Ernährung & Medizin 2008; 23(2): 90-91
DOI: 10.1055/s-2008-1081325
Angewandte Ernährungsberatung
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Missverständnisse vermeiden

Die verschiedenen Ebenen einer Botschaft verstehenUte Jürgens
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Publication Date:
11 July 2008 (online)

Bereits in den siebziger Jahren entwickelte Friedemann Schulz von Thun sein Vier-Ohren-Modell. In der Beratung ist dieses Modell wertvoll, wenn es gilt, Missverständnisse zu klären, oder herauszufinden, was „plötzlich” mit einer Kollegin oder einem Patienten los ist, die vollkommen anders reagieren als normalerweise.

Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass eine Mitteilung nicht nur eine sachliche, sondern auch eine emotionale Ebene enthält. Bei Letzterer benennt von Thun drei „Ohren”: das Beziehungs-, das Selbstoffenbarungs-, und das Appellohr.

Das Ganze lässt sich an einem einfachen Beispiel erläutern: Ihr Patient kommt zum zweiten Mal zur Beratung und eröffnet das Gespräch mit dem Satz: „Die Anweisungen, die Sie mir das letzte Mal gegeben haben, sind überhaupt nicht umsetzbar, ich habe kein Gramm abgenommen!” Wenn Sie als Berater mit Ihrem Sachohr hören, nehmen Sie das Gesagte einfach nur wahr und klären vollkommen ruhig den Sachverhalt. Hören Sie mit Ihrem Beziehungsohr zu, verstehen Sie eher: „Sie sind unfähig zu realistischen Vorschlägen.” Das Beziehungsohr empfängt in erster Linie, was der Sender (hier: Ihr Kunde) vom Empfänger (Ihnen) hält. Dominiert Ihr Beziehungsohr, reagieren Sie möglicherweise emotional auf einen ärgerlichen Vorwurf des Patienten, Sie fühlen sich angegriffen und setzen zur Verteidigung an. Je nach Formulierung und Körpersprache antwortet der Patient entsprechend. In den meisten Fällen haben wir uns in der Beratung so gut „im Griff”, dass nichts weiter daraus entsteht. In freier Wildbahn hingegen ergäbe ein Wort das Andere – denken Sie an private Meinungsverschiedenheiten, Teamquerelen, die Schlange im Supermarkt etc.

In unserem obigen Beispiel hören Sie auf Ihrem Selbstoffenbarungsohr, dass der Kunde motiviert, aber im Moment entmutigt ist. Sie nehmen jetzt keinen Vorwurf auf, sondern er offenbart Ihnen seine Besorgnis und Angst. Ihre Antwort fällt entsprechend beruhigend aus, vielleicht variieren Sie und passen die Empfehlungen besser an die Gewohnheiten des Ratsuchenden an, bestärken ihn im Durchhalten usw.

Die vierte Möglichkeit betrifft Ihr Appellohr: Sie verstehen, dass der Patient auf jeden Fall abnehmen möchte, er will jetzt bessere Ernährungspläne. Ohne weitere Worte der Entschuldigung, Begütigung etc. starten Sie das Gespräch in medias res. Vier Ohren – vier verschiedene Botschaften – vier verschiedene Reaktionen.

Abb. 1 Botschaft verstanden? – Das hängt davon ab, mit welchem inneren Ohr wir zuhören.

Ute Jürgens

Kommunikationstrainerin, Einzelcoach

Peter-Sonnenschein-Str. 59

28865 Lilienthal

Email: KomMed@freenet.de

URL: http://www.kommed-coaching.de

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