.

Tab. 1

Beurteilung der Lappenvitalität.

Farbe des distalen Lappenendes

Zeitpunkt der Prüfung

Physiologisches Substrat

Prognose

Konsequenz

weiß

unmittelbar nach Lappenmobilisation

reflektorische Vasokonstriktion

Vitalität nicht eingeschränkt

keine

weiß

ca. 30 min postoperativ

Kapillaren blutleer

totale oder partielle Nekrose

Lappen rückverlagern

livide

bis ca. 24 h postoperativ

geringer O2-Gehalt des Blutes

eingeschränkte Vitalität

Kontrolle nach 24 h

livide

> 24 h postoperativ

kapilläre Stauung

Teil- oder Totalnekrose zu erwarten

Lappen rückverlagern

rosa

30 min bis zu 24 h postoperativ

normale Durchblutung

Lappen vital

keine


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Lappen mit kontinuierlicher Epitheloberfläche

Die hierzu zählenden Lappenarten sind in [ Abb. 1a ]–[ Abb. 1c ] zusammengefasst.

Verschiebelappen

[ Abb. 1a ]. Die einfachste Form der linearen Hautverschiebung ist die ausgedehnte Unterminierung der Wundränder zum Verschluss kleinerer, spindelförmiger Hautdefekte ([ Abb. 2 ]). Bei dreiseitig umschnittenen Verschiebelappen entstehen oft Hautverwerfungen an der Basis, die durch Exzision von Dreiecken ([ Abb. 1a ]) oder Z-Plastiken beseitigt werden können.

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Abb. 2 Direkter Verschluss eines ovalären Defekts durch Hautverschiebung. a Mobilisation der Haut um einen ovalären Defekt. Eine tief greifende Hautnaht ist bereits gelegt. b Zustand nach Wundverschluss.

Sonderform: Hierzu zählt die schon besprochene VY-Plastik.


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Rotationslappen

[ Abb. 1b ] Dieser Lappentyp wird am häufigsten verwendet. Voraussetzung zur Anwendung ist eine gute Mobilisierbarkeit der Haut im Spenderbereich, um den Sekundärdefekt primär decken zu können. Sollte die Lappenlänge einmal nicht ausreichen, so kann eine limitierte Verlängerung durch einen „Cutback“ erreicht werden. Bei zu starker Verschmälerung der Lappenbasis besteht jedoch die Gefahr der Lappennekrose. Im Gegensatz zum Transpositionslappen wird ein Lappenrand durch den Defektrand gebildet.

Sonderformen: Rhomboide Lappen ([ Abb. 3 ]) wurden von Dufourmentel und Limberg geometrisch konzipiert und nach ihnen benannt. Lappenplanung und -ausführung sind aus [ Abb. 3 ] ersichtlich.

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Abb. 3 Sonderform: rhomboider Lappen nach Limberg: bd verlängert nach e, de = ba. ef parallel zu dc und gleich lang dc. Dufourmentel: dg = Winkelhalbierende und gleich lang ba. gh senkrecht de und gleich lang ad.

Dabei sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:

  • Bei Exzision von Hauttumoren rhombusförmige Schnittführung vorsehen; bei bestehenden Defekten die Möglichkeit der Umwandlung in einen Rhombusdefekt prüfen.

  • Ausgiebige Mobilisation der Haut.

  • RSTL und Richtung der stärksten Hautdehnung (Verziehung der Spenderregion) beachten.

  • Rhomboide Lappen eignen sich vor allem für Spenderbezirke mit gut verschieblicher Haut (z. B.Wangen- und Schläfenregion).

Bilobed Flap ([ Abb. 4 ]) besteht aus zwei Lappen mit einer gemeinsamen Basis, wobei der erste Lappen (1) meistens als Rotationslappen, der zweite (2) als Transpositionslappen (s. u.) konzipiert ist.

  • Der Defekt wird zunächst mit einem Rotationslappen aus einer Nachbarregion mit nur gering verschieblicher Haut gedeckt.

  • Der entstandene Spenderdefekt wird durch einen Transpositionslappen aus einem Bereich gut verschieblicher Haut versorgt.

  • Die Dehnbarkeit der Haut wird genutzt: Der erste Lappen ist etwas kleiner als der Defekt, der zweite Lappen wiederum etwas kleiner als der erste Lappen.

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Abb. 4 Bilobed Flaps. a Markierung der Lappen 1 und 2 mit unterschiedlicher Dimensionierung. b Situation nach Wundverschluss.

Theoretisch sind auch mehrzipfelige Lappen möglich, in der Regel kann man sich aber auf zwei Lappen beschränken. Eine typische Anwendung ist die Defektdeckung am Nasenrücken, wobei der primäre Lappen aus der unmittelbaren Nachbarschaft, der sekundäre Lappen aus der Glabellaregion stammt.


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Transpositionslappen

[ Abb. 1c ]. Bei Transpositionslappen besteht eine partielle Gewebebrücke zwischen Empfänger- und Spenderbezirk. Der Lappen wird also über eine intakte Hautoberfläche hinweg in den Defekt geschwenkt. Somit ist meist eine Drehung im Lappenstiel um einen Winkel von 90° oder mehr erforderlich. Dabei ist zu beachten, dass sich die Lappenlänge mit zunehmender Drehung immer mehr verkürzt. Da sich hierbei Verwerfungen am Lappenfuß ausbilden, ist oft ein zweiter Eingriff zur definitiven Defektversorgung notwendig. Der Lappenfuß kann etwa drei Wochen nach Lappenverlagerung durch Exzision und Ausdünnung nachmodelliert werden.

Transpositionslappen eignen sich besonders gut zur Defektdeckung im Nasenbereich (Nasolabiallappen, paramedianer Stirnlappen). Die Z-Plastik als weiteres Beispiel für Transpositionslappen wurde bereits genannt.

Neben diesen lokalen Transpositionslappen gibt es auch regionale Lappen. Die bekanntesten sind der Brusthautlappen nach Conley und der Deltopektorallappen nach Bakamjian. Trotz ihrer Basis im Thoraxbereich können sie als lange, axial versorgte Lappen zur Defektversorgung im Gesicht-Hals-Bereich herangezogen werden. Durch die Entwicklung neuer Techniken, insbesondere den myokutanen Pectoralis-major-Insellappen und durch die freien, mikrovaskulären Lappen, haben sie heute wesentlich an Bedeutung verloren.


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Weitere Lappen mit kontinuierlicher Epitheloberfläche

Kipplappen

Kipplappen sind zur Deckung von perforierenden Defekten gedacht. Dabei wird die Lappenverlagerung nicht mehr in der Ebene der Hautoberfläche vorgenommen, sondern der Lappen wird um eine Achse, die im Hautniveau liegt, rotiert. Auf diese Weise kann z. B. die Innenauskleidung der Tracheavorderwand beim Tracheostomaverschluss oder die Naseneingangshaut rekonstruiert werden.


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Brückenlappen

Brückenlappen werden selten benötigt und hier nur aus systematischen Gründen erwähnt. Durch die beidseitige Blutversorgung können relativ lange Lappen gebildet und so größere Entfernungen überwunden werden. Nachteilig ist die Notwendigkeit meist mehrerer Sitzungen und die ungünstige Beeinträchtigung der Ästhetik, vor allem im Bereich der Spenderregion. Eine temporäre Brückenlappenbildung ist auch die Exposition der Nasenflügelknorpel mit Hilfe der Luxationsmethode oder die Schleimhautplastik beim Septumperforationsverschluss.


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Rundstiellappen

Rundstiellappen werden zunächst wie Brückenlappen gebildet, aber dann an ihrer Unterfläche durch Einrollen und Vernähen der Wundränder epithelisiert. Sie finden überwiegend als Fernlappen Verwendung, d. h. sie transportieren Epithel von weiter entfernten Regionen über mehrere Zwischenschritte an den Empfängerort, wenn in dessen Nachbarschaft kein geeignetes Epithel zur Verfügung steht. Durch die Vielzahl notwendiger operativer Schritte sind die Rundstiellappenplastiken sehr zeitaufwändig und daher weitgehend von den myokutanen Insellappen verdrängt worden. Dennoch sind sie nicht völlig in Vergessenheit geraten, da sie in besonderen Fällen aufgrund ihrer Sicherheit einen letzten Ausweg aus sonst hoffnungslosen Situationen bieten.


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Lappen ohne kontinuierliche Epitheloberfläche

Insellappen

Insellappen ([ Abb. 1d ]) bestehen aus einem Hautareal (Insel), das der Größe des zu deckenden Defekts entspricht und das einen definierten, versorgenden Gefäßstiel aufweist. Bei der Präparation dieses Stieles wird meist, um die Gefäße nicht zu verletzen, eine Bindegewebsschicht um Arterien und Venen belassen. Diese Lappen haben in der Regel eine längere versorgende Arterie (z. B. A. supraorbitalis, A. temporalis, A. facialis), die eine langstreckige Stielbildung und damit einen größeren Aktionsradius erlaubt.

REGELN, TIPPS UND TRICKS

Besonderheiten von Insellappen

  • Vorteilhaft ist die Möglichkeit des einzeitigen Vorgehens und die Vermeidung größerer Narben.

  • Nachteilig ist die Hautverdickung, die durch den Lappenstiel hervorgerufen wird.

  • Gefährlich ist die zu starke Drosselung der Blutversorgung durch eine Torquierung des Lappenstieles.

  • Aufwändig ist die Präparation des Lappenstiels.

  • Sichtbar bleibt oft ein markanter Bezirk durch die resultierende zirkuläre Narbe („trap door deformity“)

Eine Sonderform ist der myokutane Pectoralis-major-Insellappen ([ Abb. 5 ]). Dieser Lappen besteht aus einer Hautinsel, deren versorgende Arterie (A. thoracoacromialis) in bzw. unter einem Muskelstiel (M. pectoralis major) verläuft. Der Lappenstiel schließt daher diesen Muskel mit ein. Das Hautareal kann nahezu handtellergroß sein. Der Spenderbezirk lässt sich primär verschließen.

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Abb. 5 Myokutaner Pectoralis-major-Insellappen. a Lappenkonzeption und Landmarken: Akromion (A), Xiphoid (X) und Medioklavikularlinie (M) sind markiert. Die Hautinsel liegt medial der Mamille. Die A. thoracoacromialis verläuft unter dem Schlüsselbein in der Medioklavikularlinie und anschließend schräg nach medial Richtung Xiphoid. b Inzision der Haut von der Mitte des Schlüsselbeins und Umschneidung der Hautinsel. Haut und Faszie der Insel werden zur Vermeidung von Scherbewegungen vernäht. Der M. pectoralis ist noch nicht durchtrennt. c Zirka 3 cm lateral des vermuteten Gefäßstieles wied der M. pectoralis major kranial der Hautinsel, inklusive der darunterliegenden Faszie, durchtrennt. Nach medial zu lässt sich der Gefäßstiel im lockeren Bindegewebe präparieren und palpieren. d Nach Identifizierung der Gefäße Umschneiden des Muskels unter Einbeziehung der Hautinsel, Ergänzung der medialen Muskelinzisionen. e Mobilisation des Lappenstieles bis zur Klavikula. Der M. pectoralis minor und freigelegte Rippen sind sichtbar. Pfeil markiert den Implantationsbereich der Hautinsel.

Der Lappenstiel reicht von der Brustwarze bis zum Schlüsselbein und bedingt einen großen Aktionsradius bis in den Wangenbereich ([ Abb. 5e ]). Es können somit z. B. Hautdefekte der Parotisregion nach radikaler Parotidektomie oder Defekte des Mundbodens nach Tumorresektion versorgt werden. Die Durchblutung dieses Lappens ist sehr gut, er kann daher auch für Defekte in einem bestrahlten Gebiet verwendet werden. Wegen seiner Größe eignet er sich zur Deckung größerer, perforierender Defekte sowohl der Haut als auch der Schleimhaut und zum Volumenersatz (Mundboden, Zunge). Nachteilig ist der sehr dicke, muskulöse Lappenstiel, der im Schlüsselbeinbereich entweder in einer Ebene (bei Verwendung der Haut zur Innenauskleidung) oder sogar in zwei Ebenen (bei Verwendung zur äußeren Defektdeckung) gedreht werden muss.

OP-Technik:

  • Markierung des Verlaufs der A. thoracoacromialis (Verbindungslinie zwischen einem Punkt unmittelbar medial des Akromions und dem Xiphoid) ([ Abb. 5a ]).

  • Markierung der Hautinsel medial der Mamille ([ Abb. 5a ]).

  • Umschneiden der Hautinsel und Hautdurchtrennung über dem Gefäßstiel (Alternative: Aufdeckung des Muskels nach Mobilisation eines Deltopektorallappens) ([ Abb. 5b ]).

  • Aufsuchen des Gefäßstiels nach Inzision des M. pectoralis major durch stumpfe Präparation unterhalb der Faszie (Palpation!) ([ Abb. 5c ]).

  • Umschneidung des Muskels an der distalen Zirkumferenz der Hautinsel (die A. thoracoacromialis verläuft zwischen der Unterfläche des M. pectoralis und der Faszie; durch Einbeziehung der Faszie in den Stiel zusätzlicher Schutz der Gefäße).

  • Vereinigung von Muskelfaszie und Hautrand durch Naht (Vermeidung von Gefäßschäden durch Scherbewegungen) ([ Abb. 5c ]).

  • Präparation des Muskelstiels unter Muskeldurchtrennung (möglichst mit dem „elektrischen Messer“) ca. 3 cm lateral und medial des tast- und sichtbaren Gefäßbündels ([ Abb. 5d ]).

  • Mobilisation bis zur Klavikula ([ Abb. 5e ]).

  • Der Rotationsbereich umfasst die homolaterale Hals- und Gesichtsseite ([ Abb. 5e ]).


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Subkutan gestielte Lappen

Diese Lappen besitzen, im Gegensatz zu den Insellappen, keinen definierten Gefäßstiel und sind lediglich über das Subkutangewebe, welches in zwei Ebenen präpariert wird, versorgt ([ Abb. 1d ]). Sie gleiten auf ihrer Unterlage („sliding flap“) und können auf diese Weise kleinere Defekte verschließen. Eine Anwendung ist die Defektdeckung im Bereich des Cavum conchae nach Entnahme eines Composite Graft.


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Entepithelisierte Lappen

Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Transpositionslappen, welche unter einer Hautbrücke hindurchgezogen und in diesem Bereich zur Vermeidung eines zweiten, zusätzlichen operativen Eingriffs entepithelisiert werden. Da Teile der Dermis am Lappenfuß verbleiben, kann es unter Umständen zur Epithelzystenbildung aus zurückgebliebenen Hautanhangsgebilden kommen.

Aus: Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollständig überarbeitete Auflage


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